Ein Schritt in die richtige Richtung – #HSVELV Analyse

Wenn vor 10 Jahren jemand gedacht hätte, dass der HSV zuhause gegen den SV Elversberg mal einen Befreiungsschlag landen muss, dann hätte man diejenige Person wahrscheinlich für verrückt erklärt. Aber genau den hat es gebraucht am vergangenen Sonntag. Umso wichtiger waren die 3 Punkte nach Kiels und Hannovers Niederlagen.

Es wurde im Vorlauf des Spiels viel gerätselt wie Steffen Baumgart den HSV auf den Rasen schickt. Wird es Paderborn oder Köln 2.0? Oder erfindet sich Baumgart vielleicht auch neu? Nach der Trainingswoche war zumindest einmal klar, dass die Baumgartschen Prinzipien mit Angriffs- und Gegenpressing die gleichen sein werden.

Um circa. 12:30 Uhr am Sonntag war dann klar, was Steffen Baumgart vorhat. Im Tor gewinnt Raab zumindest vorübergehend das Duell um den Job zwischen den Pfosten. Die neue Innenverteidigung bildeten endlich wieder Schonlau und auch Hadzikadunic, der nach seiner gelb-rot Sperre sein Startelf Comeback feierte.

Das Mittelfeld blieb unverändert mit Meffert, Reis und Pherai. Rechts startete weiterhin Jatta, Glatzel stürmte und links ersetzte Ransi Königsdörffer den verletzten Dompe.

Baumgart deutete auf seinen PKs schon an, dass er nicht alles auf links drehen wollte, aber dass er personell fast nichts veränderte, was er nicht verändern musste, verärgerte dann schon vor dem Spiel den ein oder anderen HSV-Fan.

Der SVE stellte sich dagegen fast von alleine auf. Zu der Not-Innenverteidigung fiel kurzfristig auch Linksverteidiger Neubauer auf. Der Rest der Mannschaft blieb im Vergleich zum Osnabrück Spiel unverändert.

Die ersten Minuten Baumgartball hielten alle Versprechungen. Der HSV begann mutig, aggressiv und gewillt hohe Ballgewinne zu erzielen. Strukturell glich der Ansatz gegen den Ball einem 4-1-3-2. Pherai schob neben Glatzel vor in die letzte Reihe. RYK pendelte zwischen Vandermersch und der rechten 8 aus einer meist eher zentralen Position. Auf der anderen Seite agierte Jatta (vermutlich wegen der Präsenz von Rochelt) zwar ähnlich breit, allerdings tendenziell ein wenig tiefer als sein Gegenüber Königsdörffer. Letzterer schob zusätzlich situativ auch mal in die letzte Reihe vor, vor allem wenn es in eine 3 gegen 3 Situation mit gegnerischem Torwart gab. Ludo Reis agierte meist zwischen Jatta und RYK und schob auf den zweiten SVE-6er zu. Meffert agierte zwischen Mannorientierung bei Wanner und Raumverteidigung vor der Abwehr.

Eine durchaus interessante „Rolle“ hatte Rechtsverteidiger Ignace van der Brempt. Durch die hohen Mannorientierungen im Angriffs- und Gegenpressing stand er meist dem Elversberger Shootingstar Rochelt auf den Füssen. Durch seine Position als halber 10er oder linker 10er agierte van der Brempt also zwangsläufig öfter im 6er Raum und öffnete gelegentlich seine rechte Abwehrseite.

Der HSV erzielte frühe Erfolge mit ihrer aggressiven und mutigen Spielweise. Man gewann viele Bälle in den ersten 10 Minuten, der HSV ging aber auch sehr hohes Risiko. Mal überspielt, schalteten sich Pherai und Glatzel meist nicht mehr in die Aktionen gegen den Ball ein. Auch Königsdörffers Wege gegen den Ball waren weit. Es resultierte daraus eine hohe Anzahl an HSV-Spielern, die nur auf einen Ballgewinn warteten und dieses hohe Risiko machte sich im Restangriff bezahlt. Bei Ballgewinn suchte RYK meist sofort den Raum hinter der Abwehr und setzte zum Tiefenlauf an. Man brachte in die Szene entweder mit einem Steil-Klatsch mit einem kippenden Glatzel oder sogar direkt mit Steilpässen von u.a. Pherai. Der HSV muss eigentlich in diesen ersten Minuten in Führung gehen, er scheitert aber mehrmals an Kristof.

Mit etwas zunehmender Spielzeit kommt der HSV nicht mehr in diese Angriffspressingsituationen. Es kommen vor allem längere Ballbesitz- und Verwaltungsphasen im eigenen Ballbesitzspiel zum Tragen. Strukturell fielen einem auf HSV-Seiten zwei Dinge auf. Die eine ist eine tiefere Rolle von Reis mit Ball, der permanent in den Raum neben Meffert schob. Die andere ist die zentrale und „herumschwirrende“ Rolle von Königsdörffer. Dieser positionierte sich oft zwischen Innenverteidiger und Rechtsverteidiger im Halbraum. Die linke Schiene war praktisch unbesetzt, da beide Aussenverteidiger für HSV Verhältnisse sehr flach agierten.

Elversberg agierte, wie im Hinspiel auch, in einem 3-3 Block dagegen. Es wirkte allerdings so als wäre dieser leicht asymmetrisch angeordnet um 4-2-4 Tendenzen herstellen zu können, sollte Rochelt mal auf van der Brempt vorrücken müssen.

Das Verhalten im eigenen Ballbesitzspiel wurde medial bisher dargestellt, als hätte man alle Walterball-Prinzipien aus dem Volksparkstadion verbannt und werde sie auch nie wieder ausgraben. Dies ist zum Teil richtig, zum Teil aber auch einfach falsch.

Die ständigen Positionsrochaden scheinen wirklich der Geschichte beim HSV zu sein. Speziell Hadzikadunic spielte einen sehr konventionellen Part in der HSV-Innenverteidigung. Sein Partner Schonlau war mit Ball aber immer noch auffällig oft im Andribbeln zu finden. Er schob zwar selten vor in den 6er-Raum, allerdings hätte dies aufgrund der tieferen Position von Reis auch gar keinen Sinn gemacht. Viel mehr füllte er situativ in offenen Räumen auf und war an einer Lösungsfindung gegen diesen gut strukturierten Elversberg Block interessiert.

Die Lösungen fand man in erster Linie meist über die linke HSV-Seite. Die leere linke Schiene blieb oft unbesetzt, sodass Muheim aus seiner sonst eher flachen Position leicht hochschieben konnte. Unterstützt wurde er dann durch Abkippen eines Glatzels oder Königsdörffers oder das horizontale Pendeln von Pherai.

Lösungen fand man allerdings auch über die rechte Aufbauseite. Durch ein immer wieder horizontales Verschieben öffnete man den 433 Block für diagonale Eröffnungen. Nach dem eröffnenden Ball von Hadzikadunic konnte van der Brempt durch die tiefe Positionierung Rochelts oft frei empfangen. Van der Brempt hatte dann mit Ball mehrere Optionen. Pherai attackierte den Raum auf der rechten Schiene, der durch Jattas Pinnen frei bespielbar war. Aber es öffnete sich auch die schon angesprochene Diagonale. Meffert konnte aus diesen Situationen in bester Quarterback Manier das HSV Spiel eröffnen und entweder weiter verschieben oder mit seinem starken Passspiel die Linien im Elversberg Spiel brechen. Die Wahl viel allerdings oft auf eine weitere diagonale Passoption von rechts auf links.

Konnte man den Elversberg Block mal ein wenig aus der Deckung locken, griff der HSV auch mal zu einfachen hohen langen Bällen hinter die Elversberg Kette, primär auf die Seite von Bakery Jatta.

Der HSV hatte auch unter Steffen Baumgart durchaus gute Ballbesitzstrukturen. Der HSV hatte eine hohe Kontrolle im Ballbesitzspiel. Das situative hohe Anlaufen der Saarländer stellte den HSV selten vor Probleme. Problematischer war viel mehr die immer noch hohe Fehlerquote im HSV Spiel. Vor allem im letzten Drittel schlichen sich die gewohnten Ungenauigkeiten ein, die den ein oder anderen vielversprechenden Ansatz im Keim ersticken liessen.

Gegen den Ball öffneten sich für den SVE Räume nach Ballverlusten. Gerade die linke Schiene bot den Elversberg viel Raum für Möglichkeiten, da van der Brempt eben oft in den 6er Raum sprang. Bis auf eine Wanner Chance, die für mich höher gehandelt wurde als sie eigentlich war, war es aber doch ruhig im Strafraum um Mattheo Raab.

In Halbzeit veränderte Elversberg ihr Anlaufverhalten und Verhalten gegen den Ball. Wahrscheinlich um das freie Aufbauen über van der Brempt zunehmenden zu verhindern.

Elversberg agierte zunehmend aus einer 4-2-4 Struktur heraus. Problematisch nur, dass der HSV durch einen abkippenden Pherai und tiefen Reis permanent Überzahlen und Vierecke herstellen konnte. Elversberg war vor allem nach dem Führungstor des HSVs viel aggressiver im Anlaufen. Der HSV fand aber auch durch diese Überzahlen permanent Lösungen, vor allem über Diagonalität und über ihren Quarterback Jonas Meffert.

Auch fiel die Mittelfeldkette situativ durchaus tief in den eigenen Aufbau hinein. In der letzten Linie pinnte das HSV-Trio die letzte Linie Elversberg weiterhin tief.

Dem HSV öffneten sich dann große Räume hinter der Elversberger Mittelfeldlinie. Die hohe Dynamik von Reis und Pherai und ihre hohe Qualität im Balltreiben brachten den HSV in Halbzeit Nr.2 in viele aussichtsreiche Umschaltsituationen. Es fehlte allerdings weiter an der Abschlussstärke und Genauigkeit im letzten Drittel.

Elversberg kam bis auf einen Standard praktisch nicht mehr zur Geltung. Der HSV behielt eine hohe Intensität und hatte das Spiel eigentlich weitgehend im Griff. Das Ergebnis und die Historie der HSV-Defensiv brachte die eigentliche Spannung in das Spiel, denn auf dem Rasen hatte der HSV es im Griff.

Baumgart zeigte zusätzlich mit seinen Wechseln, dass man in den kommenden Wochen die komplette Breite des Kaders benötigt, auch da diese hohe Intensität mit nur 11-12 Spielern eigentlich nicht umsetzbar ist.

Der HSV zeigte mehr als nur gute Ansätze am Sonntag gegen Elversberg. Die hohe Intensität brachte viele gute Umschaltmomente und hielt auch Elversberg über lange Zeit vom HSV Tor weg. Auch mit Ball fand der HSV Lösungen. Lediglich die Ungenauigkeiten und gelegentlichen Unkonzentriertheiten sind valide Kritikpunkte vom vergangenen Sonntag.

Der HSV zeigte ein neues Gesicht, es ist zwar noch alles nicht perfekt, aber es machte Mut. Es gilt jetzt an all diesen Ansätzen weiterzuarbeiten. Dann hat der HSV eine Chance am Ende des Jahres etwas feiern zu können. Aber man muss seine PS speziell in den direkten Duellen auf die Strasse bringen.

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