Das Problem treibt uns HSV-Fans schon eine Weile herum, weshalb @walterball dazu zuletzt sogar einen kleinen Thread auf Twitter/X gepostet hat. Als Antwort darauf kam von @Herbertuep folgende Frage:
Wie sieht es eigentlich mit den xG/shots bzw shots on target aus? Ich bin der Meinung wir haben deutlich mehr schlechtere Chancen und die anderen weniger aber hochwertigere Chancen. Dies ist ein Indikator für xG overperformance.
https://twitter.com/Herbertuep/status/1775089687926870444
Und somit hat er sich am nächsten Tag hingesetzt, um die Daten zu durchforsten. Was dabei rauskam, könnt ihr hier lesen.
Grundsätzlich scheint es nicht so einfach zu sein zu zeigen, dass oder ob der „HSV zu viele 100%ige Chance versieb[t]“. Aber gerade deshalb wollte ich das Thema nicht sofort ruhen lassen und habe mich noch etwas tiefer mit den Daten befasst. Dabei dient mir besonders eine Variable als zusätzlicher Indikator; die sogenannten PSxG oder Post-Shot Expected Goals.
Welchen Mehrwert hat PSxG als Indikator?
Mit der Differenz zwischen dem bekannteren xG und Toren wird letztlich ermittelt wie erfolgreich eine Mannschaft oder ein Spieler war beim Verwandeln von unterschiedlich hochwertigen Chancen. Dem ist absolut nichts auszusetzen, aber dabei muss bedacht werden, dass nicht jeder guten Chance, die nicht verwandelt wurde unbedingt ein schlechter Schuss vorausgeht. Zum Beispiel ist es möglich dass ein Spieler eine sehr hochwertige Chance (xG) bekommt, diese auch sehr gut abschließt (PSxG) und trotzdem kein Tor fällt weil der Torwart den Ball sensationell hält. Die Differenz zwischen xG und PSxG kann bei diesem Problem helfen. Der Unterschied der zwei Metriken ist Folgender:
xG: Die Wahrscheinlichkeit dass die Chance, die zu einem Schuss geführt hat, zu einem Tor verwandelt wird, basierend auf Kriterien wie Distanz zum Tor, Abschlusswinkel, Position anderer Spieler und der Druck der von ihnen ausgeht, Schussart (z.B. Kopfball, Volley), Spielphase und vorhergehende Aktionen (z.B. Einwurf, Flanke, Schnittstellenpass).
PSxG: Die Wahrscheinlichkeit dass der Schuss, der auf das Tor geht (Schüsse die daneben gehen werden als 0 gewertet), ins Tor geht, basierend auf Kriterien wie die Endposition des Schusses im Torraum und die obengenannten xG-Kriterien.
Nimmt man nun eine bestimmte Chance die zu einem Schuss führt, dann ist es möglich die Differenz zwischen PSxG und xG zu berechnen. Damit kann ermittelt werden, ob der abschließende Spieler mit seinem Schuss die Wahrscheinlichkeit, dass ein Tor erzielt wird erhöht, verringert oder gleich gehalten hat.
Nur soviel zu den Metriken, denn sie werden die Basis für den Rest dieses Artikels bilden. Dabei wird folgendes thematisiert:
- Wie Chancen von unterschiedlicher Qualität (xG) verwertet werden (PSxG).
- Welchen Anteil jeweilige Spieler im Kader daran haben dass diese Saison weniger oder mehr Tore gefallen sind als zu erwarten gewesen wäre.
- Wie gut oder schlecht die durchschnittliche Abschlussqualität dieser Spieler ist.
1. Lässt der HSV zu viele hundertprozentige Chancen liegen?
Fangen wir mit dem Verhältnis zwischen xG und PSxG an.

Auf der x-Achse werden die verschiedenen xG-Werte der Schüsse die der HSV diese Saison abgegeben hat, darstellt. Die y-Achse gibt die dazugehörenden PSxG-Werte wieder. Die Punkte beschreiben dabei nicht einen einzelnen Schuss, sondern alle Schüsse die den gleichen xG-Wert hatten. Somit ist auf der y-Achse zu erkennen wie hoch der durchschnittliche PSxG-Wert bei Schüssen mit gleicher Chancenqualität (xG) ist. Zur Veranschaulichung: Der rote Punkt steht für den durchschnittlichen PSxG-Wert bei Schüssen mit einer Chancenqualität von 0,3 xG. Da dieser Punkt weit über der schwarzen Linie liegt, war der HSV bei Schüssen mit dieser Chancenqualität besonders gut. Allerdings ist das auch nur ein einziger Schuss und somit ist die Bedeutung relativ gering. Es muss hierbei also beachtet werden, dass die Punkte eine unterschiedliche Anzahl von Schüssen repräsentieren. Und natürlich kommen Schüsse mit geringeren xG-Werten wesentlich häufiger vor als solche die eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, dass sie zu Toren werden. Hauptsächlich ist hierbei zu erkennen, dass der HSV diese Saison über das gesamte Spektrum von Chancenqualitäten sowohl Beispiele fürs „über-“ als auch fürs „unterperformen“ bietet. Letzteres ist besonders bei den ganzen Punkten direkt auf der x-Achse zu erkennen. Etwas deutlicher wird das noch, wenn man den xG-Werten nicht den PSxG gegenüberstellt, sondern die Different zwischen den beiden Indikatoren. Diese Differenz könnte man auch als Abschlussqualität bezeichnen. Und somit lässt sich mit der Gegenüberstellung von xG und PSxG-xG zeigen, bei welchen xG-Werten die Abschlussqualität besser oder schlechter ist. Mehr noch, es ist zu erkennen, wo man im Durchschnitt an Torwahrscheinlichkeit dazugewonnen und wo man sie eher verloren hat.

Problem: Die ganzen Punkte die in der vorigen Grafik noch auf der x-Achse lagen und nun eine klare diagonale Linie ins Negative bilden, sind fast ausschließlich Einzelbeispiele. Mit anderen Worten, das sind vereinzelte Schüsse, die besonders bei hohen xG-Werten zwar ärgerlich sind (siehe der Schuss mit 0,96 xG von Dompé im Spiel gegen Rostock am 5. Spieltag), aber ob diese auf Strecke ausschlaggebend sind, ist bei der geringen Anzahl zumindest fraglich. Also sollten diese Punkte in dieser Grafik auch nicht überbewertet werden. Ein anderes Muster ist aber auch zu erkennen und zwar das Fehlen von jeglicher Überperformance bei Schüssen zwischen 0,4 und 0,5 xG. Aber wie gesagt, die Punkte stehen für unterschiedlich viele Schüssen und somit ist schwer zu sagen was hier wirklich ausschlaggebend ist. Somit ist der nächste Schritt, die Werte der xG-Performance mit der Anzahl der jeweiligen Schüsse zu multiplizieren. Dadurch lässt sich erkennen wo am meisten xG gewonnen oder verloren wurde.

Der oben genannte Eindruck lässt sich im Ansatz bestätigen. Bei Schüssen mit einem xG-Wert über 0,4 und bis 0,5 gibt es praktisch keinen „xG-Gewinn“ und zugleich besteht bei 3 Datenpunkten sogar ein Verlust. Tatsächlich weist der HSV in diesem Bereich (in rot markierte Punkte) die schlechteste Abschlussqualität auf und man hat hier über die Saison hinweg 1,49 xG verloren. Nun ist klar, dass hier der größte xG-Verlust entstanden ist, wenn xG-Kategorien im Abstand von 0,1 verglichen werden. Das liegt aber weniger daran, dass man viele Schüsse mit einem xG-Wert von über 0,4 und bis 0,5 schlecht abgeschlossen hat und mehr dass dieser xG-Bereich bereits eine sehr hohe Torwahrscheinlichkeit darstellt. Und es sind letztlich auch nur 11 Schüsse wo dieser xG-Verlust entstanden ist, was nicht besonders viel ist verglichen mit den insgesamt 434 Schüssen diese Saison. Zugleich sind aber auch weiterhin mehrere der Punkte aus der „diagonalen Linie ins Negative“ (in gelb markierte Punkte) bestanden geblieben, trotz der Multiplikation von PSxG-xG mit der Anzahl der jeweiligen Schüssen. Das sind weitere 12 Schüsse, wodurch 23 von 434 Schüssen für einen xG-Verlust von 4,91 verantwortlich sind. Das ist nicht Nichts und sollte somit auch nicht ignoriert werden und dennoch ist es kein vollständigen Bild.
Denn zugleich sind jede Menge Punkte unterhalb der x-Achse zu erkennen, wo xG verloren gegangen ist, die zwar eine geringere Torwahrscheinlichkeit darstellen (0-0,4), aber in größerem Volumen stattfinden. Und tatsächlich entsteht hier sogar ein xG-Verlust von 9,81. Nun ist es nicht ganz überraschend das Chancen mit geringerer Torwahrscheinlichkeit weniger verwandelt werden. Trotzdem schafft man es aber in diesem Bereich auch häufiger xG-Gewinne zu erreichen. Besonders im Bereich 0,03 bis 0,09 (in lila markierte Punkte) schafft es der HSV die Chancenwahrscheinlichkeit beim Abschließen um 3,25 zu verbessern. Das sind Schüsse die sehr häufig geschehen (216) und somit ist es gut, dass man hier einen guten Abschluss verzeichnen kann. Zugleich haben diese Schüsse aber auch einen unterdurchschnittlichen Wert verglichen mit dem Durchschnitt der xG-Werte pro Schuss aller Mannschaften der 2. Bundesliga. Das bedeutet, das sind weniger die Schüsse die man sich so erspielen wollte und eher zusätzliches Aufblitzen von individueller Qualität beim Abschluss (z.B. aus der Distanz). Interessanter ist der negative Bereich zwischen dem ligaweiten xG pro Schuss Durchschnitt und den bereits besprochenen roten Punkten über 0,4 xG. Diese Punkte sind in grün markiert und zeigen wo mit 9,29 der größte xG-Verlust entsteht. Natürlich liegen in blau auch einige Punkte im Positiven, aber in Summe macht das immer noch einen Verlust von 1,7 xG aus. Hinzu kommt, dass eine große Spanne zwischen den grünen (negativen) und blauen (positiven) Punkten liegt. Das deutet auf fehlende Konstanz hin, die bei einem Volumen von 122 Schüssen entstanden ist. Davon sind 81 Schüsse negativ ausgefallen und 41 positiv.
Insgesamt gibt es in drei Bereichen die größten xG-Verluste:
xG-Bereiche | xG-Verluste |
---|---|
Über 0,5 | 1,74 xG |
Über 0,4 bis 0,5 | 1,49 xG |
Zwischen 0,09 und 0,4 | 1,7 xG |
In Summe hat man in diesen drei Bereichen 4,93 xG liegen gelassen und somit etwas vereinfacht ausgedrückt knapp 5 Tore nicht geschossen durch schlechtes Abschließen. Nehmen wir nun ausschließlich die Schüsse mit einem xG-Wert von 0,09 oder mehr und berechnen bei jedem Spiel der Saison die Abschlussqualität dieser Schüsse (PSxG-xG). Anschließend kann dieser Wert mit der jeweiligen Tordifferenz in den Spielen verglichen werden, um zu ermitteln was ein xG-Gewinn/Verlust für das Ergebnis bedeutet hat. Dabei lassen sich vier Spiele finden bei denen durch schlechtes Abschließen Punkte verloren gegangen sind.
- Spieltag 2 gegen Karlsruhe: 2 Punkte
- Spieltag 9 gegen Wiesbaden: 2 Punkte
- Spieltag 16 gegen Paderborn: 1 Punkt
- Spieltag 27 gegen Fürth: 2 Punkte
Das sind 7 Punkte und 4 Tore mehr, womit der HSV mit 52 Punkten und einem um 1 Tor besseren Torverhältnis auf Platz 2 stehen würde. Natürlich steckt da auch etwas Konjunktiv drin, aber dennoch ist es als Gedankenexperiment und wichtiger noch, als Veranschaulichung der Abschlussprobleme und dessen Auswirkung auf die Tabellensituation, wichtig dies einmal darzustellen.
2. Wer hatte den größten Einfluss auf die Chancenverwertung?
Um diese Frage zu beantworten, habe ich die Schüsse verschiedener Torwahrscheinlichkeit (xG) in 10 Kategorien eingeteilt.
- 0-0,1
- >0,1-0,2
- >0,2-0,3
- >0,3-0,4
- >0,4-0,5
- >0,5-0,6
- >0,6-0,7
- >0,7-0,8
- >0,8-0,9
- >0,9-1
Anschließend habe ich die xG-Gewinne oder Verluste der Spieler in den jeweiligen xG-Kategorien berechnet, welche in der folgenden Grafik aufgezeigt werden. Dabei wurden die Werte nicht auf Spielminuten angerechnet, wodurch Spieler mit mehr Spielzeit natürlich auch mehr Möglichkeiten hatten sowohl gute als auch schlechte Schüsse abzugeben. Es soll hierbei aber nicht um die Qualität der einzelnen Spieler gehen, sondern darum wer den größten absoluten Einfluss auf die Abschlussqualität hatte. Dompé sieht hier zunächst am schlechtesten aus wegen der bereits erwähnten Chance mit 0,96 xG, die er gegen Rostock am 5. Spieltag nicht verwandelt hat. Dies war jedoch nur ein Schluss und dieser hatte letztlich auch keinen Einfluss auf das Ergebnis, weil das Spiel trotzdem gewonnen wurde. Aber auch ohne diesen Schuss hätte er den 4. größten xG-Verlust im Kader.
Zu lesen ist die Grafik wie folgend:
- Farben geben die zehn xG-Kategorien an (0,1=0-0,1 usw.)
- Ist ein Farbblock rechts von 0 so war der Spieler im Schnitt gut bei solchen Chancen.
- Ist der Farbblock links von 0 so war der Spieler im Schnitt schlecht bei solchen Chancen.
- Die Reihenfolge von oben bis unten gibt an wer in Summe den positivsten bis negativsten Einfluss hatte (negativ wird es bereits nach Pherai auf Platz 6).

Und so ist auch der etwas polemische Titel von diesem Artikel entstanden. Denn Dennis Hadžikadunić hatte tatsächlich den 4. besten Einfluss auf die Abschlussqualität beim HSV diese Saison. Das sagt aber wohl weniger über ihn aus als über die fehlende Qualität im Abschluss mehrerer Offensivspieler. Allen voran gehen hier die offensiven Flügel, die entweder grundsätzliche Schwächen im Abschluss haben oder einfach eine unglückliche Saison erleben. Letzteres trifft besonders auf Königsdörffer zu, der auch schon andere Zeiten erlebt hat. Aber dazu später mehr. Interessant ist in dem Verbund der gut abschließenden Spieler besonders Muheim. Denn dieser macht ausschließlich Schüsse in der niedrigsten Torwahrscheinlichkeitskategorie und überperformt dabei brutal. Das sind seine Distanzschüsse aus dem linken und rechten Halbraum. Interessanterweise hat er damit auch die 4. meisten Abschlüsse im Kader (34). Über ihm stehen in wenig überraschender Reihenfolge: Glatzel (84), Bénes (64) und Pherai (42). Und danach kommen schon die wenig erfolgreichen offensiven Flügel, Dompé (30), Jatta (27) und Königsdörffer (27). Abgesehen von Glatzel können in dieser Liste nur Bénes und Pherai einen xG-Gewinn und somit eine positive Abschlussqualität aufweisen. Zugleich steckt in der Gruppe von Spielern mit einer insgesamt positiven Abschlussqualität und somit einem xG-Gewinn, ein gewisser András Németh, der mit wenig Spielzeit den 3. höchsten xG-Gewinn im Kader aufzeigen kann. Und somit gehen wir in den letzten Teil dieses Artikels.
3. Wo könnten die Lösungen zur Abschlussschwäche im aktuellen Kader liegen?
Um dies beantworten zu können, ist es notwendig die jeweiligen Werte zur Abschlussqualität (PSxG-xG) durch die Spielzeit der Spieler zu dividieren, damit hier keine Verfälschung durch mehr oder weniger Spielzeit entsteht. Denn anders als im vorigen Abschnitt, geht es hier nicht um den absoluten Einfluss, sondern die (wahrscheinliche) Qualität der Spieler. Zudem ist es hier sinnvoll den Wert für PSxG-xG der Anzahl von Schüssen gegenüberzustellen. Denn dadurch entsteht ein Verständnis dafür welche Abschlussgefahr die jeweiligen Spieler durch Qualität und Quantität von Schüssen im Schnitt anbieten. Grafisch läuft dies in der aktuellen Saison auf folgendes hinaus.

Hadžikadunić, Muheim, Pherai, Bénes, Németh und Glatzel haben hier eine im Durchschnitt positive Abschlussqualität. Sie erhöhen somit durch die Qualität ihrer Schüsse die Wahrscheinlichkeit, dass die Abschlusschancen die sie bekommen haben, zu einem Tor verwandelt werden. Die meisten Schüsse geben dabei Glatzel, Németh und Bénes ab. Jatta findet zum Vergleich ähnlich häufig den Abschluss wie Innenverteidiger Schonlau und weniger als Linksverteidiger Muheim. Zugleich ist seine Abschlussqualität im negativen. Öztunalı, Dompé und Königsdörffer schließen häufiger ab, aber alle drei waren diese Saison insgesamt ineffizient bei ihren Schüssen. Aber war dies schon immer so oder läuft diese Saison besonders unglücklich?
Öztunalı hat letzte Saison noch nicht beim HSV gespielt und davor hatte er lang wenig Spielzeit. Somit lohnt es sich hier wenig tiefer in die Daten zu blicken. Dompé ist auch über seine gesamte Zeit beim HSV im negativen Bereich, wobei dieser Wert hier wesentlich geringer ist und die Anzahl seiner Abschlüsse pro 90 Minuten auch geringer ausfällt. Tatsächlich kam er in seiner ersten Saison weniger zum Abschluss (von 1,6 pro 90 Minuten zu 2,24) und seine Abschlussqualität war mit 0,03 auch noch positiv statt wie diese Saison negativ mit -0,1 PSxG-xG pro 90 Minuten. Noch signifikanter scheint der Sprung von Königsdörffer (-0,05 in der aktuellen Saison und 0,21 in der letzten). Über die letzten 2. Saisons sehen die Werte also wie folgend aus.

Hervorgehoben werden sollten hier besonders die Spieler mit vielen Abschlüssen und einem positiven Wert beim PSxG-xG. Dass Glatzel hier mit zu den Besten gehört ist nicht weiter verwunderlich. Trotzdem lohnt es sich hier auch hervorzugeben, dass er kein Stürmer ist der unbedingt über lange Strecken mehr Tore erzielt als bei der Chancenqualität zu vermuten wäre. Mit anderen Worten, er überperformt seinen xG in der Regel nur geringfügig. Übrigens hat er zudem den größten xG-Verlust in einer der xG-Kategorien (>0,4 bis 0,5) wo der HSV diese Saison durch schlechteres Abschließen mit den größten xG-Verlust erlebt hat. Ähnlich ist es bei Bénes, der in der Kategorie über 0,1 bis 0,2 den größten xG-Verlust der Mannschaft zu verantworten hat. Dies soll aber kein Angriff auf diese zwei Spieler sein, denn sie sind nicht das Problem. Bénes und Glatzel sind 1. und 3. im Kader bei der Abschlussqualität von Schüssen in der xG-Kategorie mit dem geringsten Torwahrscheinlichkeitswert (0-0,1). Das Problem ist somit vielmehr, dass es zu wenige andere Spieler im Kader gibt mit signifikanter Spielzeit, die eine gute Abschlussqualität haben und somit für mehr xG-Gewinn sorgen konnten, was auf Streck zu mehr Toren führen würde.
Königsdörffer hat bereits gezeigt, dass er hierzu etwas beisteuern kann, aber diese Saison klappte es noch nicht so gut. Trotzdem steckt hier Potential, besonders wenn man ihn noch häufiger in Abschlusssituationen bekommen kann. Dadurch das Baumgart von seinen offensiven Außen mehr als Walter verlangt, dass diese Spieler die minimale Breite suchen, könnte Königsdörffer nun durchaus mehr in Tornähe kommen. Wobei er auch unter Walter mehrfach eine Rolle eingenommen hat, wo er über Tiefenläufe in die Halbräume gesucht und gefunden werden sollte. Grundsätzlich ist er durch sein Schussvolumen und die Schusseffizienz der ersten Saison jedoch ein Kandidat dafür die Chancenverwertung beim HSV zu verbessern.
Noch mehr als Königsdörffer sticht allerdings Németh heraus, was besonders deshalb eine Überraschung ist, weil er diese Saison noch kein einziges Tor geschossen hat. Trotzdem ist seine durchschnittliche Schussqualität und der daraus entstehende xG-Gewinn sowohl in der ersten als auch der zweiten Saison durchweg positiv. Tatsächlich ist sein xG-Gewinn pro 90 Minuten der höchsten im gesamten Kader, sowohl in der aktuellen Saison als auch über die ersten zwei Saisons zusammen berechnet. Aber natürlich liegt seine Spielzeit in der 2. Bundesliga über die zwei Saisons auch nur bei 5,8 x 90 Minuten. Und somit sollte dieser Wert nicht vollkommen unkritisch gesehen werden. Und dennoch ist seine überperformance ausreichend, um zu zeigen, dass er einen guten Abschluss hat. Insgesamt hatte er diese Saison tatsächlich nur bei Chancen mit besonders hoher Torwahrscheinlichkeit (>0,4-0,6) einen xG-Verlust. Das könnte darauf hindeutet, dass es bei ihm hauptsächlich ein Spielpraxis-Problem ist, wodurch er bei nominell einfacheren Chancen die ihm vielleicht auch mehr Zeit und Raum bieten, unsicherer wird.
Und somit freue ich mich, trotz der Enttäuschung dass Glatzel gegen Kaiserslautern ausfallen wird, auf den nächsten Startelf-Einsatz von Németh. Dabei kann er hoffentlich auch sein erstes Saisontor erzielen. Aber selbst ohne ein Tor wird er wieder durch seine diszipliniertere Positionierung in der Box, Aktionen die andere Spieler in Szene setzten, sowie seine technischen Stärken die ihn auch im progressiven Spiel wertvoll machen, einen wichtigen Beitrag zur Leistung unseres HSVs beitragen können.

Desweiteren könnte es auch in der Zukunft eine interessante Option sein, Glatzel, Németh und Königsdörffer gleichzeitig aufzustellen. Abgesehen von der besseren Abschlussqualität, die dieses Trio potentiell anbietet, ist auch die Kombination der Profile eine interessante: Einer lässt sich fallen (Glatzel), einer pinnt die Innenverteidiger (Németh) und einer macht Tiefenläufe (Königsdörffer). Wie schon erwähnt, suchen die offensiven Außen bei Baumgart sowieso schon häufiger engere Positionen in der minimalen Breite. Trotzdem müsste man mit diesen drei Offensivspielern die Breite im Spiel wohl über andere Spieler finden (z.B. die Außenverteidiger), wodurch einer der drei 8er/10er (Reis, Bénes oder Pherai) ggf. geopfert werden müsste. Zugleich wäre Glatzels Rolle vielleicht nicht ideal für ihn. Darum geht es hier aber auch nicht. Der Punkt ist, dass der Kader durchaus Optionen anbietet, um in den offensiven Positionen mehr Abschlussqualität reinzubringen. Und gerade András Németh könnte diesbezüglich viel beisteuern, wenn man ihm auch nach der Rückkehr von Glatzel mehr Spielzeit zugesteht. Steffen Baumgart scheint zumindest seinen Spaß an dem Spieler gefunden zu haben, denn er erklärte in der Pressekonferenz am Donnerstag folgendes:
Dass ich András zu 100 Prozent einsetzten werde, er ist nicht nur favorisiert, sondern er hat ein richtig gutes Spiel gegen Fürth gemacht. Und wenn ich mir ihre [Kai-Uwe Hesse von der Bild] Zahlen durchlese und lese wie lange er nicht getroffen hat und dann wirklich mal ausrechne wie viele Minuten er auf dem Platz hat, dann wäre das doch schön, wenn wir das auch dazu schreiben. […] Ich halte ihn für einen richtig guten Stürmer. Ich finde das hat er in Fürth bewiesen. Ich finde er hatte zwei, nicht nur zwei drei richtig gute Aktionen gehabt, sondern er ist am Torwart gescheitert, nicht an, wie soll man sagen, er hat sich Gedanken gemacht oder irgendwie schlecht geschossen, er ist einfach an einem überragenden Torwart gescheitert. […] Ich find der Junge macht richtig Spaß, hat nen geilen Abschluss und im Gegensatz zu dem Einen oder Anderen bin ich davon fest überzeugt, dass er auch ein Stürmer sein kann der uns auf lange Sicht helfen wird.
https://www.youtube.com/live/ZLOURNygrp4?si=VQMZ4SFDBGDxMF7D&t=19m27s
Und somit geht er sogar noch einen Schritt weiter, indem er Németh von der Unterstellung der Nervosität oder schlechten Abschlüssen befreit. Ganz so weit würde ich zwar nicht gehen, aber man muss dennoch zugestehen, das Urbig hier auch einen sehr guten Job gemacht hat. Bei einem anderen Torwart gehen diese Abschlüsse vielleicht rein, obwohl Németh nicht ganz ideal handelt. Und dennoch pflichte ich Baumgarts Wunsch bei, dass Németh an das glaubt was ihm sein Trainer sagt und nicht das was manchmal irgendwo steht.
Lasst den deutschen Andreas kochen!