Ist Elversberg mehr als nur Rochelt? #HSVELV Preview

Elversberg. Da war doch was. Es war wahrscheinlich der Kipppunkt in der Walter Ära. Ein Spiel das die nächsten Wochen bestimmt hat. Sei es wegen der oft geschriebenen fehlenden Mentalität, den Problemen gegen einen 433 Low Block oder der Beginn von den immer wiederkehrenden individuellen Fehlern.

Umso ironischer, dass nun am Sonntag die Ära von Steffen Baumgart startet. Zwei Heimspiele zu Beginn sind sicherlich dankbar für den neuen Coach, dann sind es namentlich auch „nur“ zwei Aufsteiger. Aber ist Elversberg die oft betitelte Laufkundschaft? Ein kleiner Spoiler: Sie sind es nicht.

Personell beginnt der SVE höchstwahrscheinlich in ihrem 4231. Der SVE hat zwar auch eine 3er Kette im Repertoire, allerdings ist es kaum vorstellbar, dass man aufgrund der aktuellen IV-Situation darauf zurückgreift. Die Situation in der Innenverteidigung ist nämlich alles andere als ideal für die Saarländer. Kevin Conrad laboriert schon länger an einem Innenbandriss im Knie, Sickender klagen Oberschenkelprobleme und Frederik Jäkel fällt ebenfalls mit einer Knieverletzung aus.

Wie stark sich gerade Jäkel und Sickinger ergänzen, zeigt die Grafik. Sickinger, der auch teils als 6er eingesetzt wird, bringt neben seinen Defensivqualitäten auch eine Klasse mit Ball mit. Jäkel ist im Gegensatz der etwas klassischere Innenverteidiger, aber auch seine Passtärke ist nicht zu unterschätzen. Ersetzt werden die beiden von Lukas Pinckert und Florian Le Joncour. Pinckert, der übrigens beim HSV ausgebildet wurde, ist gelernter Rechtsverteidiger.

Die selbe Qualität bringen sie dann aber doch nicht auf den Platz. Gerade Le Joncour ist im Spiel mit Ball unterdurchschnittlich. Dies fällt besonders auf, wenn er unter Druck steht. Mehr als ein langer Befreiungsschlag liegt dort meist nicht drin. Mit Ball wird es also extrem auf den ex HSVer Pinckert ankommen.

Der Rest der Truppe aus dem Saarland stellt sich praktisch von alleine auf. Vandermersch und Neubauer sind die Stammaußenverteidiger, Fellhauer und Sahin bilden die Doppel 6. Auf dem rechten Flügel agiert Feil, auf der 10 Bayern Leihgabe Paul Wanner und links (obwohl er viel mehr einen falschen 10er gibt) spielt Shooting Star Rochelt. Im Sturm führt kein Weg an Luca Schnellbacher vorbei.

Obwohl man personell in der ersten Linie sehr limitiert aufgestellt ist, möchte der SVE trotzdem flach hinten rausspielen. Die beiden Innenverteidiger fallen neben Torwart Kristof, die Außenverteidiger agieren in der Höhe leicht versetzt und in der Nähe der Seitenlinie. Unterstützt werden sie von beiden 6ern, welche beide tief bis an den eigenen Strafraum fallen.

Den ersten Pass erhält dann in der Regel einer der beiden IVs. Mit dem gespielten Ball bewegen sich auch der ballnahe 6er und der Flügelspieler. Sahin und Rochelt stellen in dieser Situation ein Viereck her, Schnellbacher und Wanner agieren in der letzten Linie kohärent zu den Bewegungsabläufen im Aufbau und können so meist den gegnerischen Außenverteidiger und ballnäheren Innenverteidiger binden.

Elversberg stellt so durch einfaches Überladen eine Überzahl her. Osnabrück am vergangenen Wochenende fand sich oft in genau diesen 3 gegen 4 Situationen wieder. Zusätzlich bringt die oft smarte Positionierung von Rochelt auch die Option den Raum hinter dem gegnerischen Flügelspieler zu bespielen, da Schnellbacher und Wanner die letzte Linie am eingreifen hindern.

Zieht sich der Gegner etwas weiter zurück, verwendet der SVE ähnliche Prinzipien. Die Personalie Rochelt macht hier wieder den Unterschied. Oft als linker Mittelfeldspieler aufgeführt, gibt er dem Elversberg Spiel viel mehr eine zweite 10 oder hohe 8. Er agiert in diesen Phasen viel im Zentrum und im Halbraum.

Durch hereinkippen in den Halbraum schafft es Elversberg fast permanent eine Überzahl im Mittelfeld herzustellen. Zusätzlich schafft Elversberg diese Überzahlen in Spielfeldhöhen, die das Vorwärtsverteidigen der gegnerischen letzte Linie etwas zu aggressiv scheinen lassen. Kriegt Elversberg diese Situation, in der sich Wanner und Rochelt ohne viel Gegnerdruck den Ball hin und herschieben können, wird es durch eine enorme Geradlinigkeit und gute Boxbesetzung im letzten Drittel sehr schnell gefährlich.

Situativ fällt auch Luca Schnellbacher noch in dieses Konstrukt. Gewählt werden dann oft Steil-Klatsch Elemente um direkt die Tiefe zu bespielen.

Ein alternatives Stilmittel sind die langen Diagonalbälle von Sahin in den Rücken der Abwehr. Durch die meist wenig breiten Positionen von Rochelt und Feil (auch wenn der tendenziell breiter agiert als Rochelt), ist die Tiefe auf der Schiene häufig unbesetzt. Neubauer und Vandermersch schalten sich aus der Statik mit einem Tiefenlauf in diese Situationen ein. Das Nachrückverhalten des Mittelfelds ist ebenfalls gut. Kann der Elversberger dann das Duell gewinnen, ist das Ziel eine schnelle Flanke in eine gut besetzte Box.

Gegen den Ball könnte es am Sonntag wieder zäh wie Kaugummi werden. Elversberg hat nach dem 433 Low Block nun das tiefe 442 für sich entdeckt. Wanner schiebt vor in die erste Verteidigungslinie, dahinter stehen die Saarländer tendenziell tief und sehr kompakt. Die Elversberger zeichnet vor allem ihre Arbeitsrate gegen den Ball aus. Man ist sehr geduldig, die Innenverteidiger werden eigentlich nicht aggressiv angelaufen, wenn man sich in der tiefen Grundordnung befindet. Der ganze Ansatz ist sehr konservativ, aber durchaus erfolgreich.

Allerdings zeigt der SVE Momente, in denen sie sehr wohl den Gegner hoch attackieren wollen. Wenn man es auf eine Formation runterbrechen möchte, dann ist es wohl am ehesten ein 4114. Fellhauer und Sahin spielen in diesen Situationen oft versetzt, da Sahin sich am gegnerischen 6er orientiert. In der ersten Verteidigungslinie wird Mann gegen Mann attackiert. Hohe Ballgewinne aus einem Angriffspressing sind zwar eher die Seltenheit, aber situativ kommt es vor.

Es könnte eine zähe Angelegenheit werden im ersten Spiel unter Coach Baumgart. Elversberg ist mannschafts- und gruppentaktisch eine Mannschaft auf hohem Niveau, allerdings gibt es trotzdem gewisse Schwachstellen. Die dezimierte Innenverteidigung wirkt nämlich auch im Spiel ohne Ball nicht immer sattelfest. Zuordnungsprobleme und schlechte Entscheidungen schleichen sich öfter ein, als es Coach Horst Steffen wahrscheinlich sehen will. Bei Standards ist man durchaus anfällig und gelöste Situationen bei hohem Anlaufen resultieren oft in wenig vertikaler Kompaktheit bei den Saarländern.

Es wird eine unangenehme Aufgabe für den HSV am Sonntag. Der HSV sollte Geduld mitbringen, diesen tiefen Block aufzubrechen. Je früher, desto besser. Die Rückkehr von Schonlau sollte immens dabei helfen. Wenn man die Elversberger permanent vor Entscheidungen stellen kann, wird dieser kompakte tiefe Block sehr schnell ein wenig chaotischer. Ich bin sehr gespannt, was sich Steffen Baumgart für Sonntag ausgedacht hat. Elversberg ist besser als der Name es vermuten lässt, mit den Ansprüchen die der HSV an sich und an seine Saison hat, zählt aber am Sonntag nur eines und das sind 3 Punkte.

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