FragRautenball Nr.9 – eure Fragen nach #HSVFCK

@DrippyRYK: Das Spiel gg den Ball wirkt für mich wie ein Schatten von dem, was man eigentlich von Baumgart erwarten würde. Woran mag das liegen, will er anders spielen lassen? Setzt die Mannschaft es nicht gut um?

@Dix23456: Ich hatte den Eindruck, das Lautern unser Angriffspressing oft leicht überspielen konnte und der Abstand zwischen den Linien dann sehr groß war. Täuscht mein Eindruck und wenn nicht, was sind die Gründe?

Bene: Ich gehe mal davon aus, dass du hier besonders das intensive Angriffs- und Gegenpressing meinst, @DrippyRYK. Insofern können wir das eigentlich gleich im Verbund mit der Frage von @Dix23456 beantworten. Zunächst fange ich vielleicht erstmal beim Angriffspressing an. Ich fand grundsätzlich nicht, dass der FCK einen wirklichen Aufbau aufziehen konnte. In der Regel ging der Ball nach 1-2 Pässen relativ schnell auf einen Außenverteidiger, was heißt, dass sie im Zentrum von der ersten Reihe auch nicht in die zweite kommen konnten. Normalerweise, hat einer der 2 vordersten HSV-Spieler (Bénes oder Németh) Druck auf den ballführenden IV gemacht und der Äußere in der 2. Reihe (z.B. Ransi) machte dann Druck auf den AV. In der nächsten Instanz kam dann meisten schon ein mittellanger Ball oder ein Ballverlust. Ersteres konnte der HSV auch meistens gut wegverteidigen. Was euch vielleicht aufgefallen sein könnte, ist genau dieser Versuch über die AV durchzukommen. Besonders Puchacz hat es glaube ich einige Male geschafft bis zur Mittelfeldlinie anzudribbeln und über Touré gab es z.T. den Versuch den Ball von außen ins Zentrum zu spielen, um von dort den Weg zu den Angreifern zu finden. Das hat aber nur selten geklappt, wenn der FCK selbst aufbauen musste. Denn selbst wenn der AV zunächst etwas Platz hatte, gingen schnell 2-3 ins Pressing und haben dem ballführenden Spieler den Ball abgezwungen oder einen langen Ball provoziert. Das Probleme habe ich somit vielmehr im Gegenpressing gesehen, wobei ich auch da keinen fehlenden Willen oder grundsätzlich zu große Abständen wahrgenommen habe. Vielmehr schien das Hauptproblem hier das Spiel am Ball gewesen zu sein. Denn da gab es immer wieder Fehler in der Staffelung, was zu Ballverlusten geführt hat. Und da die Stafflung am Ball vorgibt wo die Spieler zueinander stehen, wenn der Ball verloren geht und die Mannschaft ins Gegenpressing gehen muss, entstehen dann immer wieder unglückliche Situationen gegen den Ball, die bei einer besseren Stafflung am Ball nicht so geschehen würden. Ansonsten hat man auch phasenweise in einem Mittelfeldpressing gespielt, was aber auch in Ordnung ist, weil der FCK es eh wenig versteht einen gefährlichen Aufbau aufzuziehen und zudem haben sie in ihrem Angriff viel Geschwindigkeit und Physis, die auf Dauer auch schwer zu verteidigen sein kann, wenn man ausschließlich hoch anläuft.

@jan_351: Ich fand die Positionierung heute komisch, häufig gab es offensiv eig extrem freie Räume (zB zwischen Kaiserslauterns Ketten), wo aber niemand reingelaufen ist und auch kein Pass dahin kam. Liegt das einfach an anderer taktischer Auslegung?

Bene: Zum Einen hatte man Probleme in der Stafflung (wie bereits in der vorigen Antwort erwähnt), was dazu führte, dass der Aufbau, der bei Baumgart besonders durch das Zentrum gehen soll, entweder statisch oder fehlerhaft umgesetzt wurde. Dabei konnte der erste Anspieler im Mittelfeldzentrum meistens noch gefunden werden, aber im nächsten Schritt gab es häufig keine klare Anspielstation. Des weiteren gab es das Problem der schlechten Synchronisierung, die wohl auch nicht unabhängig von der Stafflung ist. Obwohl es unter Baumgart ein klareres Positionsspiel gibt als bei Walter (keine Kritik an Walter, sondern ein Stilunterschied), ist es auch dabei wichtig, dass die Spieler sich bewegen und in Abläufe kommen, die es ermöglichen, dass in der Bewegung Raum für die Spieler entsteht, wodurch sie anspielbar werden. Dabei müssen die Bewegungen aber gut abgestimmt sein, damit der eine Spieler den Ball nicht in die eine Richtung spielt während der andere Spieler in die andere Richtung läuft. Zum Beispiel wenn das Spiel über den Dritten umgesetzt werden soll, dann muss dieser 3. Mann auch Anspielbar sein sobald der 2. den Ball erhält. Das meine ich mit fehlender Synchronisierung und das war gegen den FCK immer wieder ein Problem.

@mrpiemir: Mir kommt es so vor, als würden viele Pässe nicht konsequent gespielt und kommen zu langsam oder ungenau beim Mitspieler an. Ist das der hohen Passquote geschuldet oder wirklich nicht gut?

@BomberloveHSV: Ist die Passgeschwindigkeit, also die Zeit die der Spieler am Ball ist (Dribbling), länger als unter Walter? Leider darunter die Spielgeschwindigkeit?

Bene: Den ersten Teil der ersten Frage habe ich eigentlich schon mit der Antwort auf die vorige Frage beantwortet. Konsequente Pässe lassen sich nicht spielen wenn die Staffelung und Abstimmung in den Bewegungen nicht stimmt. Und so entstehen natürlich nicht nur Ballverluste, wenn man dennoch versucht durch das Zentrum zu kommen, häufig wird der Ball von den Innenverteidigern auch einfach sehr langsam gespielt, weil die Optionen nicht gegeben sind. Zugleich gab es gegen den FCK auch einige technische Fehler, sowohl im Passspiel als auch in der Annahme. Die Passquote unter Baumgart ist aber tatsächlich auch ein interessantes Thema und somit kommt die zweite Frage hier ins Spiel. Grundsätzlich ist das Passtempo seit Walter nämlich schneller geworden. Das soll heißen, es werden mehr Pässe pro 1 Minute Ballbesitz gespielt als vorher. Dabei ist natürlich auch relevant, dass es unter Walter noch mehr Aktionen am Ball gab die über das Andribbeln liefen, was wiederum bedeutet, der Spieler bleibt am Ball und passt ihn nicht. Hinzukommt, dass meistens ein geduldigerer Aufbau vorgesehen war. Bei Baumgart ist es etwas anders und dennoch gibt es dadurch Momente, wo das Spiel kurz verlangsamt wird. Denn unter dem neuen Trainer besteht der Plant über ein klares Positionsspiel und Spiele über den Drittel durch das Zentrum zu kommen. Somit wird der Ball von der ersten (Abwehr)-Linie meistens eine Weile von Seite nach Seite gepasst oder kurz auf den ersten Mittelfeldspieler, der ihn wieder zurückgibt. Aus solchen Abläufen will man aber in sehr schnelle und vertikale Passabläufe kommen, was auch dazu geführt hat dass der HSV mittlerweile die 2. meisten “Smart Passes” (Linienbrechende Pässe; genauer erklärt hier) über die gesamte Saison gespielt hat, obwohl man in der Winterpause noch 9. darin war. Somit ist es unter Baumgart so, dass man zum einen schneller bzw. häufiger pro Minute passt und zum anderen zwischenzeitlich etwas langsam aussehende Passabläufe hat. Letzteres wird natürlich nochmal verschärft, wenn man die Optionen im Zentrum nicht wirklich herbeiführen kann.

@DrippyRYK: Ich würde generell gerne wissen wie ihr das Spiel mit Ball bewerten würdet. Es kommt mir alles sehr so vor als wenn ein Großteil der Chancen eher aus individueller Qualität entsteht.

Bene: Ich habe ja nun schon einige Dinge zum Spiel am Ball geschrieben und dabei wird vielleicht schon klar, dass ich das Problem weniger darin sehe, dass es keine Idee gibt, sondern dass die Umsetzung nicht stimmt. In diesem Spiel war es die Staffelung und Synchronisierung und in den letzten Spielen haben wir schon viel von schlechter Entscheidungsfindung, besonders im letzten Drittel, gesprochen. Dazu kam dann zuletzt ein sehr Beitrag von @rob, der das hier sehr schön erklärt hat. Und dabei ist ein Punkt für die Antwort auf diese Frage vielleicht am wichtigsten: Der HSV trifft nicht nur schlechte Entscheidungen, sondern auch Gute. Dabei ist er jedoch nicht konstant. So entsteht schnell der Eindruck, wenn es nicht läuft liegt es an der fehlenden Idee am Ball und wenn es läuft, dann ist es die individuelle Qualität. Mein Eindruck ist vielmehr, dass die Mannschaft noch Zeit braucht, damit die neuen Prinzipien am Ball mit mehr Routine umgesetzt werden können. Auch weil der Wechsel von Walters sehr fluiden und auf Spielen-und-Gehen sowie Andribbeln fokussierten Spiel zu Baumgarts strukturierterem Positionsspiel keiner ist der unbedingt von heute auf morgen funktioniert. Ich erinnere mich noch wie Walter gerne davon gesprochen hat, dass es bei einer Entwicklung auch Rückschritte geben kann (vielleicht um den nächsten Schritt nach vorne machen können). Meine Hoffnung ist, dass das FCK-Spiel ein solcher Rückschritt war. Trotzdem gehört zur Wahrheit auch, dass man sich unter Baumgart weniger xG erspielt und weniger Schüsse abgibt. Aber diesbezüglich würde ich nochmals auf den Artikel zur Entscheidungsfindung im letzten Drittel verweisen, denn mehr Chancen wären absolut möglich.

@gunther_rauch: Bzgl Startaufstellung mit Anssi etc: kam nur mir es so vor oder war Baumgarts Erwartung hinsichtlich lieber kein „richtiger“ Flügel auf rechts sondern Dribbler, weil eh kein Platz für Vorstöße gegen die FCK-Defensive, taktisch eine komplette Fehleinschätzung?

Bene: Also wenn das der Plan war verstehe ich ihn nicht ganz, trotz eines Gegners der natürlich auch etwas tiefer steht. Denn gerade mit Puchacz auf dem linken Flügel (rechter aus HSV-Sicht), der eine sehr offensive Linksverteidiger-Rolle einnimmt, hätten sich hinter ihm Räume öffnen können. Aber unabhängig davon, was damit tatsächlich bezweckt wurde, hat die Entscheidung mich auch nicht überzeugt. Erstens verlor der HSV dadurch auf dem rechten Flügel die Breite und zugleich die Tiefe. Denn Anssi ist nun mal kein Flügelflitzer mit Geschwindigkeit, Laufkraft und Physis, sondern ein trickreicher Spieler, der besonders in den Halbräumen brillieren kann. In diesem Spiel musste er stattdessen immer wieder tief kommen und war dabei häufig wie ein AV positioniert, weil Reis in seiner Rolle ins Mittelfeld eingerückt war. Zweitens, dadurch dass man, wegen dem Einrücken von Reis, eh schon mehr oder weniger ohne RV spielte, brauchte man eigentlich einen Schienenspieler wie Jatta, der in beide Richtungen tiefe Laufwege mitmacht. Drittens, dadurch das Anssi kaum in die offensiven Zonen vor dem Strafraum kommen konnte wo er mit seinem Dribbling eigentlich seine größten Stärken ausspielen kann, wirkte sein Talent in diesem Spiel ziemlich verschwendet. Das heißt aber nicht, dass man ihn nicht auf dem Flügel aufstellen kann. Nur benötigt es dabei vielleicht einen AV der ihn überläuft und somit die Breite wieder entstehen lässt. Somit würde ich es auch eher als Fehlentscheidung bezeichnen.

@brenlev2: Wie findet ihr Reis als RV?

Bene: In der Rolle wie er sie aktuell spielt, finde ich ihn sehr gut. Das hat mehrere Gründe. Erstens, dadurch das van der Brempt fehlt, gibt es eigentlich nur noch Mikelbrencis und Oliveira als Optionen. Beide haben ihre Stärken am Ball und besonders Oliveira kann durch seine Geschwindigkeit auch defensiv einiges kompensieren, aber im Abwehrverhalten haben sie beiden noch einige Schwächen. In der aktuellen Saisonphase ist es somit wichtig und richtig, dass man hier eine Lösung mit mehr Erfahrung und Qualität gefunden hat. Hinzu kommt, dass durch diese Lösung Bénes, Pherai und Reis, die im Kader zu den Besten gehören, alle zugleich spielen können. Als dritten Grund, sehe ich den dazugewonnenen 6er im Aufbau. Schon in der Hinrunde hatte man häufiger Problem im Auf- und Übergangsspiel, was natürlich viel am Fehlen von Schonlau lag, der im Verbund mit Hadžikadunić ein sich sehr gut ergänzendes Innenverteidiger-Duo bildet. Dennoch war auch immer wieder zu erkennen, dass der HSV in der zweiten Aufbaureihe eine weitere Anspieloption gebrauchen konnte und besonders Reis kann diese Rolle gut erfüllen, weil er eine gute Pressingresistenz hat, den Ball auch mit dem Rücken zum gegnerischen Tor annehmen kann und in der Drehung den Ball in den offenen Raum mitnehmen kann. Als vierten Grund, warum mir die RV-Rolle von Reis gut gefällt, ist, dass man durch sein Einrücken auch nach Ballverlust im Zentrum mehr Kompaktheit hat. Das ist bei Baumgarts intensiven Gegenpressing natürlich besonders wichtig und zugleich war auch dies eine Problemzone unter Walter. Natürlich entsteht durch diese Hybridrolle des RV wenn tiefer stehend gegen den Ball und 6er/8er mit dem Ball auch mehr Raum auf dem Flügel. Und deshalb könnte diese neue Rolle für Reis auch ein Schritt dahin sein, dass Jatta noch mehr als Schienenspieler agieren darf/muss, was wohl auch besser zu seinen Stärken und Schwächen passt. Die Frage wird sein was passiert, wenn van der Brempt wieder fit ist. Spielt er dann vielleicht für Jatta oder muss ein anderer Spieler weichen?

@VolksparkJung: Hat Baumgart Zukunft beim HSV?

Grundsätzlich lässt sich diese Frage eigentlich nicht beantworten, weil nicht klar ist, ob es um Fußball oder Vereinspolitik geht. Und im letzteren Fall könnte ich es eh nicht beantworten. Zum Fußball würde ich nur so viel sagen: Jeder Trainer braucht Zeit, Zeit die der HSV aktuell nicht hat. Aber egal ob es am Ende mit dem Aufstieg klappt oder nicht, man sollte eine sachliche Entscheidung treffen, die darauf basiert, ob Baumgart die Qualität hat (steht meiner Ansicht nach außer Frage) und eine mit den internen Wünschen kompatible Spielidee vermittelt. Hinzu kommt die Frage der kaderpolitischen Pläne. Will man mehr junge Talente integrieren, ist der Trainer offen dafür usw.

Benedikt
Benedikt
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2 Kommentare

  1. Was die Rolle von Reis betrifft, kann ich vieles mitgehen. Nur eines gefällt mir bei ihm überhaupt nicht:
    Die Pressingresistenz ist bei ihm häufig eben nicht von Erfolg gekrönt. Gegen Lautern ist das Ballannehmen mit dem Rücken zum gegnerischen Tor völlig in die Hose gegangen und hat zum Gegentor geführt. (Ob ein Foul vorlag, ist allerdings strittig.)

    Jeder Spieler macht sicherlich Fehler. Das billige ich ihm auch durchaus zu. Bei ihm zieht es sich allerdings durch die Saison, dass er des öfteren völlig unnötig in den Zweikampf geht. Das hat dann die Folge, dass er den Ball verliert wie gegen Lautern. Oder er verlangsamt unser Offensivspiel.

    Mit seiner Dynamik war er eigentlich mein Lieblingsspieler. Inzwischen sehe ich das anders. Möglicherweise ist seine Handlungsschnelligkeit einfach limitiert. Oder – was es nicht besser macht – er meint, immer etwas besonderes machen zu müssen. Nach dem Lauterntor hätte ich es gut nachvollziehen können, wäre er aus „pädagogischen Gründen“ ausgewechselt worden.

    Ich bin gespannt auf Eure Einschätzung.

    • Stimmt schon, dass er darin in letzter Zeit ein paar Probleme hatte. Das lag aber denke ich hauptsächlich an Wahrnehmung und Entscheidung, sowie Körperorientierung, was er auch schonmal besser machte und in anderen Situationen macht. Wenn ich hier positiv von seiner Pressingresistenz spreche, dann muss man das in der aktuellen Form natürlich auch etwas relativiert werden. Aber dass er solche Fehler aktuell z.T. macht, liegt für mich hauptsächlich daran, dass er gerade Stück für Stück wieder in sein Spiel kommen muss nach einer langen Verletzungspause. Somit finde ich es auch schwierig von einem Problem zu sprechen, dass sich durch die Saison zieht. Wobei er selbst zu Beginn der Saison ja Probleme in der Schulter hatte und das schien ihn in den Spielen auch da bereits teilweise behindert zu haben.

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