Das Saisonende des 1.FC Kaiserslautern hat Potenzial das kurioseste zu werden, was man vielleicht je im Profifußball gesehen hat. Der 1.FCK könnte tatsächlich als 3.Ligist nächstes Jahr in Europa vertreten sein. Eine absolut irre Vorstellung.
Genau dieses Szenario beschreibt die Saison vom 1.FCK auch ganz gut. Himmel und Hölle liegen in der Pfalz selbst in den 90 Minuten auf dem Platz oft nah beieinander.
So kann man sich nach dem Einzug ins Pokalfinale am Samstagmittag schon auf einem direktem Abstiegsplatz wiederfinden, wenn Rostock am heutigen Freitagabend gegen Wiesbaden gewinnen sollte. Auch in der bisherigen Saison wurde die Gefühlslage der FCK-Fans immer wieder aufs Neue ins Extreme strapaziert. Mit einem kommenden Höhepunkt welcher vielleicht aus Relegation und Pokalfinale besteht.
Aber was zeichnet den FCK fußballerisch aus? Warum steht dieser Verein, der situativ um Phänomen Ragnar Ache so eine Wucht generieren kann, am Rande des Abstiegs?
Die Antwort lässt sich vielleicht auf ein Wort herunterbrechen: Konstanz. Der FCK schafft es selten diese Wucht und Überzeugung über komplette 90 Minuten zu zeigen. Wie auch in der Vorwoche beim Heimspiel gegen Fortuna Düsseldorf.
Personell deutete Trainer Funkel den ein oder anderen Wechsel an. Fest steht, dass Stammkeeper Krahl wohl wieder ausfällt. Dafür steht inzwischen muss man ja sagen halb ex-HSVer und Paulianer Himmelmann im Tor. Wer vergessen hat wer das ist, guckt sich vielleicht noch einmal die Highlights vom Spiel gegen Holstein Kiel aus der Vorsaison an.
In der Innenverteidigung sollten Elvedi und Tomiak gesetzt sein. Gleiches gilt für den polnischen Roadrunner Puchasz auf der linken Seite. Rechts erwarte ich aufgrund seiner besseren Ballskills eher Jean Zimmer als Toure. Die Doppel 6 besteht aus Niehues und Kaloc.
Davor wird es eine kleine Wundertüte, da Funkel hier durchaus interessantes Personal zur Verfügung hat. Gesetzt sind für mich Ritter, der jede Außenposition oder die 10er Position besetzen könnte. Ebenso Naturgewalt Ragnar Ache, auch wenn es bei ihm wahrscheinlich nicht direkt für 90 Minuten reichen sollte. Ansonsten wird wohl wieder Hanslik von Beginn an spielen.
Ache ist in gewisser Hinsicht der Haaland der 2. Bundesliga: pure Torgefahr, brutale Effizienz und wenig mehr; obwohl schnell laufen kann er mit seinem Top Speed von 35,03 km/h auch. Es ist aber auch nicht notwendig, dass er wesentlich mehr bietet. Mit den meisten Toren pro 90, den meisten Schüssen pro 90 und der drittbesten Chancenverwertung pro 90 (unter Spielern mit mehr als 450 Minuten Spielzeit), sind die Prioritäten in seinem Spiel klar. Und auch bei den Non-Penalty xG (npxG) ist er Dritter. Reduziert man das Spielminuten-Limit jedoch um 20, dann ist er nur noch 4., weil András Németh dann leicht über ihm liegt (zusammen mit Glatzel, der den gleichen npxG-Wert von 0,67 hat). Wo er gegenüber Glatzel und Németh einen Vorteil hat, ist im Kopfballspiel. Mit 5,86 erfolgreichen Kopfbällen pro 90 Minuten gehört er zu den besten 9% der Stürmer in der Liga. Die Erfolgsquote von 50,9% gehört zwar nur zu den oberen 22%, aber damit ist er immer noch 8 Perzentil-Punkte über Glatzel und 41 über Németh. Und auch mit seiner Boxpräsenz sticht Ache heraus. Mit den viertmeisten Ballberührungen im Strafraum in einer Mannschaft mit einem durchschnittlichen Ballbesitz von nur 44,6%, gehört er zur absoluten Elite der Liga.
Auf der 10er Position ist Raschl ein Kandidat für die Startelf. Auf den Außen sind es neben Opoku auch Redondo, Tachie oder Simakala.
In der Herangehensweise ändert das Personal allerdings wenig, da sie sich vom Profil alle durchaus ähneln.
Mit Ball sind die Pfälzer recht simpel gestrickt. Man agiert meist aus einem 3-1(2) Aufbau heraus. Die Innenverteidiger schieben hier breit heraus und Niehues kippt im Aufbau zwischen die beiden Innenverteidiger. Auf der linken Seite schiebt Puchacz vor und Ritter rotiert in der Folge in den Halbraum. Das gleiche passiert auch auf der rechten Seite, allerdings gibt es Situationen in denen Zimmer auch flach in der ersten Linie agiert.
Zentral bietet sich meist Kaloc hinter der ersten Defensivlinie des Gegners an. Selbst der 10er fällt situativ in die Räume, auch wenn er dabei oft diagonal versetzt zu der anderen 6 steht. Kaiserslautern bringt in ihren Aufbauphasen durchaus viel Geduld mit. Man scheut nicht davor in Situationen neu aufzubauen, sodass es auch nicht immer problematisch ist, wenn situativ eine hohe Statik herrscht oder viel Personal vor der gegnerischen Defensivlinie steht. Kaiserslautern nimmt sich diese Zeit.
Schafft man es nicht über die Zentrale in die Dynamik zu kommen, so sucht man konsequent die zwei Variante von langen Bällen.
Variante 1: Lang auf Zielspieler Ache / Hanslik, der dann meist über die 10 oder den Halbraumspieler klatschen lässt.
Oder Variante 2: Man sucht direkt den langen Ball hinter die gegnerische Kette. Speziell bei höher stehenden Gegnern ist das ein durchaus oft genutztes Mittel.
Kaiserslautern schafft es zudem oft in der letzten Linie mit 5 Mann zu stehen, da Zimmer und Puchasz häufig als Breitengeber im Übergangsspiel und letztem Drittel agieren.
Das Ziel in Kaiserslauterns Offensivspiel ist permanent die Tiefe hinter der gegnerischen Vierer- oder Fünferkette zu suchen. Mit ihren schnellen Flügel- und Halbraumspielern bringt der FCK hier durchaus Matchup-Probleme mit sich beim Thema Antritt und Geschwindigkeit. Kommt man nach einem langen oder zweiten Ball in zentrale Positionen wird meistens die Tiefe gesucht. Oft wird diese gerade über die linke Seite von Ritter und Puchasz gefunden. Die Dynamik die diese zwei auch aus einfachen Doppelpässen erzeugen können ist beeindruckend.
Generell ist der tiefe Ball aus der Zentrale in Richtung Puchasz wahrscheinlich der am meisten gespielte progressive-diagonale Ball im Lautern Spiel. Die Pfälzer schaffen es oft den rechten Außenverteidiger anderweitig zu binden, sodass dieser nicht immer auf den Tiefenlauf vom Polen reagieren kann. Auch zentral macht der FCK hier einen durchaus soliden Job. Schafft man es auf Außen Puchasz oder auch Zimmer in die Dynamik zu bringen, rückt Lautern konsequent und mit viel Dynamik in den 16er rein. Es folgt meist die Flanke oder ein Flachpass in Richtung 11m Punkt. Das größte Asset im FCK-Spiel ist auch hier wieder Ache, der oft aus dem nichts Tore erzielen kann.
Das zeigt sich auch an Kaiserslautern wohl größter Stärke in der Offensive. Standardsituationen. Mit Ritter und Puchasz haben sie 2 fantastische Standardschützen auf dem Platz. 0,53xG erzielt der FCK durchschnittlich aus Standardsituationen pro Spiel. Ligabestwert.
Aber die Offensive hat Kaiserslautern nicht auf den Relegationsplatz gebracht, ganz im Gegenteil sogar. Die Defensive ist die Achillesferse der Pfälzer. Bisher konnte man erst einmal in dieser Saison zu null spielen (0:3 in Rostock) und auch der npxGA pro 90 Minuten ist nicht unbedingt besser. Man kassiert durchschnittlich 1,53 Tore ohne Elfmeter in 90 Minuten. Nur Magdeburg, Rostock und Osnabrück sind hier noch schlechter.
Aber woran liegt es? Wie immer im Fußball gibt es nicht die eine Lösung. Auch beim FCK ist es eine Mischung aus individualtaktischen und gruppentaktischen Problemen. Aber kommen wir zunächst mal zu der generellen Philosophie von Funkel.
Gegen die Fortuna verteidigte man meist aus einer 442 / 4231 Grundformation heraus. Kaiserslauterns erste Defensivlinie ist eher auf Verhindern statt hohe Ballgewinne aus. So versuchten es Hanslik und Raschl oft mit ihrem Deckungsschatten die Fortuna Zentrale aus dem Spiel zu nehmen. Dahinter agieren die beiden zentralen Mittelfeldspieler extrem mannorientiert. Hier verfolgt man die gegnerischen 8er oft sogar tief fast an die eigene Box, sodass teils ein riesiges Loch in der Mitte des Spielfeldes entsteht. Die beiden Außenspieler stehen ebenfalls sehr zentral und lassen die eigene Schiene meist offen. Zunächst. Wird der gegnerische Außenverteidiger angespielt schiebt man konsequent zu und drückt das Spiel wieder in die erste Aufbaulinie des Gegners.
Variante 2 ist das schon genannte 4231. Lautern gibt in diesen Situationen dem Gegner in ihrer ersten Linie fast alle Freiheiten. Das Anlaufen ist wieder nicht unbedingt energisch und mehr auf Verhindern statt Gewinnen aus. Dahinter schiebt Raschl auf den gegnerischen 6er. Sollte der HSV wieder mit einem inversen Reis agieren ist davon auszugehen, dass Ritter mannorientiert bei ihm bleiben wird.
Die Probleme beim FCK liegen hauptsächlich in der Abstimmung der Kette, vor allem wenn der Gegner es schafft alle 4 Spieler der Kette zu binden. Kippt hier einer der Spieler ab, gehen die Lautrer konsequent den Weg vom Gegner mit, auch wenn die Bewegung des Gegners sämtliche Kompaktheit der letzten Linie zersprengt. Es reicht meist ein langer Ball hinter die Kette um die Pfälzer vor immense Probleme zu stellen.
Aber auch horizontal lässt sich der FCK des Öfteren in der letzten Linie außeinander ziehen. Kann man hier die Schnittstellen zwischen IV und AV öffnen, wird es durchaus unangenehm für den FCK. Zuletzt gesehen beim Ausgleichstreffer von Tzolis am letzten Wochenende. Schafft man es die letzte Linie der Lautrer vor Entscheidungen zu zwingen, wird man diese auch defensiv unter Druck setzen können. Davon bin ich überzeugt.
Mit Hinblick auf die HSV Idee der letzten Wochen sollte der zuletzt gewählte Ansatz auch gegen Lautern zu überzeugen wissen. Die personelle Wucht, die der HSV durch das Roamen von Reis, Benes und Pherai erzeugen kann, wird auch den FCK im letzten Drittel vor Probleme stellen. Wenn der HSV zusätzlich wieder die Schnittstellen in der letzten Kette findet, dann hat der HSV eine große Chance zumindest vorübergehend wieder auf Platz 3 zu springen.
Aber es ist Vorsicht geboten. Ragnar Ache reicht meist eine Aktion um ein Spiel komplett auf Seiten des FCK zu ziehen.
Für den HSV ist es dennoch eine Pflichtaufgabe. Folgt wieder kein 3er, dann verdichten sich die Vorzeichen, dass man auch im nächsten Jahr Zweitligafußball im Volksparkstadion sehen darf.