Was man gegen Eindhoven schon erahnen konnte, wurde gegen Schalke vermehrt umgesetzt. Der HSV agierte abwartend, clever und generell komplett grundverändert in der Herangehensweise gegen den Ball. Aber passierte dies auch auf Kosten des eigenen Ballbesitzspiels?
Vertraut man nur den nackten Zahlen, dann sprechen diese eine eindeutige Sprache. Schalke 04 spielte über 100 Pässe mehr, hatte zudem eine leicht bessere Passquote (73% zu 72%) und am Ende auch 56% Ballbesitz.
44% Ballbesitz. Der zweittiefste Wert in der Walter Ära beim HSV.
Schaut man sich das Spiel mit Ball allerdings genauer an, so kommt man ins Grübeln, ob das nicht Teil des Gameplans war.
Strukturell gab der HSV ein gewohntes Bild im 433 mit Ball ab. Schalke 04 agierte dagegen in einer Art 4132. Die Schalker agierten gegen den Ball stark mannorientiert. Tendenzen, welche man in Hamburg aus dem Hinspiel schon sehr gut kennen sollte.
Topp und Terodde liefen im Verbund die HSV-Innenverteidiger an, Idrizi und Mohr meist die HSV-Aussenverteidiger, Karaman nahm Jonas Meffert in Manndeckung.
Dahinter pendelte Seguin meist horizontal zwischen den HSV 8ern, auch wenn ihm das nicht immer gut geling.
Die freie 8 im HSV-Spiel wurde durch vorschiebende Innenverteidiger bei S04 kompensiert.
Neben der Mannorientierung hatte S04 das Ziel das Zentrum so dicht wie möglich zu machen. Mohr und Idrizi agierten in ihrem Anlaufen aus sehr zentralen Räumen.
Die Herangehensweise stellte Schalke vor zwei Probleme, die der HSV auch für sich nutzen konnte.
Zum einen schaffte es der HSV, Mohr und Idrizi ständig in Entscheidungen zu zwingen. Diese mussten permanent wählen, ob sie sich konservativ an entweder Benes oder Pherai orientieren oder ob sie konsequent den HSV-Aussenverteidiger anlaufen wollen.
Nahm man in diesem Beispiel Pherai in die Manndeckung, so öffnet sich permanent van der Brempt als Anspielstation, mit teils sehr viel Raum vor sich.
Läuft man van der Brempt an, so ist Pherai dahinter eine extrem freie Anspielstation, die es in der zweiten Bundesliga wahrscheinlich nicht so häufig gibt.
Schalke wirkte in ihrem Anlaufverhalten unkoordiniert. Man entwickelt das leichte Gefühl, dass die Philosophie und die Herangehensweise in der S04-Defensive nicht wirklich zusammenpassen können.
Die zentrale Position der 8 in der Grundordnung und die dadurch resultierenden weiten Abstände im Anlaufen sorgten in der Folge bei S04 für situatives Zuordnungschaos.
Idrizis Anlaufen öffnet Benes praktisch die gesamte linke Seite. Seguin ist initial zu weit weg und Brunner ist plötzlich für Dompe und Benes zuständig.
Auch versäumte es Schalke 04 nach Seitenwechseln wieder rasch in ihre Ordnung zu kommen. Das Zentrum ist zwar dicht, allerdings steht Brunner sich einem 2 gegen 1 gegenüber. Das schwache Zweikampfverhalten von Idrizi gegen Heyer setzt dem Schalker Defensivverhalten etwas die Krone auf.
Der HSV schaffte es auch ohne die typischen Walterball-Rochaden den Gegner vor Probleme zu stellen. Es reichte meist Geduld und Cleverness der 8er in ihrem Positionsspiel.
Man versuchte allerdings auch mit anderen Mitteln die Schalker Man-to-Man Defensive zu überspielen.
Mussten Kaminski und Kalas mal zum HSV 8er vorschieben, so öffnete sich der Raum hinter Kette. Jonas Meffert attackierte mehrfach im Spiel den Raum. Leider ohne Erfolg.
All diese S04 Probleme wurden auch beim 0:1 deutlich. Aus einer statischen Situation schafft der HSV es dynamisch in die Tiefe zu kommen. Und das mit nur einem Pass.
Glatzel lässt sich fallen und zieht Kaminski mit sich heraus. Jatta erkennt den Raum hinter Kaminski und startet mit Ouwejan der ihn eng verfolgt.
Die Mannorientierungen öffnen nun den breiten Tiefenraum für Ignace van der Brempt
Meffert kann nun van der Brempt in Szene setzen, welcher von Mohr umgehend verfolgt wird.
Mohr kommt allerdings nicht mehr in die Situation, sodass Ouwejan von Jatta auf van der Brempt rausschiebt. Kalas orientiert sich an den freiwerdenden Jatta und verliert Pherai komplett aus den Augen.
Da auch Brunner die Situation absolut verpennt und nicht richtig einschätzt, kann Pherai ohne Gegnerdruck einnetzen.
Beim zweiten HSV-Tor ist wieder Pherai einer der Hauptdarsteller. In der Transition kann er seine Stärke im Umschaltspiel gut ausspielen. Der Tiefenpass zu Glatzel ist allerdings nicht ideal.
In der Folge steht Brunner gegen Dompe im 1 gegen 1. Die Boxbesetzung vom HSV ist gut und am Ende fällt das 0:2.
Danach blieben die gleichen Probleme für S04. Der HSV konnte recht viel Kontrolle gewinnen mit einfachem horizontalem Verschieben. Es fehlte zwar nach vorne die Durchschlagskraft, aber diese war auch nicht mehr unbedingt notwendig.
Wenn man das HSV-Offensivspiel mit einer Sonntagsmorgen-Fussballtalkrundenmeinung zusammenfassen müsste, dann könnte man sagen, dass ein gutes Pferd nur so hochspringt, wie es muss. Schalke stellte sich in ihrem Anlaufen oft schon selbst das Bein und war auch im eigenen Spiel mit Ball nicht besonders inspirierend.
Der HSV war über weite Strecken clever gegen den Tabellenvierzehnten. Kritiker von Walter und Co. werden meinen, dass es gegen diesen Gegner viel zu wenig war. Das stimmt auch auf die ein oder andere Art und Weise. Allerdings wurde gegen diesen Gegner nicht das Risiko gebraucht, welches man sonst im eigenen Ballbesitzspiel angeht. Doppelt vertretbar, wenn man mit Heyer auf seinem schwachen Fuß und Ambrosius in der ersten Linie eröffnet.
Der HSV kann auch Ordnung und Effizienz. Endlich möchte man fast sagen.