Eigentlich war schon alles klar. Der HSV wird eine weitere Saison ohne Aufstieg beenden müssen. Und eigentlich ist die tabellarische Situation auch weiterhin keine Gute. Der 4. Tabellenplatz mit 4 Punkten Rückstand auf Fortuna Düsseldorf, die zugleich ein uneinholbar besseres Torverhältnis haben, dass 12 Tore über dem des HSV liegt. Und dennoch ist in der Partie am letzten Samstag Nachmittag gegen die Braunschweiger Eintracht wieder etwas Hoffnung entfacht. Denn die Konkurrenz patzte und der HSV dieses mal nicht.
In der Aufstellung musste Trainer Steffen Baumgart wieder den Ausfall von Ignace Van Der Brempt hinnehmen, wodurch Ludivit Reis die einrückende Rechtsverteidiger Rolle übernahm. Dadurch durfte Łukasz Poręba zum vierten Mal in der Liga in der Startelf stehen, denn László Bénes fiel auch wieder verletzt aus. Des weiteren musste Levin Öztunali den Platz für Jean-Luc Dompé freimachen, weshalb Königsdörffer auf den rechten Flügel ausweichte. Hinzu kommt, dass Bobby Glatzel in der Nacht erkrankte, weshalb schon vor dem Spiel klar war, dass er im Laufe der 90+ Minuten ausgewechselt werden muss. Nicht die besten Vorzeichen, aber mit ausreichend Qualität um in diesem Spiel als Favorit aufzulaufen.
Und der HSV war auch sofort drin im Spiel mit einer ersten Chance schon nach weniger als 40 Sekunden. Imponiert hat dabei besonders eins: Der Abschluss wurde von ganz hinten herausgespielt und das mit den Baumgartschen Prinzipien am Ball, die zuletzt häufig nicht mutig ausgespielt wurden oder in der Staffelung und Dynamik nicht ausspielbar waren. Muheim spielt tief auf Poręba, der auf Schonlau klatschen lässt. Dieser spielt wieder tief auf Dompé, der Pherai den Ball in den Lauf spielen kann. Pherai bindet in der Ballführung 3 Spieler und kann damit wiederum Dompé auf dem Flügel schicken. Aus diesem dynamischen Zickzack-Spiel entsteht eine Flanke die Königsdörffer am langen Pfosten erreicht, welcher mit seinem schwächeren linken Fuß abschließen kann. Ein Start der Hoffnung auf mehr machte. Und dennoch folgte dieser ersten Aktion ein zunächst fahriges Spiel.
Braunschweig spielte wenig überraschend über ihr schnelles Umschaltspiel aus dem 5-2-3/5-3-2 heraus. Dabei wurde häufig durch das tiefere Fallen einer falschen 9 in den 10er-Raum versucht Bälle in die Tiefe zu bekommen, um über die Ablage in die Umschaltbewegung zu kommen. Wie später beschrieben, hat das gegen das Hamburger Angriffspressing auch mehrmals funktioniert. Gegen den Ball agierten sie aus der gleichen Grundanordnung, wobei die Schienenverteidiger situationsbedingt vorverteidigten und ein Innenverteidiger in den 10er-Raum hineinverteidigte. So auch in der Szene vor dem 0:1.
Der HSV spielte mit dem Ball aus einer 3-2-2-3 Struktur heraus. Schonlau orientierte sich im 3-2 Aufbau zentral und Hadžikadunić rechts, während Poręba meistens ballnaher im zentralen Zwischenraum etwas höher positioniert war. Muheim gelang es aus dem linken Halbraum das Spiel immer wieder mit flachen Bällen ins Zentrum zu öffnen. So gut diese Aktionen waren, so unsauber dann aber auch teilweise die Fortsetzung. Entweder wurde die Vernetzung fürs Klatschen und weiterspielen nicht gefunden, wodurch auch z.T. Ballverluste und Konterchancen entstanden. Oder der Ball wurde wieder in die Breite verschleppt, wodurch jegliches Tempo und dynamisches öffnen von Räumen verloren ging. Zum Verhängnis wurde der Mannschaft auch hier wieder die Staffelung, wodurch die Optionen fürs dynamische Weiterspielen nicht immer gegeben waren. Des Weiteren war auch die Körperstellung und Orientierung sowie das Scanverhalten nicht immer ideal.
Das 0:1 fällt wieder durch eine flach diagonale Hereingabe von Muheim, die von Glatzel zunächst mit dem Rücken zum Tor abgeschirmt und auf den nachrückenden Meffert weitergespielt wird. In dieser Dynamik wird Glatzels Gegenspieler, Nikolaou aus der Abwehrkette gezogen, die bei tiefem Verteidigen meist aus 5 Spielern bestand. Nun waren es aber zunächst nur 4, weshalb Königsdörffer rechts am langen Pfosten für Muheim anspielbar wurde. Ransi lässt den langen Ball gut in den Rückraum der Braunschweiger Abwehr klatschen, wo Pherai ihn abholt und in der Drehung auf Poręba passt, der wiederum Glatzel im, durch Donkor, aufgehobenen Abseits findet.
Nach der Führung übernimmt der HSV immer mehr die Kontrolle. Dabei erlaubt man es sich auch mehr aus dem tiefen Aufbau ein geduldiges Kurzpassspiel aufzuziehen, um die Braunschweiger zu locken (die dies auch zuließen und dadurch die zentrale Kompaktheit verloren) und dann dynamisch in die Tiefe spielen zu können. So zum Beispiel auch kurz nach der Führung, wo Raab den Ball flach zu Schonlau an den linken Strafraumrand passt, der mit Meffert ins Spielen-und-Gehen kommt und Reis dann im 10er-Raum im Rücken des Braunschweiger Angriffspressing frei anspielen kann.
Das 0:2 fällt folgerichtig, weil die Braunschweiger es nach einer eigenen Chance versäumen adäquat ins Rückzugverhalten zu kommen. So kann Poręba den Ball auf Reis zwischen den Braunschweiger Linien spielen, der nun frei auf die Abwehrkette zuläuft und letztlich den rechts außen freien Königsdörffer findet. Die Hereingabe für Glatzel im Zentrum direkt zwischen Abwehrkette und Torwart ist perfekt. Und aus solchen Situationen mit dem dynamischen Spiel durch das Zentrum machen Flanken auch wieder Sinn.
Dieser Ansatz lässt sich auch nochmal über die Passmap von @BeGriffis auf @BuLiAnalytics bestätigen. Hier sind besonders die Passkombinationen zu erkennen, die von Schonlau ausgehen, über Muheim ins Zentrum gespielt und dann auf Reis im rechten Halbfeld verlagert werden. Auch Königsdörffer macht hier seine Sache sehr gut, wenn er rechts außen frei in den Tiefenlauf geschickt werden konnte. Zugleich schaffte er es bei tieferstehenden Braunschweigern mehrmals in den Austausch mit Pherai und auch Reis im Halbfeld zu kommen, die ihn dann hinter die Kette schickten. Seine Hereingaben könnten dabei aber zum Teil klarer sein. Somit hätte man auch schon 15 Minuten vor der Halbzeitpause mit 1-2 Toren mehr führen können. Und so konnte man in diesem Spiel, anders als gegen Kiel (wo es null waren), auch wieder 7 linienbrechende (Smart) Pässe verzeichnen, was 3 über dem eigenen Saisondurchschnitt pro Spiel liegt.
Gegen den Ball gab es wiederum eine kleine Anpassung wegen langen Bällen des Gegners. Im Angriffspressing wurde aus einem 4213/4231 agiert. Dabei markierte Pherai hinter Glatzel den tiefen 6er, wobei die zwei ein paar mal auch die Rollen tauschten. Dompé und Königsdörffer liefen zudem in der ersten Pressinglinie mit an und Poręba positionierte sich tiefer neben Meffert. So zwang man die Braunschweiger in ihrem Aufbau gerne nach außen, von wo tiefe Bälle als einziger Weg bliebe, die besonders Hadžikadunić immer wieder sehr stark wegverteidigt hat. So auch in folgender Szene.
Und auch die tiefere Positionierung von Poręba macht hier viel Sinn, weil man dadurch mehr Personal gegen dieses schnelle Überbrücken des Mittelfelds von Braunschweig hat. Und dennoch funktioniert es einige Male nicht. So zum Beispiel in der 13. Minute, wo der Ball vom äußeren Innenverteidiger nicht tief gespielt wird, sondern auf die tieferkommende Schiene, Donkor, links außen. Dieser findet wiederum Gomez zwischen der Hamburger Abwehrkette und den 6ern, wodurch er zwischen den Linien aufdrehen kann.
Ähnlich passiert es auch wieder in der 20. Minute, wo ebenfalls über die linke Schiene Donkor aufgebaut wird, um in der Folgeaktion den Ball diagonal ins tiefe Zentrum zu spielen, wo wieder Gomez zwischen den Linien anspielbar ist, den Ball gegen Muheim behauptet und ihn auf den rechten Flügel weiterleitet. Beide Szenen wurden letztlich noch gut im eigenen Strafraum wegverteidigt, aber es zeigt gewisse Probleme auf in der Vorverteidigung, beim Übergeben und in der Positionierung der zwei 6er. Und auch die Abwehrkette stand hier häufiger zu tief, besonders in den ersten 20 Minuten, wodurch der Abstand zwischen 6ern und Abwehr sehr groß wurde.
Der HSV geht mit einer 0:2 Führung in die zweite Halbzeit, ohne das dies in der Höhe unverdient gewesen wäre. Nach den Einwechslungen zunächst von Németh, Okugawa und Jatta, entsteht sofort eine etwas andere Dynamik. Während Ransi zumindest situativ auch mal den Tiefenlauf im Halbraum suchte, wobei Pherai dann auf den Flügel kippte, nimmt Jatta noch klarer eine breite Positionierung ein. Okugawa orientierst sich anders als Dompé wiederum noch mehr in den linken Halbraum. Und so findet Pherai ihn auch in der Tiefe, Németh reißt mit seinem Lauf im Zentrum den gesamten 10er-Raum hinter sich auf und Poręba kann den Ball von dort leicht abgefälscht auf Jatta am langen Pfosten weitergeben. 0:3 und das Spiel ist zu diesem Zeitpunkt wohl schon entschieden. In der 84. Minute entstehen dann nochmal 2 klare Chancen. Die erste durch Németh, der nur den Torwart vor sich hat und den Ball mit viel Pech am Torwartvorbei an den Pfosten schießt. Kurz darauf erzielt Reis das 0:4 in altbekannter Manier aus der zweiten Reihe und gut platziert.
Und so entsteht nach diesem Spiel auch wieder etwas Hoffnung für die letzten 3 Spiele der Saison. Denn es scheint, dass die Mannschaft es nun langsam schafft die neuen Prinzipien nach dem Trainerwechsel umzusetzen. Besonders am Ball war das ein positiver Schritt, den es nun gilt, ausgerechnet gegen den Stadtrivalen zu bestätigen. Und somit ist es auch erstmal nur Hoffnung auf Kaution, ein erstes Zeichen von Leben. Kann man die Rhythmuswechsel auch gegen St. Pauli umsetzten, um aus der Dynamik in freie Räume einzudringen oder agiert man wieder sehr statisch und spielt dadurch eine große Anzahl von ungefährlichen Flanken aus dem U heraus? Aber selbst wenn es nun so weiter geht, hat es am Ende vielleicht 1-2 Spiele zu lange gedauert sich neu einzugewöhnen. Denn damit ein Relegationsplatz vielleicht doch noch möglich wird, benötigt der HSV auch viel Schützenhilfe. Und dennoch wird jeder HSV-Fan bis zur letzten mathematischen Möglichkeit ein kleines wenig die Hoffnung bewahren. Und selbst wenn dies nicht klappen sollte, gilt es zumindest die Stadtteilvertreter nördlich vom Fischmarkt nicht mit Auswärtspunkten aus dem Volkspark in die 1. Bundesliga zu schicken. Und somit freuen wir uns, die einen mehr und die anderen weniger, auf das Stadtderby am kommenden Freitag Abend. In dem Sinne:
Nur der HSV!