@tommy377: Mit neuem Sportdirektor und mind. einem weiteren neuen Trainer in der nächsten Saison: Nächste Saison dann eher Mittelfeld der Liga?
Rob: Ich habe den größten Respekt vor Benedikt und Daniel. Die beiden werden dir nachfolgend nämlich nüchtern und sachlich antworten – genau dafür stehen wir ja auch. Wir wollen sachlich und analytisch auf das Spiel des HSV – und manchmal auch das drumherum eingehen. Für mich wäre dieser passiv – aggressive Beitrag der erste gewesen, den ich ignoriert hätte.
Sollte deine Frage lauten, dass wir erwarten müssen, dass es bei Nicht-Aufstieg einen personellen Umbruch der Mannschaft oder in der Führungsetage (oder beides) geben wird, dann würde ich dich bitten, die Frage auch so zu stellen. Das geht gar nicht gegen dich persönlich, sondern um die Diskussionskultur rund um unseren Verein, in der aus meiner Sicht viel zu viel solcher Beiträge zu finden sind – gerade nach Negativerlebnissen.
Benedikt: Die Frage ist ziemlich polemisch formuliert, was bestimmt viel mit der Emotionslage nach dem enttäuschenden Spiel und dem aktuellen Saisonverlauf zu tun hat. Damit verfehlt sie aber auch den Zweck dieser Seite etwas. Wenn man die Frage nun aber mal ganz sachlich angeht, dann kann die Antwort nur „nein“ lauten. Natürlich ist es möglich, dass man in der 2. Bundesliga ins Tabellenmittelfeld oder noch tiefer abrutscht. Siehe Schalke 04 und Hertha BSC diese Saison. Das wird dann aber nicht passieren, weil man diese Saison nicht aufgestiegen ist, sondern weil auf kurze Sicht gehandelt wurde, anstatt eine klare Vision für den Herrenfußballbereich des Vereins zu bewahren und weiterzuentwickeln. Das heißt, wird Boldt am Ende der Saison freigestellt, um ihn mit einer Magath-ähnlichen Lösung zu ersetzt, in dem Glauben, dass man damit möglichst schnell aufsteigen kann und dann schaut man mal wie die Klasse gehalten wird, wäre das keine positive Entwicklung. Aber mal abgesehen von der Thematik des Sportdirektors, kann man diese Saison doch noch lange nicht abschreiben. Vor dem Spiel gegen Osnabrück wussten alle, der HSV hat eine gute Ausgangssituation, weil er durch die anderen Ergebnisse mit einem Sieg auf den 2. Tabellenplatz rutschen kann. Es kann doch nicht sein, dass aus einer positiven Situation eine vollkommen negative wird, weil die Mannschaft es verfehlt hat diese Möglichkeit zu nutzten. Frust, Enttäuschung und Wut sind alles verständlich, aber wir sollten die Lage der Situation auch nicht übertrieben pessimistisch betrachten.
Daniel: Ich sehe es ähnlich wie Benedikt. Die Magath-Story von vor einigen Wochen sollte einem aber dennoch Sorgen bereiten und ich kann mir aufgrund dessen nicht unbedingt vorstellen, dass Jonas Boldt über den Sommer hinaus sportlicher Leiter bleiben darf. Mit einem neuen Sportchef, würde dieser wahrscheinlich jede Position in diesem Verein infrage stellen. Es ist also alles andere als unrealistisch, dass es im Sommer nicht doch diesen Kahlschlag geben könnte. Zusätzlich würden wohl auch viele Spieler mit Angeboten aus höheren Ligen nicht mehr unbedingt die Treue halten. Für mich ist ein Szenario vor dem ich sehr viel Angst habe, aber das habe ich ja vor kurzem mal schon auf meinem X-Account beschrieben.
@xytom1887: Wie bekommen wir es hin, in Baumgarts System vermehrt Chancen zu generieren und wie unterscheidet sich das vom Ansatz unter Walter (und warum klappt es nicht)
Benedikt: Wenn wir von dem Spielansatz aus den ersten zwei Spielen ausgehen, dann würde ich hier bei drei Bereichen Ansätzen.
1. Zentrales Spiel über den Dritten und Klatsch in der nächsten Instanz im letzten Drittel besser ausspielen. Hierzu ein Beispiel aus der 17. Minute.




2. Aktionen im Strafraum schärfer und schneller spielen, anstatt hohe langsame Hereingaben bzw. Flanken. Ich erinnere mich an Aktionen wo z.B. Reis und Jatta es versäumt haben den Ball per cut-back in den Rückraum zu spielen und stattdessen einen Chip-Ball in oder sogar über die Mitte gespielt haben. Auch gab es Situationen wo die beste Möglichkeit ein flach und mit hoher Geschwindigkeit gespielter Ball ins Zentrum gewesen wäre.
3. Bei tief stehendem Gegner, weniger in U-Form um den Strafraum spielen und stattdessen mutiger durch das Zentrum gehen. Zu häufig wurde das gemieden und das passt ganz gut ins Gesamtbild von viel Zögern und schlechten Entscheidungen im letzten Drittel. Es gab genug Chancen um zu gewinnen, es gab aber auch genug Chancen sich mehr Chancen zu erspielen.
Daniel: Das was Benedikt sagt. Der HSV würde sowieso schon viele Probleme über bessere Entscheidungsfindung und Umsetzung lösen. Zum Beispiel gestern in Halbzeit 2. Da kommt Ludovit Reis zu Beginn der Hälfte mit Schwung in die Osnabrücker Box, er wartet allerdings mit dem Ball bis er kurz vor der Grundlinie steht und bringt dann einen Chipball auf den ersten Pfosten. Alles andere als ideal. Wenn der HSV es hier schafft bessere Lösungen zu finden, könnte man viele strukturelle Probleme mit Effizienz auffangen.
@SKonservativ: Thema fehlendes Herz auf dem Platz – ein Thema was auch Walter am Ende seinen Job gekostet hat. Warum fällt es diesen Jungs so schwer bei sich zu bleiben wenn Rumpelfußball vom Gegner kommt?
Daniel: Ich würde das gar nicht Mal als ein HSV-Problem ansehen. Gegen Rumpelball tun sich wahrscheinlich viele Mannschaften schwer, siehe letzte Woche Hannover 96 in Osnabrück. Die waren bis dato das Team der Rückrunde (in meinen Augen) und verlieren dann sang und klanglos in Osnabrück. Warum sich der HSV auf der mentalen Ebene anscheinend so schwer tut, können wir hier nicht beantworten. Klar ist allerdings, dass sich auf ein HSV wahrscheinlich weitaus weniger schwer tun würde, wenn man kontinuierliche positive Erlebnisse und Ergebnisse einfangen könnte. Etwas, was dem HSV dieses Jahr nicht gelingt.
Rob: Da würde ich in der Tat in die selbe Kerbe wie Daniel schlagen, wobei ich das Sonntag gar nicht so schlimm empfunden habe. Ich fand das in Rostock viel prägnanter. Da wurden wir in der 2. Hz. einfach brutalst von Rostock „niedergekämpft“ mit deren Körperlichkeit und Intensität in den vielen Mannorientierungen.
Wie Daniel und Bene bereits in der Frage zuvor aufgezeigt haben, gab es unzählige falsche und schlechte Entscheidungen sowie Ungenauigkeiten im Spiel. Je länger das Spiel dauerte, desto mehr wurde das (aus meiner Sicht im Stadion) auch sichtbar in der Körpersprache. Dass dann vom „fehlenden Herz“ gesprochen wird, ist für mich die Folge im öffentlichen Diskurs und auch absolut verständlich. Und genau da würde dann die Selbstverständlichkeit aus Erfolgserlebnissen, die Daniel beschrieben hat, helfen. Am Ende verlierst du das Spiel, weil du bei zwei Standards pennst und vorne die (seltenen) Durchbrüche gegen den Lowblock nicht veredelst.
Benedikt: Ich bin weder Psychologe, noch habe ich genug Nähe zu den Spielern, um sie mental sachlich bewerten zu können. Somit kann ich mich lediglich auf das Handeln beziehen. In dieser Hinsicht ist anzumerken, dass dies nicht nur kein besonderes HSV-Problem ist, es ist auch kein Problem das der HSV durchwegs hat. Denn sowohl in der Vergangenheit als auch in dem Spiel gegen Osnabrück gab es bessere und schlechtere Phasen. Katterbach ist ein Beispiel dafür. In der ersten Halbzeit hatte er gegen Conteh immer wieder Probleme, aber mit der Zeit kam er besser ins Spiel. Letztlich scheint mir das ein ähnliches Problem zu sein, wie das der schlechten Entscheidungsfindung im letzten Drittel. Es wird immer wieder Spiele geben in denen ein HSV-Spieler einen oder mehrere direkte Gegenspieler haben wird, die physisch stärker sind. Wenn das der Fall ist, musst du in deinen Aktionen schneller und klarer handeln. Und dabei ist natürlich wichtig, dass es über 90+ Minuten relativ konstant stattfindet.
@torsten_heinz: Wo liegt aus eurer Sicht der Unterschied zwischen Muheim und Katterbach in Bezug auf das Spiel im eigenen Ballbesitz? Und: Wie bewertet ihr Poreba und seht seinen besten Fit?
Daniel: Abgesehen davon, dass Miro der bessere Fußballer und Passspieler ist, kommen die Beiden über ihre doch leicht unterschiedlichen Profile. Miro ist eher der Spieler für das Einrücken in das Zentrum. Er bringt hier eine saustarke Technik und Übersicht mit. Katterbach passt in diese Rolle nicht unbedingt, er agiert viel linearer als ein Muheim. Konnte man speziell gestern sehr gut erkennen, dass er die Schiene praktisch alleine bespielt hat. Wieso das nicht so gut funktioniert hat und wo es noch hakt, lest ihr dann in der Analyse. Stichwort Poreba: Ich sehe ihn aktuell am ehesten auf der Reis Position. Bringt ein ähnliches Profil mit und ist vor allem gegen den Ball etwas robuster als z.B ein Suhonen.
Benedikt: Ich stimme Daniel zu und würde dem noch hinzufügen, dass Katterbach auch viel eher die Veranlagung dazu hat offensiv ins 1-zu-1 zu gehen. Aus diesen Gründen müsste er auf dem sogenannten Reißbrett eigentlich auch besser mit Ransi als Linksaußen zusammenpassen, weil ein Außenverteidiger der die Schiene alleine bespielen kann, dem offensivem Außenspieler die Möglichkeit bietet nach innen zu ziehen. Strukturell ist es dafür aber wohl auch nötig, dass der Außenverteidiger sich früher hoch positioniert als es gegen Osnabrück der Fall war oder dass er diese Höhe noch mehr hält anstatt sich zu schnell fallen zu lassen.
@SKonservativ: Wer wird für Benes aus der S11 müssen?
Daniel: Wahrscheinlich Ludovit Reis. Die anhaltende Formschwäche bringt eigentlich genug Argumente für Reis und gegen Pherai. Gerade da letzterer immer mehr in Schwung kommt und auch diese Zwischenlinienrolle für ihn auch sehr passend erscheint. Alles weitere in der nächsten Frage.
Rob: Ich hab mal ne verrückte Idee und sage: Niemand – oder aus anderen Gründen.
Sollte SB die gleichen Ballbesitzstrukturen beibehalten, das heißt, dass die Außenspieler eher auf der Halbspur agieren, könnte man eine dieser Positionen auch mit Pherai besetzen. Im 10er Raum würde dann Benes die Rolle von Pherai einnehmen und somit quasi „neben“ Pherai im Ballbesitz agieren. Wenn man den formschwachen Reis aber runternehmen möchte, könnte man im gleichen Gedankenexperiment auch mit Suhonen neben Pherai agieren und Benes die Reis-Rolle spielen lassen.
Grundvoraussetzung dafür ist allerdings, dass wir Jattas Spielerprofil in der Breite nutzen und Katterbach/Muheim höher agieren lassen um auch auf Links die Breite zu besetzen – und genau hier kommt der Disclaimer: Baumgart scheint (noch) nicht gewillt zu sein, von den flachen Außenverteidigern abzusehen.
@Trichon1040: Glaubt ihr Benes hätte seine Stärken heute auf den Platz bekommen? Und denkt ihr Reis Positionierung im Aufbau ist das richtige für ihn? Unter Walter hatte Reis doch die meisten carries der Liga.
Daniel: Ich glaube Benes hätte dem HSV gerade im letzten Drittel heute wirklich gut getan. Gerade bei den anhaltenden Entscheidungsfindungsproblemen hebt sich Benes dort vom Rest des Mittelfeldes etwas ab. Zur Reis Thematik: Auch unter Walter kam Ludo des Öfteren mal aus der Doppel 6. Wie es dann mit progressiven Carries ausgesehen hat, würde mich auch mal interessieren. Es wirkt aber in der Tat so als würde er seine Dynamik nicht ganz aus der Tiefe entfallen könnten, wie noch unter Walter. Aber wer weiß, vielleicht kommt mit einer besseren Form auch eine bessere Entscheidungsfindung und Selbstvertrauen mit Ball dazu.
Benedikt: Abgesehen von Benes‘ Stärken im letzten Drittel, sehe ich bei ihm auch die Möglichkeit, dass er bei tieferer Positionierung für viel Gefahr sorgen kann. Geht man davon aus, dass er im nächsten Spiel anstelle von Reis spielen wird, dann sollte seine Rolle im Aufbau wohl auch eine tiefere sein. Und genau dadurch könnte er der Mannschaft mit seinem exzellenten linienbrechenden Passspiel helfen. Zwar sehen seine Pass-Statistiken die letzten zwei Saisons durchschnittlich aus, wenn man sich die Anzahl von progressiven Pässen anschaut, aber das hat viel damit zu tun, dass seine Rolle unter Walter immer sehr hoch interpretiert wurde. Übernimmt er nun die Rolle von Reis aus den letzten zwei Spielen, dann wird er viel mehr Möglichkeiten haben, den Ball aus der Tiefe durch die gegnerischen Linien durchzuspielen. Und genau diese Vertikalität soll ja schließlich auch Teil von Baumgarts Spielidee beim HSV sein.
Rob: Ich bin da absolut bei Benedikt. Ich kann mir Benes komplett in der tieferen Rolle vorstellen. Ich habe da noch einige Szenen im Kopf, wo er gerade nach Ballgewinn Laserpässe in die Tiefe gespielt hat. Er kommt halt weniger über Carries als über die Pässe und stellt für mich somit unter Baumgart neben Meffert einen hervorragenden Partner dar, wenn nach dem Überspielen der 1. Linie des Gegners konsequenter die tiefe Fortführung gesucht werden soll. Das ist dann allerdings wirklich eine Frage der Spielidee.
Nehmen wir hier einmal die besten Szenen im Aufbau vom Sonntag. Schonlau oder Hadzi finden Meffert, der den Ball mit einem Kontakt offen zu Reis spielt, der dann via Ballführung den Ball in die nächste Ebene trägt. Im Positionsspiel von Baumgart bleibt Reis meist nur der lineare Weg. Unter Walter wären hier zuvor Räume dynamisch freigezogen worden und Reis Carries waren meist diagonal in die nächste Ebene. Das bedeutet für Ludo meist bessere Passwinkel und einfachere Entscheidungen, sowie bessere 1v1 Situationen in der nächsten Ebene.
Das starrere Positionsspiel unter Baumgart würde ihm in der Theorie eher diagonale Passwege in die Halbspuren denn „Dribbelwege“ eröffnen. Und dafür ist aus meiner Sicht Benes besser geeignet.
Disclaimer: Das ist rein Theoretisch an der Taktiktafel. Ein Reis in Topform läuft am Sonntag 2-3 mal gerade auf die Kette zu, macht einen Haken im 1v1 und schließt ab – oder spielt Doppelpass mit Pherai, oder findet einen Tiefenlauf des Mitspielers und ist einfach schärfer und schneller in der Entscheidungsfindung. Soll heißen:
Auch für Reis ist diese Rolle ein fit. Nur in der derzeitigen Form, schwieriger umzusetzen.
@pasbre: Warum klappt die anscheinend erhoffte Transition von Walterball zu Baumgartball nicht? Aktuell auch weiterhin individuelle Patzer im Spiel, aber gepaart mit einer Offensivpower, die nahezu auf 0 gesetzt wurde.
Daniel: Sehr schwierig die Frage jetzt so zu verallgemeinern und hier gehen die Meinungen auch sicher auseinander. Warum man die Fehler nicht abgestellt bekommt, keine Ahnung. Vielleicht lautet die bessere Frage auch: Warum werden diese individuellen Aussetzer so konsequent bestraft? Warum die eigene Offensivpower gefühlt auf 0 steht, hat sicherlich auch nicht nur einen Grund. Für mich ist es die Formschwäche mancher Akteure, fehlender Mut in der ersten Linie ( der 4-2 Aufbau zu Beginn ist schon sehr konservativ gegen diesen Gegner) und permanent schlechte Entscheidungsfindung im letzten Drittel. Dazu häufen sich kleinere technische Fehler, die gerade gegen diesen Osnabrück Block ein absoluter Killer sind. Rob hatte es geschrieben, gegen diese Teams brauchst du Präzision und das bringt der HSV aktuell nun mal nicht mit.
Benedikt: Zwei Spiele sind ein viel zu geringer Zeitraum, um diese Behauptung aufzustellen. Vielleicht hätte man sich erhoffen können, dass es nicht mit den gleichen oder zumindest sehr ähnlichen Problemen im Spiel am Ball weitergeht. Aber wenn mehrere Spieler erstmal verunsichert sind, dass wird sich dies auch nicht legen, bis man im Kollektiv über einen Zeitraum von mehreren Spielen Erfolgserlebnisse feiern kann. Und somit ist es auch ein kleiner Teufelskreis. Um die Unsicherheiten abzulegen braucht man Erfolg und um Erfolg zu haben muss man die Unsicherheiten ablegen. Es geht also auch nur schrittweise, was natürlich auch mal zu Rückschlägen führen kann. Baumgart hatte es schon nach dem Sieg gegen Elversberg gesagt. Ob Sieg oder Niederlage, er braucht die Spiele fast noch mehr als die Trainingseinheiten, um die Reaktion der Spieler auf seine Ideen und Anweisungen besser zu verstehen. Mit anderen Worten, er muss sich auch noch ein Bild davon machen, wie er das Spielermaterial innerhalb seiner Spielidee am besten einsetzt. Zugleich hat er eigentlich aber kaum Zeit dafür und kann sich nur wenige Negativresultate leisten. Um seine Aufgabe würde ich ihn also nicht beneiden.
Rob: Ich finde ehrlicherweise, dass man bereits jetzt die zwei Elemente seiner Spielidee sieht, die SB am schnellsten umsetzen kann:
1. Das Angriffspressing, 2. Das Gegenpressing. Beides funktioniert. Der HSV hatte eine brutale Kontrolle. Und hier kommt das Problem, wenn man als Mannschaft mit viel Ballbesitz mitten in der Saison den Trainer wechselt:
Strukturen, Prinzipien, Positionen und Spielelemente mit Ball brauchen viel viel mehr Zeit zum einschleifen, als eine veränderte Anlaufhöhe und -position. Das muss man in der täglichen Trainingsarbeit fein herunterperiodisieren und bedarf Zeit. Wir werden wahrscheinlich von Woche zu Woche mehr davon sehen. Eine Garantie auf Erfolg bietet aber auch das nicht. Zum Einen wird es nun Key sein, diese Abläufe reinzubekommen, zum Anderen aber auch, diese erfolgreich umzusetzen. Denn sonst stehst du wieder vor dem gleichen Dilemma wie am Ende bei Walter, wo scheinbar innerhalb der Mannschaft auch der Glaube an die Idee bröckelte…
@TTH05260593: Passt die Aufstellung von Ransi heute zum Spielsystem bzw. Gegner. Anders als gegen Elversberg habe ich heute keine wirklich steilen / schnelle Läufe gesehen?
Daniel: Kurze Antwort. Nein, da man fast nie durch das Zentrum gekommen ist, sodass man auch nie in die Situationen kommen konnte, wie noch gegen Elversberg. Zudem erzielte der HSV fast nie hohe Ballgewinne, da Osnabrück das Ding ja nur hinten raus gekloppt hat. Jeder Angriff über die linke Seite war durch sein diagonales Hereinlaufen in die linke Schiene vorher zum Scheitern verurteilt oder wurde durch eine schwierige Positionierung von Katterbach auch nicht einfacher gemacht.
Benedikt: Grundsätzlich ist alles richtig, was Daniel hier sagt, wobei ich einem Aspekt in der Frage nicht ganz zustimme. Ich habe nämlich durchaus Tiefenläufe von Ransi gesehen. Aber wenn er zu früh nach innen zieht bzw. Katterbach als linker Außerverteidiger zugleich zu tief positioniert ist, dann kannst du im Zentrum natürlich auch keine Passwege finden, weil der Gegner die Räume leichter besetzt.
Rob: So wie das Spiel gespielt wurde stimme ich Daniel zu: Nein!
Da wir kaum vertikal zentrale Lösungen gefunden haben, stand Ransi zwar auf der Halbspur, jedoch viel zu häufig schon auf Kettenhöhe und somit nicht mehr versetzt zu Glatzel und damit eigentlich ohne Wirkung (Jatta häufig übrigens auch) auf die Gegenspieler. Dann wurde der Ball auf den tief positionierten Katterbach breit gespielt (das was Benedikt sagte) und der spielt den Ball linear nach vorne, sodass Ransi im zurücklaufen den Ball bekommt.
ABER: Tendenziell hatten wir die besten Lösungen über das Zentrum und es erscheint mir auch so, dass Baumgart dies so will. Seine Positionierung war mir persönlich dabei zu hoch, da keine Option für Klatschbälle von Glatzel und wenig Raum zum Einlaufen in die freigezogenen Räume von Bobby, wenn in den fernen Halbraum geklatscht wird… Das erscheint mir aber eigentlich eher als Timingproblem, bzw. liegt daran, dass das gewollte nicht wirklich umgesetzt wurde. Will man Tiefe hinter dem rauskippenden Glatzel macht RYK da enormen Sinn – vor allem, wenn der LV höher die Schiene bearbeitet. Will man aber eher starre Positionen im Halbraum, macht Ransi weniger Sinn.
@langsens: Hat Baumgart die falschen Spieler um richtiges Pressing zu spielen?
Daniel: Eigentlich ganz und gar nicht. Osnabrück hat dem HSV nur nicht den Gefallen getan flach hinten herauszuspielen. Jatta, Pherai, Reis und Glatzel sind alles Top-Spieler für den Baumgartball.
Benedikt: Die falschen Spieler für das Pressing sehe auch auch überhaupt nicht. Natürlich gibt es ein paar Spieler die z.T. nicht die größte Intensität in ihrem Spiel, aber ein besonderes Problem ist mir diesbezüglich noch nicht aufgefallen. Auch ist daran zu erinnern, dass es beim Pressing nicht unbedingt darum geht, hohe Ballgewinne zu erzielen. Viel mehr sind sie eins von mehreren möglichen Dingen die man erzwingen will. Ist es der lange Ball, soll er abgefangen werden und schnell wieder ins gegnerische Drittel gebracht werden, um immer wieder Druck aufzubauen und sich dabei Chancen zu erspielen. Letzteres hat durch schlechte Entscheidungsfindung leider zu selten funktioniert. Das liegt dann aber nicht am Pressing, sondern am Spiel am Ball.
Rob: Nur Zustimmung. Die Passmap von Osnabrück ist ein Gemälde für die Müllhalde. Zumindest, wenn man auch mal den Ball haben will. Oder auch anders: Das Pressing hat brutal funktioniert, Osnabrück hat nur gebolzt. Was will man mehr? Du kannst niemanden Pressen, der den Ball grundsätzlich immer nur lang bolzt.
@Babushk73384992: Wie schätzt ihr Glatzels Leistungen in den letzten Wochen und Monaten ein? Er trifft zwar oft, aber ansonsten funktioniert irgendwie gar nichts mehr.
Daniel: Würde das nicht so kritisch sehen. Gerade gegen Elversberg hatte Bobby wirklich sehr gute Momente, in dem er RYK auch erst die Räume aufgemacht hat und ihn sogar dann bedient hat. Also da sind wir noch weit weg von Formkrise.
Rob: Die Rolle von Bobby hat sich ehrlicherweise ein wenig verändert – und tbh: Eigentlich passt sie sogar noch viel viel mehr zu ihm. Bei Walter in der breiten vorderen 3er – Reihe sollte er IMMER in der letzten Reihe pinnen (und das hat er zu selten gemacht, weshalb er dafür kritisiert wurde). Bei Baumgart ist das mehr eine Hybridrolle. Er soll abkippen und die Räume dahinter werden von Pherai/RYK/Jatta (letzterer macht es nur nie proaktiv) dynamisch belaufen. Gelingt dadurch ein Durchbruch zieht er in die Box nach und war übrigens für jeden Cross auch in der notwendigen Stürmerposition – die Bälle waren nur Schrott.
Dann gibt es Situationen, wo er viel mehr als noch bei Walter zwischen dem ballfernen AV und IV positioniert ist und dann dynamischer in die zentrale einläuft – oder eben zwischen die Linien abkippt. Ersteres macht dann Sinn, wenn die Räume hinter ihm durch Pherai/Reis/RYK besetzt sind (Haaland lässt grüßen, der macht das immer), zweiteres, wenn nicht. Bobby verfügt nebst seinen technischen Qualitäten auch über eine enorme Spielintelligenz. Er sieht aus meiner Sicht daher derzeit eher durch die Entscheidungen seiner Kollegen scheiße aus.
@SteffenR1887: Ist ein Wechsel zu Heuer wieder möglich, schon in Düsseldorf?
Daniel: Möglich sicher, aber ich würde damit rechnen dass Raab auch gegen Düsseldorf wieder im Tor steht.
Rob: Nein, warum auch? Er kommt deutlich besser rein mittlerweile und bietet gerade im System von Baumgart sogar einen Mehrwert. Daher kommt mir auch diese Frage wieder zu kurz. Hab ich ihn nach Rostock auch noch kritisiert, sehe ich die letzten beiden Spiele gar nicht mehr so kritisch. Ich würde mir hier mehr konkrete Kritikpunkte (am besten inkl. Szene) wünschen, über die wir diskutieren könnten.
@SchriddeThomas: Es gab heute drei, vier mal Durchbrüche zur Grundlinie. Es wurde dann aber ohne Druck hoch geflankt, wo der Gegner den Ball locker abfangen konnte. Ist das der Ansatz von SB? Wäre nicht ein scharfer, flacher Ball besser gewesen oder passte die Strafraumbesetzung da nicht?
Daniel: Meiner Meinung nach ja. Boxbesetzung ist eigentlich besser als noch zu Walter Zeiten, aber der hohe Chipball von der Grundlinie kann sicher nicht die Lösung sein.
Rob: Für mich hast du nach Durchbruch 3 Möglichkeiten:
1. Direkte flache Brandbombe vor die Kette – damit passiert nur Gutes. Eigentore, Tore bei denen jemand nur den Fuß reinhält, Ecke oder komische Abpraller, die man verwerten kann.
2. Rückpass in den Raum 7-15m zentral für die nachrückenden ZM-Spieler, die den freigezogenen Raum der Stürmer bespielen.
3. „hoher Ball/Chip“ an den zweiten Pfosten – siehe Chance RYK. Wenn die Analyse vorm Spiel ergibt, dass der Torwart gerne (zu) weit am kurzen Pfosten den Raum bespielt ist das ein sehr gutes Mittel, weil der TW diese Bälle niemals mehr erreicht.
Drittens war am Sonntag, denke ich, auch der Fall. Nur waren die Chips dann allesamt viel zu kurz/schlecht. Ich stimme dir absolut zu, dass am Sonntag die schnellen Entscheidungen für Optionen 1 und 2 schlichtweg verpasst wurden.