Wie geht es weiter mit Tim Walter und dem HSV? HSV-KSC in der Analyse

Ein Sieg gegen den KSC wäre wohl mehr wert gewesen als nur 3 Punkte. Eine Siegesserie, gesteigertes Selbstvertrauen und die Aussicht auf eine ebenfalls bald gefestigtere Innenverteidigung mit der Rückkehr von Schonlau und seinem neuen Partner. 

Am Ende hat der HSV weder David Zima, noch 3 Punkte nach Hamburg geholt. Stattdessen ist die Unruhe zurück im Verein. Unruhe um die Zukunft von Tim Walter und um die Wintertransferperiode, die doch frühzeitig die personellen Baustellen schliessen sollte.

Aber woran liegt es, dass der HSV zum wiederholten Male nicht stabil auftreten kann und im entscheidenden Moment Fehler macht? Wir begeben uns auf Spurensuche im Volksparkstadion:

Neben der Rückkehr von Miro Muheim nach Rotsperre, war auch Ludo Reis für den erkälteten Pherai in der Startelf. Beim KSC fiel neben Stindl auch Jerome Gondorf aus, dafür rückte Jensen auf die Position des tiefen 6ers. Nebel agierte auf der 10 und Wanitzek als linke 8.

Die ersten Minuten des Spiels waren mehr als nur eine kalte Dusche für den HSV. Es war viel mehr ein bitterkaltes Eisbad. Der frühe Doppelschlag von Ex-Paulianer Igor Matanovic brachte den HSV früh ins Hintertreffen. Warum diese Tore so fielen und was dort beim HSV falsch lief, wird Robert morgen genauer analysieren.

Nach dem frühen 0:2 war es gruppentaktisch ungefähr das, was man erwarten konnte. Der KSC baute meist in einem 3er Verbund aus Innenverteidiger und Torwart Drewes in erster Linie auf. Jensen wurde in der Zentrale situativ von Burnic unterstützt, Jung und Heise schoben breit vor und Wanitzek, Nebel, Zivzivadze und Matanovic besetzten die letzte Line.

Der HSV hatte früh Probleme mit der Art des Aufbaus vom KSC. So lief man im Vergleich zum Spiel auf Schalke weitaus höher an. Benes und Glatzel starteten als erste Verteidigungslinie, dahinter war es meist ein wenig breiter 3er Verbund aus Dompe, Reis und Jatta, welche sich tendenziell eher am 8er orientierten. Meffert stand versetzt etwas tiefer meist in der Nähe von Nebel.

Gerade zu Beginn der Partie war es auffällig, wie der HSV individualtaktische Fehler machte und der KSC von den hohen Abständen im HSV-Anlaufen profitierte. 

Drewes kann nach einem Rückpass ohne viel Druck von Benes in die Zentrale eröffnen. Der hohe Fokus auf den Passempfänger oder in der Folge den Ballführenden machen Jensen in der Folge zum Mittelpunkt im HSV-Pressing. Nachdem Reis schon mit Pass von Drewes auf Jensen losgestürmt ist, geht auch der Fokus von Benes zunächst nur auf Passempfänger Jensen. Jensen spielt weiter auf Burnic, der sofort das Ziel von Reis und Benes wird. Dieser spielt zurück auf Jensen, der dann ohne Gegnerdruck das Spiel über Franke auf Jung verlagern kann.

Jung findet nach Anlaufen Muheims Burnic in der Mitte und dieser nachfolgend Matanovic in letzter Linie, der Ambrosius über das gesamte Spiel mehr als Probleme bereitet.

Neben Benes‘ leicht tieferen Position im Anlaufen schaffte es vor allem Jean-Luc Dompe eine bessere Balance im Positionsspiel zwischen Burnic und Jung zu finden. Die verbesserte horizontale Kompaktheit und bessere Positionierung von Dompe zwischen Jung und Burnic, ermöglichte es, dass der HSV oft auf der Außenposition zuschieben konnte, sodass Franke oft gezwungen war den langen Ball zu spielen.

Diese Nuancen rund um die Isolation von Rechtsverteidiger Jung machten den Erfolg oder Misserfolg im HSV-Pressing aus. Schaffte es Burnic entweder Dompe zentral zu binden oder der KSC gut zu verlagern, so war meist Jung der freie Mann im KSC Aufbau.

Im Spiel mit Ball änderte sich beim HSV im Vergleich zum Schalke Spiel recht wenig. Benes agierte als 8 oft in letzter Linie, Reis pendelte zwischen Zwischenraum und Zwischenraum. 

Der KSC hielt dagegen in ihrem 4312 oder dem 433 Low Block, der den HSV schon im Hinspiel vor gewisse Probleme stellte.

Allerdings agierte die erste Defensivlinie des KSC durchaus anders als man es erwarten konnte. Die Stürmer Zivzivadze und Matanovic gewährten den HSV-Innenverteidigern viele Freiheiten, gerade Ambrosius wurde oft nicht angelaufen. Stattdessen positionierten sich beide KSC-Stürmer meist so, dass sie in ihrem Anlaufen den HSV-Außenverteidiger permanent in ihren Deckungsschatten genommen haben. Aus der Zentrale presste Nebel die HSV-Innenverteidiger situativ und machte es dabei so stark, dass sich Meffert trotzdem nie aus dessen Schatten lösen konnte.

War der Ball dann beim HSV Außenverteidiger angekommen, so konnte der KSC problemlos die Seite zustellen. Der HSV schaffte es höchstens entlang der Seitenlinie zu spielen, allerdings klärte der KSC jeden Ball, der nur in die Nähe des letzten Drittels kam. 

Der HSV schaffte es nur sehr selten sich dem «KSC-Breitenzugriff» zu lösen. Die Geschwindigkeiten beim Verlagern passten nicht. Auch das Spiel durch die Mitte bei einem Anlaufen von Nebel war non-existent. Nur Gui Ramos schaffte es durch Bewegungen mit und ohne Ball ein wenig Progression ins HSV-Ballbesitzspiel zu bekommen.

Entweder durch Andribbeln oder durch das Walterballtypische Vorschieben neben Meffert entwickelte sich etwas Dynamik im HSV-Spiel. Die starke AV-Orientierung öffnete situativ die Passspuren für Gui Ramos. Dieser kann zwischen den Linien angespielt werden und findet dann schnell den abkippenden Glatzel

Benes‘ Positionierung in letzter Linie (und ein glücklich gewonnener Zweikampf) bringen dann Dynamik in die HSV-Offensive. Glatzel setzt Jatta mit einem Steilpass in Szene und schon wird es zumindest ein wenig gefährlich für den KSC.

Glatzels Abkippen wird mit zunehmender Spielzeit das Mittel, um offensiv in Fahrt zu kommen. Oft wird er nicht mannorientiert verfolgt, sodass sich bei gewissen HSV Positionsrochaden (die es allerdings viel zu selten gab) der Raum vor Viererkette öffnete. In dieser Szene ziehen Muheim und Reis die KSC-Zentrale aus ihren Positionen, sodass Glatzel komplett frei vor der Viererkette auftaucht. Glatzel schickt Muheim und der HSV kommt zum wiederholten Male hinter die KSC-Abwehr.

Der HSV kommt über die Walterball-Elemente zurück in die Partie, aber so sind trotzdem die hohen Ballgewinne und Transitions die Momente, die den HSV auch vom Ergebnis her wieder zurück ins Spiel kriegen. Nach einem zu kurz geratenen langen Ball von Franke ist der sonst so dichte KSC Block plötzlich im ganzen Volksparkstadion verteilt. Die KSC Zentrale ist offen und der HSV schlägt eiskalt zu

Am Ende steht man trotzdem mit leeren Händen da. Aber warum? Eine Antwort habe ich zumindest nicht parat.

Der HSV, um Tim Walter, bringt sicherlich seine Klischees mit, für die er zur Rechenschaft gezogen wird, obwohl die Niederlage damit recht wenig zu tun hat. Tim Walter schleppt bei seinen Gegnern eine mächtige Hypothek mit sich herum, was eine Beurteilung seiner Personalie schwerer und schwerer macht.

Der HSV hat seine Probleme. Sei es in der hohen Fehlerquote, die sich nicht mehr durch andere Mannschaftsteile kaschieren lässt oder in seiner oftmals luftigen defensiven Herangehensweise, in der Nuancen entscheiden über den langen Ball ins Nichts oder das erfolgreiche Umspielen des HSV-Pressings. 

Die individuellen Fehler kann man ihm sicher nicht ankreiden. Welche Kritik allerdings erlaubt ist, ist, dass Walter es nach 2.5 Jahren nicht geschafft hat, den HSV so zu stabilisieren, dass Kleinigkeiten nicht zwischen Sieg oder Niederlage entscheiden.

Der HSV ist keine schlechte Fussballmannschaft. Manchmal ist sie aber nicht gut genug.

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