Der Betonmischer aus Hessen – #HSVWIE Preview

Man kann den kommenden Gegner jetzt so und so sehen. Einerseits kommt mit dem SV Wehen Wiesbaden ein namentlich dankbarer Gegner in den Volkspark, den man auf dem Papier an jedem Tag des Jahres zuhause schlagen müsste. So zumindest die Kneipenmeinung nach mehreren Kaltgetränken. Fußballerisch kommt auf die Mannschaft von Baumgart allerdings auch etwas dankbares zu: Sie kriegen noch einmal die Chance, dass sie es gegen einen soliden tiefen Block dieses Mal besser machen können und auch müssen. Denn genau das erwartet den HSV am Sonntag. Gewaltfußball. Pures Verteidigen und lange Bälle auf Ivan Prtajin.

Das ganze lässt sich natürlich auch statistisch belegen. Schon beim Blick auf die Tabelle wird deutlich, dass Verteidigen für Trainer Markus Kauzcinski Aufgabe Nr. 1 auf dem Platz ist. Mit nur 31 Gegentoren stellt man aktuell die zweitbeste Defensive der Liga und das trotz 39,7 xGA, was Platz 15 in dieser Tabelle bedeuten würde. Wie kann es also sein, dass man unter dem Strich defensiv gut abschneidet? Die Antwort findet man möglicherweise in den non-penalty xG pro Schuss oder einfach erklärt: Die Elfmeter-bereinigte Wahrscheinlichkeit, wie oft ein Schuss auf das Wiesbadener Tor sich im Netz landet. Und hier schneiden die Wiesbadener erneut gut ab. Mit 0,10 xG pro Schuss (ohne Elfmeter) hat man hier ligaweit den drittbesten Wert.

Summa Summarum: Wiesbaden lässt durchaus mal was zu, allerdings wenig davon ist von hoher Qualität.

Aber wie sieht das alles auf dem Spielfeld aus?

Personell ist das dieses Mal etwas klarer als noch die letzten Wochen. Die Wiesbadener haben eine klare Stammelf und mit dieser auch eine klare Idee.

Der Ex-HSVer Stritzel steht im Tor. Mockenhaupt agiert im Vergleich zum Hinspiel inzwischen als rechter Innenverteidiger neben Mathisen und Vukotic. Auf den Schienen sind Günther und Goppel gesetzt. Fechner agiert als Abräumen vor der 3er Kette, die 8er Position wird zum einen von Robin Heußer besetzt (der in meinen Augen auf den Zettel einiger Ligakonkurrenten stehen muss). Neben Heußer erwarte ich aufgrund seiner Defensivstärke Kade. Die Alternative wäre der Dribbelstarke Lee, allerdings kann ich mir das nicht vorstellen. Vorne agiert Zielspieler Prtajin neben dem pfeilschnellen Kovacevic.

Die statistische Wiesbadener Ausrichtung zeigt sich so auch auf dem Rasen. Die Hessen agieren meist aus einem tiefen 532 heraus, welche sich gerade in der zweiten Defensivlinie durch hohe Mannorientierungen auszeichnet. Man zieht sich zudem oft weit zurück und lässt dem Gegner speziell in der ersten Linie extreme Freiheiten. Es überrascht nicht, dass Wiesbaden in ihrem Passes per defensive Action Durchschnitt auf dem vorletzten Platz der Liga steht.

Meist steht die erste Verteidigungslinie aus Kovacevic und Prtajin knapp hinter der Mittelfeldlinie in der eigenen Hälfte. Sie zeigen sich auch oft unbeeindruckt von all dem, was vor ihnen passiert. Kippt ein gegnerischer 6er vor die zwei, darf auch er frei gewähren. Wiesbaden verfolgt damit oft zwei Ziele. Das Spiel auf den Außenverteidiger zu lenken und die Zentrale mit ihren Deckungsschatten aus dem Spiel zu nehmen und dies gelang ihnen in ihrem letzten Spiel gegen Hannover 96 außerordentlich gut.

Der gegnerischen Außenverteidiger scheinen meist die erste freie Option im Aufbau zu sein. Allerdings werden diese bei Bespielen sofort von den gegnerischen Schienenverteidigern unter Druck gesetzt. Schaut man sich dieses Anlaufverhalten von Goppel und Günther genauer an, so fällt auf, dass diese sich meist schon vor dem Pass langsam nähern um dann den Gegner sofort unter Druck setzen zu können. Im letzten Drittel und in der Zentrale schiebt Wiesbaden dann mannorientiert zu. Das macht es für den Gegner unglaublich schwierig Lücken oder Überzahlen zu finden. Der Begriff Beton anrühren kommt Wiesbaden schon am Nähesten.

Dies wird umso deutlicher wenn die Hessen vom Gegner tief eingebunden werden. Wiesbaden verteidigt dann oft mit 9 Feldspielern im letzten Drittel, lediglich Prtajin geht die Wege an den eigenen Strafraum nicht mit. Wiesbaden lässt da kaum was brauchbares zu. 96 hatte mit diesem Konstrukt massive Probleme im eigenen Aufbauspiel. Gefährlich wurde man meist nach Umschaltsituationen oder hohen Ballgewinnen.

An eigenem Ballbesitzspiel hat Wiesbaden wenig Interesse. Schaut man nur auf die Passmap vom vergangenen Spiel in Elversberg fällt einem sofort der dicke Strich von Stritzel in Richtung Prtajin auf. Speziell mit Zielspieler Prtajin leben die Hessen von dem Motto: Hoch und weit bringt Sicherheit.

Versucht man das strukturell etwas aufzuzeigen, dann ist der Wiesbadener Aufbau in einem 3-1 anzuordnen. Die 3er Kette fächert ein wenig auf, aber ohne dabei auf die gesamte Breite des Spielfeldes zu gehen. Man hält auch hier eine gute horizontale Kompaktheit um bei Ballverlusten dem Gegner nicht sofort riesige Lücken zu offerieren.

Als zentrale Option vor der Abwehr agiert Fechner. In den meisten Fällen tut er dies ohne Unterstützung. Die Anbindung der zweiten Linie ist praktisch non-existent, da man gar nicht das Ziel hat den Ball sauber vor das andere Tor zu spielen.

Viel mehr lauern die Hessen nach den langen Bällen von Stritzel, Mathisen und Mockenhaupt auf die zweiten Bälle und neue Spielsituationen. Schafft man es hier in höheren Zonen die Bälle zu gewinnen, wird meistens sofort das Verlagern auf die Schiene genutzt und aktiv gesucht. Die Alternative zum Verlagern auf Außen ist das direkte Spiel in die Tiefe oder das sofortige Verlängern von Prtajin. Hier hat Wehen mit Kovacevic einen brandgefährlichen und schnellen Spieler, der jeder Kette dieser Liga weh tun kann. Das Nachrückverhalten ist konservativ, aber gut. Speziell Heußer findet die unbesetzten und gefährlichen Räume hinter der Abwehr. Robin Heußer ist sowieso der Schlüsselspieler im Wiesbadener Angriffs- und Umschaltspiel. Fällt der Ball auf den Mittelfeldspieler lässt er oft seine Klasse aufblitzen und spielt linienbrechende Pässe in die Spitze.

Wie schon gestern beschrieben, könnte die HSV Situation am Wochenende durchaus unangenehm werden. Legt die Konkurrenz vor, steht der HSV unter enormen Zugzwang und kann sich nichts anderes erlauben als 3 Punkte gegen den Aufsteiger. Allerdings bringt Wehen Wiesbaden viel mit um dem HSV den Sonntag zu vermiesen. Man steht defensiv extrem gut und kann auch im Umschaltspiel durchaus gute Nadelstiche sitzen.

Für einen Erfolg braucht der HSV sicherlich einmal viel Geduld. Kauczinski würde das 0:0 vor dem Spiel wahrscheinlich so unterschreiben. Vor allem mit dem Wissen, dass man bisher nur in 2 Spieler mehr als 2 Gegentore bekommen hat.

Neben Geduld braucht es Effizienz. Die Chancen, die Wiesbaden einem anbietet müssen unbedingt genutzt werden. Zu Chancen kann man kommen in dem man den 2-3er Block vor der Abwehr immer wieder mit schnellen horizontalen Verlagerungen aufzieht und verschiebt. Du musst dann hinter und zwischen den Linien mit scharfem Passspiel brutalst zuschlagen.

Auch könnte man sich Jattas Profil vor allem im Aufbau zur Hilfe machen. Schafft es Jatta Günther tief an der Kette zu pinnen, braucht es einen der Mittelfeldspieler um in dieser Situation van der Brempt anzulaufen. Der HSV spielt dann in der verbleibenden Zentrale 2 gegen 3 Überzahl. Wehen Wiesbaden behilft sich in diesen Situationen oft mit einem Vorwärtsverteidigen der Innenverteidiger, welches aber oft eine große Lücke in der horizontale lässt. Schafft es der HSV die IVs aus der Kette zu ziehen und dann diesen Raum zu bespielen, besteht eine gute Chance, dass man aus diesen Situationen etwas mitnehmen kann.

Eins ist zumindest klar. Baumgart braucht eine Idee in den langen Ballbesitzphasen. Lässt sich das HSV Personal wieder in großer Anzahl tief fallen, tun wir den Hessen den größten Gefallen, den wir ihnen wahrscheinlich tun können. Der HSV braucht Personal im letzten Drittel, nur mit dem Risiko kann man gegen Beton Wiesbaden wahrscheinlich die nötige Wucht entwickeln um den Abwehrverbund ins Straucheln zu bringen.

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