@P7Syh0: Wer wäre für euch auf der 6 ein besserer Kandidat als Meffo und warum? Wen würdet ihr für diese Position holen?
Benedikt: Grundsätzlich ist Meffert nicht das Problem. Zwar schafft er es nicht den großen Räume vor der Abwehrkette alleine zu verteidigen, aber das können die wenigsten. Yannik Engelhardt von Fortuna Düsseldorf wäre ein Spieler der diese Rolle noch eher ausfüllen könnte, aber auch Meffert war in der Vergangenheit aktiver gegen den Ball. Nun mag er diesbezüglich seit der ersten Saison auch abgebaut haben, aber es muss dabei bedacht werden, dass sich zum einen seine Rolle und das Abwehrverhalten der gesamten Mannschaft verändert hat und zum anderen durch die Zusammenstellung des Mittelfelds diese Saison an Zweikampfstärke und Robustheit verloren gegangen ist.
Was Meffert bietet ist besonders von organisatorischem Wert. Seine Ballkontakte sind zwar weniger geworden und ein größerer Anteil findet höher im Feld statt, aber dadurch ist er auch öfter der Spieler mit dem vorletzten Pass vor einem Torschuss. Zudem fängt er viele lose Bälle ab und gibt sie gedankenschnell an kreativere oder besserplatzierte Spieler weiter.
Wenn es aber darum geht den HSV im Mittelfeld kompakter zu machen, sollte man zunächst bei der Gruppendynamik anfangen. Dabei geht es zum einen um die Profile und zum anderen die situativen Positionierungen. Gegen den Ball stand Reis z.B. in seiner ersten Saison häufig tiefer neben Meffert, wodurch beide einen kleineren Raum verteidigen mussten und z.B. lange Bälle schon vor der Abwehrkette leichter abgefangen werden konnten. Aber auch grundsätzlich waren die Abstände zwischen den Spielern geringer, weil ein größerer Fokus darauf gelegt wurde nach vorne zu verteidigen, um dabei die Ketten näher beieinander zu halten. Somit ist meine Schlussfolgerung, dass man zu Meffert zwar durchaus ein Upgrade holen könnte, dass noch besser in der Lage ist große Räume als alleiniger 6er zu verteidigen, aber mitten in der Saison muss es eher darum gehen im Kollektiv den Zugriff und die Zweikampfstärke zentral zu verbessern.
Rob: Die Position, die Meffert bekleidet, ist sehr besonders. Er ist die so häufig erwähnte Balance im Spiel. Meffert ist im Vergleich zu den letzten beiden Jahren stark verbessert. Dafür hat er schlichtweg gegen den Ball einfach einen ungleich schwereren Job zu erledigen als die letzten beiden Jahre. Organisierte er in den letzten Jahren eher die Vernetzung und das Nachschieben hinter dem Gegenpressing, sollte er nun vor der Kette einen riesen Raum – sowohl horizontal als auch vertikal (größere Abstände der 1. und letzten Kette) verteidigen. Wenig Hilfe erhielt er dabei von Benes und Pherai. Auch eine zuverlässige Hilfe von gut getimeten Sprüngen der IV war nicht vorhanden. Er ist und bleibt somit für mich der einzige Kandidat auf der “Holding-6” im Kader. Ernsthafte parallelen sehe ich im Kader eigentlich nur bei Krahn, von dem ich mir noch eine stärkere Entwicklung erhoffe. Auch Poreba kann diese Rolle nicht ausfüllen. Das Profil gleicht eher einem 8ter oder einen komplementär 6er neben Meffert. Gespannt bin ich darauf, wie um ihn herum angepasst werden wird.
Für Neuzugänge beschäftige ich mich zeitbedingt einfach zu wenig mit anderen Mannschaften und anderen Ligen. Als Elfadli aktuell wurde, habe ich ihn mir auch live mal angeschaut. Das wäre in der Tat eine Alternative mit enormer Variabilität neben/hinter/anstelle Mefferts gewesen.
@SoogoSuyi: Ich fand die Heimspiele in der Rückrunde spielerisch ganz gut. 1) Widersprecht ihr mir da? 2) Gibt es am Ansatz gar nicht so viel zu ändern, evtl. sogar nur das Personal, um die kommenden Heimspiele zu gewinnen?
@mikawre: Wie würdet Ihr uns defensiv stabiler machen?
Rob: Sag das lieber nicht zu laut, ich habe dafür extremen Hate auf “X” bekommen. 🙂 Mit Ball war das höchst effektiv und gut in meiner Welt. Das die Tore meist nach Umschaltmomenten oder nach Standards erzielt wurden, widerspricht dem auch nicht. Bei den Chancen aus dem Spielverlauf waren wir nur nicht so effektiv.
Beim Ansatz widerspreche ich dir allerdings und möchte darüber hinaus auch die Frage von @mikawre beantworten: Man muss einfach wieder deutlich EINE Spielidee sehen gegen den Ball. In den beiden Heimspielen hatte das was von ner Kompromiss- bzw. “Hybridlösung” im Pressing. Vorne gerade so viel Personal beim Anlaufen, dass der Gegner lang schlägt – hinten aber gerade nur so viel Personal, dass man nicht ganz in Unterzahl ist.
Was ich meine: Wenn ich hoch anlaufen will, dann schiebe ich da mit aller Macht nach, versuche die dann aus dem totalen Druck meist ungenau geschlagenen Bällen durch vernünftigen Tiefenstaffelung aufzusammeln oder weg zu verteidigen. Ich kann nicht das beste aus beiden Welten haben – und wenn du mich fragst:
Wir sind der HSV, ich will Dominanz (zumindest in der 2. Liga… ;-)!
Als gute Beispiele können hier übrigens Leverkusen und Pauli dienen. Im Angriffspressing schiebt Leverkusen (Pauli auch) in einem 3-4-3 brutal hoch, sichert dann die Tiefe allerdings auch mit den Monstern Kussounou, Tapsoba und Tah. Beide Mannschaften gönnen sich aber auch ruhigere Phasen, in denen dann in einem 5-2-3 oder gar 5-3-2 verteidigt wird. So oder so – es werden keine Kompromisse eingegangen.
Benedikt: In beiden Punkten sehe ich das grundsätzlich genauso. Das Spiel gegen Hannover zeigte wieder einmal beide Seiten des HSV. Ein enorm gefährliches Angriffsspiel verbunden mit individuellen und gruppentaktischen Fehlern gegen den Ball. Das 0:2 war ein Paradebeispiel dafür wie wenig beim HSV zwischen einer eigenen und einer gegnerischen Torchance liegt. Denn bevor Pherai ausrutscht und Ambrosius unkontrolliert seinen Raum in der Abwehrkette aufreißt, steht die Abwehrreihe von Hannover vor akuter Gefahr. Das ganze fängt mit einem Einwurf an, den Bénes von links außen gut auf Pherai im Zentrum weiterspielt. Rutscht dieser nicht aus, ist Glatzel eigentlich bereit für den Tiefenlauf mit viel Raum vor und um sich und Jatta wäre auch sofort hinter die Kette von 96 gelaufen.
Gegen den Ball zeigte sich dann wieder das fehlen dieser EINEN Spielidee gegen den Ball, die Rob angesprochen hat. Denn Pherai’s erste Reaktion nach dem Ballverlust, ist dass er zögert. Dies tut er nur kurz, aber in der Vergangenheit hätte der Hannoveraner, Kunze, sofort 2-3 Spieler um sich gehabt, weil die gesamte Mannschaft vorwärtsverteidigen sollte. Für mich ist sowas ein Symptom dessen, was Rob beschreibt, die Mannschaft steckt zwischen konträren Prinzipien, die nicht vereinbar sind. Zu dieser Variabilität im vorwärts-orientierten Verteidigen, lässt sich auch anhand von Statistiken etwas sagen. Wer ihn nicht kennt, der sogenannte PPDA-Wert misst die Anzahl von Pässen die eine Mannschaft in den offensivsten 40% des Spielfeldes pro eigene defensive Aktionen zulässt. Ist der Wert höher (mehr Pässe des Gegners) geht die eigene Mannschaft durchschnittlich weniger ins Pressing, ist der Wert niedrig, ist das Pressing im Durchschnitt intensiver. Der HSV hat diesbezüglich den 2. kleinesten Wert der Liga aufzuweisen (9.88). Und gegen Hannover lag der Wert sogar nur bei 9.5. In Spielen wie gegen Karlsruhe und Schalke zu Beginn der Rückrunde lagen diese aber bei 17.1 und 13.5 (der ligaweit höchste Durchschnitt liegt aktuell bei 15.51). Ein ständiger Wechsel bei solchen Prinzipien wie dem Verhalten direkt nach Ballverlust, scheint dem HSV generall nicht gut zu tun.
@LarsKhne1: Gibt es einen Trainer, den ihr taktisch passend findet für den HSV?
@saiberRaiders: Welcher Trainer würde zu dem aktuellen Kader am besten passen? Spielweise / Balance offensive – Stabilität defensive. Welches System mit welchen Spieler würdet ihr, losgelöst von Verletzungen, am ehesten spielen lassen ?
Rob: Hier möchte ich auf meinem Artikel über das Aus von Tim Walter verweisen. https://rautenball.de/2024/02/12/im-fokus-das-scheitern-des-tim-w-und-was-wir-nun-brauchen/
In dem Artikel beschreibe ich (auch aus Unwissenheit über die einzelnen Profile) ein Profil, welches ein neue Trainer bedienen muss. Es ist ganz unten in dem Kommentar zu finden – auch was die Spielweise angeht.
Was das System angeht, bräuchte ich wahrscheinlich sehr sehr viel Platz – und das würde hier eindeutig den Rahmen sprengen. Einhergehend mit Pep Guardiolas “Formationen sind nur Telefonnummern”, bedarf es da mehr Erklärung als ein paar Zahlen aufzuschreiben. Aus einer Formation wird ein System durch die reale Anordnung mit und gegen den Ball. Darunter legen wir dann mit offensiven und defensiven Prinzipien, wie innerhalb der Systematik verteidigt oder eben Tore herausgespielt werden sollen.
Mit unserem Kader kann man vieles machen – im derzeitigen Zeitpunkt sollte man aber auf dem Aufbauen was man hat. Sowohl personell als auch vom System her.
Ich bin z.B. nicht bereit Dompé nicht aufzustellen. Somit schränke ich mich dahingehend ein, dass ein massives 5-3-2 schon mal keine Position für ihn bietet (in der 2.Liga sowieso unrealistisch). In einem 5-2-3 // 3-2-5 ist das schon viel darstellbar.
Generell sehe ich uns allerdings mit dem Personal schon gut im 4-3-3 (mit Ball dann 3223) gut aufgehoben. Die Formation entspricht unserem Personal und die seit 2 1/2 Jahren praktizierten Prinzipien mit Ball sind dabei stimmig. Was ich ändern würde, wäre in der Tat, dass ich wieder zu dem bedingungslosen Gegenpressing und konsequenten nachschieben übergehen würde. Gerade mit Reis und Pherai hat man nun dafür eine extreme Dynamik dabei. Auch vereinfacht es für die letzte Reihe die Entscheidungen… Einer sichert die Tiefe, der Rest schiebt mannbezogen nach.
PS: Freigemacht von Formstärke, Verletzungen, Doping, allem:
Mit Vusko, Schonlau und van den Brempt auf letzter Linie, Jatta und Muheim als Winger, Meffert, Benes/Poreba als 6er und Pherai / Reis auf 8/10 hinter Glatzel? Dazu weniger Positionsspiel und mehr Relationismus? Könnte ich mir extrem gut vorstellen. 😉
Benedikt: Ich möchte hier nur ein paar weitere Worte zum Relationismus anbieten. Ein Kernprinzip von diesem Ansatz ist es, dass extreme Verlagerungen eines Großteils der eigenen Mannschaft auf eine Seite des Spielfeldes dazu führen können, dass der Gegner den Fokus auf die andere Seite verliert und so mit größerem Überraschungseffekt, der Ball nach längerer Zirkulation auf einer Seite, auf die andere gespielt werden kann. Dies könnte besonders für Dompé sinnvoll zu sein. Und das meine ich sowohl mit als auch gegen den Ball. Mit dem Ball würde es ermöglichen ihn isoliert anzuspielen, so das er seine Stärken im 1-zu-1 ausspielen kann. Gegen den Ball, könnte es ihn von defensiven Aufgaben noch mehr befreien. Denn durch das extreme Überladen der rechten Seite würden sehr kleine Abstände zwischen den eigenen Spielern entstehen, die es einem erleichtern im Gegenpressing Zugriff auf den Gegner zu bekommen. Und zugleich dient die Seitenauslinie dazu dass der Gegner sich nur auf eine Seite befreien kann. Man würde somit Ballverluste zum größeren Teil auf die rechte Spielfeldseite beschränken, wo man diese mit Jatta und Van der Brempt am ehesten kompensieren kann.
@OtsutskiIsshiki: Könnte uns die Personalie Heyer momentan weiterhelfen (aber nicht als Außenverteidiger)?
Rob: Ich nehme die Frage nun mal ganz genau und beantworte sie für zwei mögliche Positionen:
1. Als IV, Jein! Hadzi gesperrt, Schonlau auf dem Weg der Besserung, Ramos derzeit wohl gesetzt: Ambrosius ist für mich ein Verteidiger, der in einem massiven tiefen Block dir vieles/alles wegverteidigt. Aber dieser Spielertyp wird bei uns einfach maximal nicht gebraucht. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Merlin Polzin oder ein anderer Trainer eine andere Meinung hat. So gerne ich Stevo – auch als Identifikationsfigur – liebe.
Heyer kann diese Position ausfüllen – seine Geschwindigkeitsdefizite sind hier nicht ganz so gravierend. Aber auch er hat – ähnlich zu Ambrosius – in der Entscheidungsfindung defensiv seine Probleme gehabt (als AV beim herausrücken).
2. Als 6er, Jein! Sollte Merlin auf eine Doppel 6 setzen, wäre hier wohl Poreba eher Kandidat Nr.1. Dieser bringt einfach mehr progressives mit dem Ball mit (dreht gut auf). Heyer wäre hier Kandidat für eine weitere Absicherung neben Meffert. Aber auch das erscheint mir eher situationsbedingt notwendig zu sein. Und statt Meffert steht für mich außer Frage.
Benedikt: Statistisch betrachtet, ist Heyer absolut kein Stümper wenn es ums progressive Spiel geht. Er hat aber auch nichts außergewöhnliches zu bieten. Im Mittelfeld spielte er zuletzt regelmäßig unter Thioune und da bot er knapp 6 progressive Aktionen pro 90 Minuten mit 4 Pässen und fast 1.9 Ballführungen. Bei Reis sind dies aktuell 6.71 und 3.54. Poręba hat bis jetzt noch nicht ausreichende Minuten gespielt, um eine klare statistische Bewertung anzubieten, aber die 261 Minuten bei Lens und die 198 Minuten beim HSV in der 2. Bundesliga sehen ziemlich ähnlich aus. Mit 6.36 progressiven Pässen und 1.36 progressiven Ballführungen übertrumpft auch er Moritz Heyer. Auch Rob’s Anmerkung zu seiner teils fragwürdigen Entscheidungsfindung beim Herausrücken, lässt sich einmal grafisch veranschaulichen. In der ersten Grafik ist zu erkennen, dass er für einen Spieler der als Außenverteidiger eingesetzt wurde, unterdurchschnittliche viele Bälle abgefangen hat und auch seine Zweikämpfe finden überwiegend im defensiven Drittel statt. Er versteht es somit nur geringfügig durch proaktives Rausrücken Bälle zurückzugewinnen. Dies zeigt auch die zweite Grafik, wo zu sehen ist, dass die meisten seiner abgefangenen Bälle tief im Feld stattgefunden haben.