Die Low Block Hölle – #HSVOSN Preview

Nachdem mir in der Hinrunde meine gesamten Aussagen meiner Twitter-Preview um die Ohren geflogen sind, habe ich mir vorgenommen dieses Mal etwas positiver an alle Gegnerpreviews heranzugehen. Und in dieser durchaus ausgeglichenen Liga kann einem das auch durchaus leicht fallen, aber ich tue mich wieder einmal schwer Osnabrück (in einem Heimspiel) nicht als Pflichtsieg anzusehen.

Wie der Rest von Zweitligadeutschland, war auch ich überrascht über den Heimsieg in der vergangenen Woche über Hannover 96. Vor allem da 96 neben St. Pauli das Team der Stunde in dieser Liga ist. Die 2. Bundesliga ist durch und durch bekloppt. Aber war der Sieg gegen 96 vielleicht doch mehr als nur Zufall und haben wir evtl. ein falsches Bild vom Tabellenletzten?

Das Team von Uwe Koschinat definiert sich in ihren Stärken klar über ihre enorme Geschwindigkeit. Mit Innenverteidiger Gyamfi steht der schnellste Spieler im Profifussball auf dem Rasen, mit Conteh hat man einen der vielleicht gefährlichsten Konterspieler in den eigenen Reihen, der allerdings viel zu oft an sich selbst scheitert.

Mit Ball fehlen den Jungs von der Bremer Brücke klare Strukturen. Die höchste Gefahr strahlt man durch Standards aus, allerdings fehlt es den Osnabrückern an Ideen und Kreativität mit Ball. Gerade der Spielmacher und X-Faktor Michael Cuisance fällt hier ab. Nach 17 Spielen steht er immer noch ohne Assist da.

Osnabrück kommt viel mehr über ihre Defensive. Man könnte fast meinen, dass Coach Uwe Koschinat nicht 10 Feldspieler aufstellt, sondern 10 Verteidiger, die bei Ballgewinn versuchen sollen den Gegner eiskalt zu erwischen.

In der Grundformation sieht es für viele oft nach einem 4-2-3-1 aus. Die einzige personelle Frage, die sich stellt ist, ob man mit zwei klassischen Flügeln agiert oder ob Cuisance auf den Außenpositionen eine halbe 10 gibt.

Gegen den Ball ist man, seitdem Koschinat übernommen hat, weitaus aggressiver im Ansatz als noch zu Schweinsteiger Zeiten. Osnabrück setzte in den letzten Spielen vermehrt auf höheres Anlaufen aus durchaus interessanten Strukturen. Engelhardt wird meist durch einen der äußeren Mittelfeldspieler in erster Linie unterstützt. Dahinter verteidigen die Niedersachsen oft Mann gegen Mann.

Schiebt in diesem Beispiel Cuisance hoch auf den Innenverteidiger neben Engelhardt, bleibt durch die Bindung der 6 oder 8 in der Osnabrück Defensive die Schiene meist frei bespielbar.

Man fängt dieses Problem allerdings durch ein sehr hohes Anlaufen der Außenverteidiger auf.

Ajdini schiebt nun gezwungenermaßen oft auf den gegnerischen Linksverteidiger vor. Es entstehen Strukturen mit einer 3er Kette in der letzten Osnabrück Linie. Gegen Hannover konnte er dies natürlich auch machen, da Hannover die Schiene meist ausschließlich mit ihrem Außenverteidiger bespielt. Es wird also gegen den HSV interessant zu beobachten sein, wie Osnabrück mit einem Dompe auf dem linken Flügel umgeht.

Die Antwort ist wahrscheinlich ein Verteidigen aus einem 433 Block, der uns im Hinspiel schon den Zahn gezogen hat.

Wulff als 10er pinnt meist den gegnerischen 6er und lässt sich oft hinter diesen fallen. Engelhardt schiebt nach rechts raus und Conteh rückt vor in die erste Defensivlinie Osnabrücks. Die Mannorientierungen in diesen Situationen sind weniger stark als beim hohen Anlaufen. Speziell beobachten kann man das mit der Rolle von Gnaase vor der Abwehr. Dieser gibt meist den sogenannten Staubsauger vor der Abwehr, egal ob dort gegnerisches Personal ist oder nicht.

Es könnte eine sehr zähe Angelegenheit werden am Sonntag. Mit ein wenig Standard- oder Konterglück kann es auch den HSV am Sonntag ähnlich kalt erwischen wie 96 in der Vorwoche. Allerdings darf man gegen diesen Gegner nicht verlieren oder gar Punkte abgeben. Erst recht nicht im eigenen Stadion. Osnabrücks Fähigkeiten mit Ball sind eigentlich nicht gut genug für diese Liga, so ehrlich muss man leider sein. Da braucht es mehr als nur lange Bälle auf Conteh oder Niemann im eigenen Umschaltspiel. Kann man diese wegverteidigen und bleibt bei gegnerischen Standards sauber, hat der HSV eine gute Chance das Spiel zumindest mit der 0 hinten zu beenden. Oder wie siehst du das, Rob? 😉

Rob: Erst einmal: Ja! Und danke für die schöne Analyse. Dann ist es mir wichtig einmal zu sagen, dass es mich schmerzt dich so über Cuisance lästern zu hören. Ich habe den Jungen – damals war er 18/19 – bei Gladbach mal live gesehen. Der hat in einer Ballbesitzmannschaft als hoher Achter alles auseinander genommen – dann der Wechsel zu Bayern und 4 Jahre später bekommt er die (verdiente) negative Aufmerksamkeit in einem Taktikblog des HSV… Schade.

Jetzt zu Osnabrück. Basierend auf den beiden möglichen Ansätzen der Osnabrücker war ich mal so frei und habe zwei Matchpläne bzw. grundsätzliche Ansätze entworfen, wie wir die Niedersachsen bespielen könnten. Beachtet habe ich dabei grundsätzliche Spielertendenzen sowie die ersten strukturellen Anpassungen, die Baumgart bereits gegen Elversberg zeigte.

  1. Lösungen gegen den (Mannfokus im Angriffs-/Mittelfeldpressing)

Der mannbezogene Ansatz eines Gegners schreit quasi nach zwei spielerischen Elementen: Spielen & Gehen oder das Spiel über den Dritten.
Beides kann ich mir mit dem Personal des HSV auch unter Baumgart sehr gut vorstellen. Grundvoraussetzung hierfür ist zunächst das Pinnen der letzten Linie von Osnabrück durch RYK, Jatta und Glatzel. Die sich dahinter bietenden Räume können bespielt werden. Der Aufbau mit der etwas flacheren, breiten 4er – Kette und einem tieferen Reis, der relativ eng an Meffert orientiert dynamisch zwischen den Linien schwimmt, bindet die hohen Achter. Die spielerisch starken Muheim und Schonlau, können durch das Spielen und Gehen die gegnerische Linie brechen und Schonlau – wie bereits gegen Elversbergs – dynamisch andribbeln. Dadurch ergeben sich im weiteren Verlauf dann immer weitere 2 v 1 Situationen, die theoretisch bis zum Torerfolg aufgelöst werden können. Erforderlich wäre dabei natürlich das saubere Durchspielen der Szene und gute individuelle Entscheidungen. Hierbei kommt es insbesondere im weiteren Verlauf dann aber auch auf Meffert an, für eine entsprechende Absicherung zu sorgen – gegen Elversberg war dies häufig zu erkennen. Mann kann sich das prinzipiell wie folgt vorstellen:

Ich muss gestehen, dass das obige ziemlich viel vom Walterball hätte – dennoch haben insbesondere Muheim & Schonlau das gegen Elversberg auch praktiziert.
Deutlich mehr in Richtung Baumgart würde allerdings das Spielen über Dritte tendieren. Hier könnte insbesondere auf der Seite von Hadzikadunic die Lösung gefunden werden.
Auch hier pinnen die vorderen drei erneut die letzte Linie. Die Grundstruktur bleibt ja die Selbe. Es verändern sich die Abläufe und wir machen uns die Spielertendenzen zu Nutze: Hadzis starkes progressives Passspiel findet Glatzels Abkippen hinter Osnabrücks hohe mannfokussierte Achter im Halbraum und wird zur Stärke. Er agiert quasi als „falsche Neun“. Pherai positioniert sich diagonal im ballfernen 10er Raum und ist – sobald der Ball an ihm vorbei gespielt wurde – bereit für den Klatschball. Jatta gibt die Breite und pinnt damit Diakhite. Die Räume hinter Glatzel können somit nach erfolgreichen Tief-Klatsch über den nachrückenden Dritten mit Gesicht zum gegnerischen Tor bespielt werden. RYK´s und Jatta´s Speed und Tiefe wären hier der perfekte fit! Viel Theorie. Auch hier wieder viel Genauigkeit nötig – aber das ist es immer, wenn man mannbezogenen Systeme brechen will. Umgesetzt sieht das dann so aus:

Beides fußballerisch valide Ansätze, ersterer ist einfacher – weil individueller – umzusetzen (Spielen&Gehen). Das Spiel über den Dritten benötigt sauberere gruppentaktische Abläufe – insbesondere im Timing. Ist allerdings deutlich schwerer zu verteidigen.
Unbedingt notwendig ist hierbei übrigens auch, dass Hadzikadunic und auch Schonlau immer auch mal wieder das einstreuen, was man bereits letzten Sonntag sehen konnte: 1-2 lange Bälle hinter die Kette auf Jatta oder RYK. Nur so halte ich mir die Mannfokussierungen „ehrlich“ und verhindere, dass der Gegner irgendwann die wiederkehrenden Muster „erahnt“ bzw. „bespringt“.

2. Lösungen gegen den Low – Block (aus der Hölle)

Angenommen Osnabrück ist so clever und guckt sich das Hinspiel nochmal an, wie kommen wir gegen den selben Gegner mit dem selben 4-3-3 Block voran?
Das Schöne für Leute wie mich ist ja: An der Taktiktafel ist das alles brutal einfach. Denn dem Nachfolgenden vorausgeschickt – ein tiefer Block bedeutet brutal enge Räume, bedeutet enormer Präzisionsdruck in allen Aktionen, um sich durch zu kombinieren.

Die beiden größten Unterschiede in der Formation, die es hier zu bespielen gibt, sind, dass der HSV in der letzten Linie gegen eine Überzahl antritt, dafür jedoch – und das passt auch zur neuen Baumgartstruktur – Freiheiten auf dem Flügel haben wird.

Lösung über das Zentrum:

Auch hier finden wir wieder das spielerische Element des Spiels über den Dritten. Glatzel kippt ab, RYK beläuft den Raum dahinter, Pherai nutzt seinen Bewegungsvorsprung gegenüber Gnaase und kann direkt den tiefen Ball auf RYK spielen. Alternativ, sollte dieser nicht frei sein, das 1v1 auflösen und selbst den Abschluss suchen oder die Halbraumverlagerung auf Reis finden. Das klingt entspannt und einfach, erfordert jedoch jede Menge. Der „Entry-Pass“ von Muheim muss präzise, flach zum klatschen auf Glatzel kommen, Glatzels abkippen muss zu 100% im Timing mit RYK´s Tiefenlauf sowie Pherais Bewegung sein und am Ende muss Pherai unter enormen Gegnerdruck den Ball mit viel Liebe im Fuß mit dem richtigen Tempo auf den richtigen Millimeter des Platztes spielen.

Eine Alternativlösung wären hier Isolationen am Flügel zu erspielen. Dies gleicht mehr dem Baumgart in Paderborn, als dem in Köln. Dies könnte wie folgt aussehen:

Grundvoraussetzung ist hier eine schnelle Zirkulation in der hintersten Reihe. Im Idealfall kann somit der Außenverteidiger überspielt werden, womit es zu Isolationen am Flügel kommt. Jatta hat in dieser Szene alle Möglichkeiten. Einen „Early Cross“, das heißt eine Halbfeldflanke – möglichst mit 1.000 km/h, flach zwischen Torwart und Kette, ein 1v1 gegen Kleinhansl, verzögern und auf das Hinterlaufen von vdB warten oder einen flachen Pass auf Reis in die Box. Alle Möglichkeiten bedingen ein brutales Nachrücken und dem zu Folge auch eine starke Boxbesetzung sowie viele proaktive Tiefenläufe.

Rob´s X-Faktoren:

Ich persönlich gehe vom Osnabrücker tiefen Block aus, weshalb ich für Sonntag drei X-Faktoren sehe:
1. Das Gegenpressing: Das schon gegen Elversberg gezeigte hohe Commitment beim Gegenpressing wird aus zwei Gründen zum X-Faktor. Zum Einen erstickt es die Konterversuche der Niedersachsen, zum Anderen betrachte man einmal die engen Staffelungen des HSV im Zentrum. Das Spiel durch Zentrum erfordert wie oben beschrieben neben perfekten gruppentaktischen Abläufen auch eine enorme Präzision. Man muss kein Orakel sein, dass es bei dem Versuch zu mehr Ballverlusten als zu Torchancen kommen wird. Man sieht aber auch, dass der HSV automatisch viel Personal in Ballnähe hat, weshalb ein direkter Ballgewinn bei der neuen baumgartschen Intensität möglich ist. Gepaart mit dem direkten Spiel in die Spitze ist dies ein brandgefährliches Mittel, um den tiefen Block ungeordnet vorzufinden. Je Zentraler der Ballgewinn, desto besser. Doch auch am Flügel könnte hier direkt wieder die Tiefe gefunden werden.

2. Hohe Ballgewinne durch das Angriffspressing: Auf die gleiche Logik zahlt dieser X-Faktor ein. Sollten hohe Ballgewinne gelingen, kommt es zur unter 1. beschriebenen Situation – der Weg zum gegnerischen Tor ist kurz und die Abwehr ungeordnet. Osnabrück wird daher schnell auch die hohe lange Klärung wählen, weshalb es dann insbesondere auf unsere #4, #5 und Abfangjäger Meffert ankommen wird. Angenommen der HSV presst in ähnlichen Strukturen, wie gegen Elversberg, könnte das wie folgt aussehen:

In dieser Szene wird der lange Ball unter Druck durch Kleinhansl erzwungen. Meffert sammelt den Ball zentral auf. RYK, Pherai positionieren sich im Restangriff ballfern extrem hoch und zentral, weshalb die von Baumgart gewollte direkte Spielfortführung durch die Zentrale in die Tiefe erfolgen kann.

3. Jean Luc Dompe: Man nehme an, dass sich der HSV schwer tut. Osnabrück bolzt den Ball konsequent raus. Hohe Ballgewinne gelingen nicht und der HSV muss ein ums andere Mal wieder den tiefen, geordneten Block bespielen. Uns geht im Zentrum erneut die notwendige Genauigkeit ab und Außen gewinnt Ransi kein 1v1 und Jatta trifft nur falsche Entscheidungen. Was dann? Die Antwort ist für mich der kleine Franzose: Gelingt die Isolation Außen mit JLD wird es schwer für jeden Gegenspieler der zweiten Liga.

Rob´s Fazit: Ich behaupte wir haben am Sonntag auf alles eine Antwort. Das hohe Anlaufen sollte uns nicht schockieren. Der tiefe Block ist dennoch erwartbar und auch dafür hat man Lösungen. Auch hat man endlich auf jeder Position auch Alternativen (vergesst mir Anssi nicht, sollte es zentral an Lösungen und Präzision fehlen). Nach der Rückkehr unseres Capitanos wird er zusammen mit Hadzi & vdB hinten auch Conteh ablaufen & verteidigen können sowie gleichzeitig die nötige Ruhe und das Tempo mit Ball auf den Platz bringen. Wenn niemand ausrutscht oder wir uns ne Standard reinwerfen, sollte hinten die Null gehalten werden. Vorne wird man Lösungen finden und das Spiel 3:0 gewinnen.

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