Das VAR nichts #FCMHSV

Am Sonntagmittag gegen circa 14:20 Uhr war der Plan für die Woche auf Rautenball eigentlich klar. Voller Fokus auf Holstein Kiel. Was sollten wir denn aus einer Niederlage in Magdeburg, in der wir über 60 Minuten in Unterzahl agieren mussten, für Schlüsse ziehen? Am Ende kommt alles anders als man denkt und der HSV zeigte in Unterzahl eine durchaus beachtliche Leistung und kam zu einem mehr als verdientem 2:2 Ausgleich und selbst dieser scheint in Anbetracht dieses Spiels noch zu wenig.

Personell stellte sich der HSV nach den Ausfällen von Hadzikadunic, Poreba und Suhonen von selbst auf. Ersetzt wurde das Trio von Jatta, Pherai und Ramos und auch Miro Muheim kam nach Gelbsperre wieder zurück in die Startelf.

Beim 1.FC Magdeburg fiel kurzfristig noch Anker 6er Daniel Elfadli aus. Dafür begann El-Hankouri, Hoti ersetzte den gelb gesperrten Müller und vorne begann Texeira statt Nollenberger.

Der HSV kam ziemlich schwungvoll in die ersten Minuten und setzte gerade in Minute 1 schon die ersten Duftmarken vor dem Magdeburger Tor. Gute Szenen und Dynamiken sollten in der Anfangsviertelstunde folgen. Strukturell änderte sich beim HSV relativ wenig, viel mehr konnte man von einem eher suboptimalen Defensiv-Gameplan der Magdeburger profitieren.

Magdeburg bearbeitete den HSV Aufbau strukturell in einem 523, allerdings mit extrem hohen Mannorientierungen. Gegen den HSV 3-2 Aufbau stand man allerdings in Unterzahl dar. Atik und Texeira waren eigentlich die Männer für die erste HSV Linie im Aufbau, allerdings beschränkten die sich meistens nur auf Schonlau und Ramos. Dahinter waren es Conde und Schuler, die sich an Reis und Meffert orientierten. Benes wurde verfolgt von El Hankouri. Magdeburgs Probleme zogen sich über den gesamten Platz, beginnend eben mit der Unterzahl in erster Linie. Die Überzahl konnte der HSV meist geduldig ausspielen, da die Magdeburger an irgendeinem Punkt ihre Probleme im Übergeben deutlich zeigten.

Schob situativ Schuler auf einen Innenverterteidiger durch, stand Conde mit der Aufgabe da, gleich zwei Zentrale HSV Spieler in der Zentrale aus dem Spiel zu nehmen. Es brauchte teils nur ein wenig Locken und Abwarten bis Schuler Schonlau anlief. Es reicht aufgrund von Atiks sehr passiven Defensivverhalten nur ein Querpass und die Diagonale zum freien Mann im Zentrum ist geöffnet.

Die Übergebungsproblematiken wurden noch deutlicher, wenn Benes in das Reis-Meffert Zentrum dazu gekippt ist. Schoben in der Folge Reis und Meffert etwas horizontal heraus, entstand Chaos. So reichte teils ein Doppelpass für Verwirrung in der Magdeburger Zuordnung und auch hier öffneten sich die Diagonalen im Zentrum.

Ebenfalls problematisch für die Magdeburger war das Timing und auch die Position gegenüber ihren Hamburger Gegenspielern. Pherai konnte bei seinem Agieren im Zwischenraum teils problemlos zwischen den Linien den Ball empfangen. Das Vorwärtsverteidigen kam zu spät, sodass man hier viel mehr Kapital daraus hätte schlagen müssen.

In der Folge steht sich der HSV strukturell etwas selbst im Weg, im wahrsten Sinne des Wortes. Durch Nemeths vermehrtes Abkippen nimmt dieser Pherai und Benes den Raum zum Aufdrehen im Zwischenraum. Magdeburg kriegt so besseren Zugriff vor ihrer letzten Kette. Es gibt sogar eine Szene in der 20. Minute, wie Pherai und Nemeth zeitgleich in den selben Raum abkippen um für Schonlau unspielbar zu sein.

Auch verringerten sich die Problematiken gegen den Ball leicht mit einer höheren Position von Bockhorn gegen den Ball. Erst noch tief gepinnt durch RYK, war er nun auf höhe der zweiten Linie unterwegs und konnte Muheim anlaufen (auch wenn der Abstand immer noch hoch war) und situativ auch auf einen der 6er zuschieben, sollte Benes die Zentrale überladen.

Auch gegen den Ball hatte der HSV durchaus guten Zugriff. In dem schon bekannten 4132 vernichtete man in dem baumgartschen hohen Anlaufen zunächst jeden Magdeburger Ansatz sauber von hinten heraus rauszuspielen. Die Magdeburger Schienenspieler wurden hier durch hohe AVs auch meist fix unter Druck gesetzt. Verwundbar zeigte man sich vor allem auf der rechten Seite. Baute der FCM mit teils 4 Spielern in erster Linie auf (TW plus 3 IV), dann reagierte Jatta meist auf die Breite Position von Heber und schob vor. Im linken Magdeburger Halbraum war man nun leicht in Überzahl, da die Distanzen für Reis zum Vorwärtsverteidigen entweder zu groß waren oder er durch ein Herauskippen von Atik tief gepinnt wurde. Bell Bell schob situativ in den Halbraum und war meist relativ frei, sollte der FCM über ihre linke Seite eröffnen. Hier fand man zwar im Laufe der Zeit besser im Spiel und agierte mit einem aggressiverem Durchschieben von Ramos auf die rechte HSV Seite. Magdeburg schaffte es aber dennoch sich situativ gut zu befreien und dann in der Folge lang und diagonal zu verlagern.

Sonst sah der Magdeburger Matchplan lange Bälle auf Schuler vor, der diese dann in die Taschen neben Jonas Meffert ablegen sollte. Wie so oft mit Gewaltfußball hat dies nicht immer eine 100% eingebaute Garantie für nachhaltigen Erfolg.

In der 24. Minute wird das bisherige Spiel absolut auf links gedreht. Magdeburg kann ohne viel Druck auf ihre Seite verlagern. In der Folge steht der HSV praktisch über das gesamte Spielfeld schlecht gestaffelt. Nemeth steht zu hoch, Benes wird durch Conde gebunden. Man kriegt absolut keinen Druck auf den Ballführenden Gnaka. Dieser kann unbedrängt einen langen Ball hinter eine hohe HSV Kette spielen, der Ball wirkte fast einladend. Hohe Ketten und wenig Druck sind nicht die beste Kombi, die man gegen den Ball haben will.

Eigentlich lassen wir hier Entscheidungen des Schiedsrichters immer unkommentiert, aber diese lässt mich auch nach 48 Stunden noch nicht kalt, da mit jedem Replay mehr Unverständnis für diese Entscheidung aufkommt. Dass VAR Benjamin Brand die Situation auch so klar einschätzt, dass er Dr.Robert Kampka nicht einmal an den Bildschirm holt, ist absolut nicht zu verstehen. Vor allem wenn man sich in Erinnerung ruft, wie oft diese Art der VAR Intervention selbst bei sehr klaren Situationen verwendet wird.

Danach geht es den Bach runter. Ambrosius ersetzt Ramos und dem HSV steht ein gewisser Schock ins Gesicht geschrieben. Auf X konnten viele User diesen Wechsel nicht unbedingt nachvollziehen. Allerdings ist ein Meffert mit Hinsicht auf die nächsten 60 Minuten gegen ein wohl noch tieferes Magdeburg noch unverzichtbarer als ohnehin schon. Um es einfach auszudrücken: Die Schnittstelle gegen das unterdurchschnittliche Magdeburger Anlaufen muss auch in Unterzahl noch bewirtschaftet werden. Zusätzlich ist Meffert absoluter Rhytmusgeber im HSV-Spiel, welches wahrscheinlich jetzt gegen ein tieferes Magdeburg noch mehr Wichtigkeit erlangt. Die wohl wahrscheinlichste Alternative wäre wohl die Herausnahme eines Breitengebers gewesen.

Die Elfmeterszene vor dem 2:0 ist dann das vorzeitige i-Tüpfelchen eines schwarzen HSV Sonntags. Mit ein wenig Slapstick am Ende kann wieder Gnaka den Ball in die Tiefe spielen. Die horizontale Staffelung in der Kette sieht nicht optimal aus, allerdings ist dies aufgrund des TV Bildes nicht final aufzulösen.

Meine Kritik um das Schiedsrichtergespann bleibt hier gleich. Die Szene ist wahrscheinlich klarer als die vor dem 1:0, aber sich auch diese nicht anzuschauen ist eine durchaus interessante Entscheidung. Die Frage ob solche Szenen rund um einen herausstürmenden Torwart als Foul zu bewerten sind, sind wahrscheinlich auch schon philosophische Fragen. Gibt einem ein unkontrollierter Ballkontakt die Freiheit so zu agieren? Das darf jeder für sich selbst entscheiden.

Das Spiel schien mehr als gelaufen. In den sozialen Medien wurde die Saison als beendet erklärt. Die Enttäuschung war groß, dass man wohl auch im nächsten Vereinsjahr nur Zweitligafußball in Hamburg sehen kann.

Aber jetzt wieder mehr Inhalt. Magdeburg verpasst gerade zu Beginn der zweiten Hälfte hier das Spiel zu killen, aber dass man nun in 6 Spielen kein Tor aus dem Spiel heraus macht, kommt nicht von ungefähr. Das Spiel ohne Ball ist gegen ein Team in Unterzahl absolut unterirdisch.

Das Spiel kippt dann dynamisch und ergebnistechnisch über Schonlau. Durch sein Spielen und Gehen in alter Waterballmanier setzt er den FCM schon in erster Linie vor Entscheidungen, speziell mit ihren extremen Mannorientierungen. Der zweite Schlüssel ist die Einwechslung von Dompe. Dieser pinnt auf seiner linken Seite viel besser als Königsdörffer. Muheim agiert in der Folge weitaus inverser als noch zuvor.

Rechts gibt der HSV die Breite fast komplett auf. RYK agiert hier positionstechnisch fast schon als hohe 8 im Halbraum. Das gibt Benes wiederum die Freiheiten sich komplett auf den linken Halbraum zu fokussieren.

Der HSV überlädt in der Folge konsequent auf ihrer linken Seite und findet permanent Lösungen. Auch wenn das Wort überladen hier wahrscheinlich falsche Vorstellungen generiert. Im Endeffekt agiert Benes als linker 8, RYK als falsche 9 / falscher Flügel mit hohem Zentrumsfokus. Die rechte Seite wird komplett aufgegeben.

Durch die hohe individuelle Klasse kann man viele Situationen gut lösen, sei es über Anspiele an die Box oder gute Flanken von Dompe und Muheim.

Auch gewann man glücklicherweise viele zweite Bälle nach langen Eröffnungen von Raab, aber auch hier mit komplettem Linksfokus. Mit Benes im vorderen Halbraum, Meffert als Anker dahinter hat der HSV eine hohe personelle Wucht in diesen Zonen und spielt ihre individuelle Klasse oft gut aus mit etwas Pech oder guten Szenen von Reimann im Abschluss.

Am Ende steht ein hochverdienter Punkt, bei dem es aber trotzdem sehr schwer fällt das Positive zu sehen. Der HSV verliert den Anschluss. Aber wer weiß, für was dieser Last Minute Ausgleich von Meffert noch wert sein kann. Der Relegationsplatz ist nur 4 Punkte und ein schlechteres Torverhältnis entfernt. Da ist ein 2:0 Rückstand in Unterzahl durchaus ein größeres Brett, aber es gibt keinen Raum für weitere Punktverluste.

2 Kommentare

  1. Vielen Dank für die Analyse. In Bezug auf die Gegentore kann ich sie allerdings nicht mitgehen.
    Ich sehe hier Ramos und Raab mit individuellen Fehlern maßgeblich beteiligt.

    Jeder Stürmer nimmt die Einladung zum Sturz im 16er dankend an, wenn er von hinten einen auch noch so leichten Kontakt im Rücken spürt. Wie naiv kann ein Verteidiger sein…

    Raab stürzt dem Ball ohne Augenmaß in Tim Wiese Manier (gleiche Lauterer Torwartschule eben) entgegen und trifft zunächst den Magdeburger. Souveränität sieht anders aus.

    Natürlich kann der Schiri alles auch anders sehen. Falsch gesehen hat er es in meiner Wahrnehmung aber nicht.

    • Das mit dem Rauslaufen habe ich anders gesehen. Ich denke, das Problem war, dass er einen Moment gezögert hat (was ihn hier übrigens von Wiese unterscheidet). Hätte er ohne zu zögern durchgezogen, wäre er (vermutlich) zuerst am Ball gewesen.

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