Rautenball EM-Preview: Gruppe B

15.6, 18 Uhr Spanien – Kroatien in Berlin

15.6, 21 Uhr Italien – Albanien in Dortmund

19.6, 15 Uhr Kroatien – Albanien in Hamburg

20.6 21 Uhr Spanien – Italien in Gelsenkirchen

24.6, 21 Uhr Kroatien – Italien in Leipzig

24.6, 21 Uhr Albanien – Spanien in Düsseldorf

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Spanien

Spanien geht als Gewinner der Nations League 2023 und als Erstplatzierter ihrer Qualifikationsgruppe bei der EM 2024 an den Start. Bereits bei der Weltmeisterschaft in Katar zeigte sich Deutschlands damaliger Gruppengegner, als eine der wenigen Nationalmannschaften, die eine ballbesitzorientierte Spielweise pflegten. Diese Ausrichtung wird sich auch bei der EM 2024 fortsetzen. Dies spiegelt sich in ihrem hohen durchschnittlichen Ballbesitzwert in den EM-Qualifikationsgruppen wider. Darüber hinaus erzielten sie die drittmeisten Tore (3,1 pro Spiel) und ließen die achtgeringste Anzahl an Gegentoren zu (0,6 pro Spiel). Lediglich zwei ihrer letzten 10 Spiele endeten nicht mit einem Sieg, wobei es sich um Freundschaftsspiele handelte – eines gegen Kolumbien (0:1 verloren) und das andere gegen Brasilien (3:3 unentschieden). Angesichts der individuellen Qualität der spanischen Spieler zählen sie zu den Favoriten der EM. Doch wie sieht es taktisch auf dem Platz aus?

Kader & Formation

Trainer Luis de la Fuente steht vor vielen personellen Entscheidungen in den nächsten Tagen und Wochen, bei denen er die absolute Qual der Wahl hat. Der Kader weist in Breite und Qualität alles auf, was man für ein erfolgreiches Turnier braucht.

In der Grundstruktur bevorzugt de la Fuente ein 4-3-3-System. Die Qual der Wahl beginnt im Tor. Unai Simon (Athletic Bilbao) geht als Stammtorwart ins Turnier. Aber die Ersatzmänner David Raya (FC Arsenal) und Alex Remiro (Real Sociedad) hätten ebenfalls die Qualität für die Nummer 1.

In der Viererkette ist aktuell auch noch nicht alles zu 100 % klar. Rechts erwarte ich Dani Carvajal (Real Madrid). Alternativ wäre Routinier Jesus Navas (FC Sevilla). Links hat de la Fuente die Wahl zwischen Alejandro Grimaldo (Bayer Leverkusen) und Marc Cucurella (FC Chelsea). Zentral sollten sich wohl Robin Le Normand (Real Sociedad) und Aymeric Laporte (Al-Nassr) durchsetzen. Alternativen wären Nacho (Real Madrid) oder Daniel Vivian (Athletic Bilbao). Top-Talent Pau Cubarsi (FC Barcelona) wurde aus dem Kader gestrichen.

Zentral ist das Bild etwas klarer. Rodri (Manchester City) ist als wohl bester 6er der Welt gesetzt. Das gleiche gilt wahrscheinlich auch auf der linken 8er-Position für Fabian Ruiz (Paris St. Germain). Auf der rechten wird es wohl ein 50-50 zwischen Dani Olmo (RB Leipzig) oder Pedri (FC Barcelona) sein. Gavi (FC Barcelona) laboriert weiterhin an einer Knieverletzung. Hier hat das spanische Team aber eine unglaubliche Tiefe. Auf der Bank warten hier Martin Zubimendi und Mikel Merino (beide Real Sociedad) als Top-Spieler auf ihren Einsatz.

Im Sturm ist Kapitän Alvaro Morata (Atletico Madrid) alternativlos als klassische 9. Ein anderes Profil wäre Mikel Oyarzabal (Real Sociedad). Auf den Flügeln setzen die Spanier auf ihre Top-Talente. Links startet Nico Williams (Athletic Bilbao) und rechts der erst 16-jährige Lamine Yamal (FC Barcelona). Erste Alternative ist Ferran Torres (FC Barcelona).

Spiel mit Ball

Die Spanier definieren sich stark über ihren ballbesitzorientierten Ansatz. Das zeigt sich auch in den Statistiken: Mit durchschnittlich 73 % Ballbesitz erreichten die Spanier den Bestwert unter allen Qualifikationsteams.

Die Spanier halten auch im Ballbesitz an ihrer 4-3-3 Grundstruktur fest. In tiefen Zonen agiert die Viererkette sehr flach mit Rodri als Anker davor. Beide 8er und auch die Flügelspieler zeigen in diesen Szenen deutliche Abkipptendenzen. Das Ziel der Spanier ist hier klar definiert: Den Gegner locken und dann die Räume in der Zwischenlinie direkt attackieren.

Speziell über Rodri gelingt dies immer wieder, da er auch unter enormem Druck lösende Pässe spielen kann. Aus diesen Situationen heraus kommen die Spanier vor allem über ihre individuell starken Außenspieler immer wieder gut in die Umschaltbewegung und stellen den Gegner vor Probleme.

In höheren Zonen nutzen die Spanier ähnliche Prinzipien mit dem gleichen Ziel. Strukturell schiebt der ballnahe Außenverteidiger hoch in die Breite, während der ballferne tief bleibt, um mehr Absicherung im eigenen Aufbau zu haben. Das Spiel läuft weiterhin über den Drehpunkt Rodri.

Die Spanier überladen die Zentrale, um ihre Spieler in den Zwischenräumen ins Spiel zu bringen. Die Rotationen und Rochaden sind gut getimed, die Anschlussaktionen gut geplant, und die technischen Fähigkeiten aller Spieler sind auf einem hohen Niveau, was für dieses Spiel in engen Räumen immer wieder erforderlich ist.

Auch zeigt sich in höheren Zonen die Variabilität der Spanier. Es gibt eben nicht nur diese eine spielerische Idee, sondern verfügt man in den Abläufen über mehrere Automatismen, wobei alle zumindest eine gleiche Idee verfolgen: Den Gegner auch in tiefen Zonen aus ihrer Struktur ziehen.

Variante 1: Öffnen von Passspuren gegen Mannorientierungen. Wenn der Gegner auf ein Abkippen von Pedri reagiert, öffnet sich eine Passspur in den Halbraum auf Lamine Yamal. Die Spanier können durch ihre verstärkte offensive Präsenz, die durch das Vorschieben von Carvajal entsteht, ein 2-gegen-1 gegen den gegnerischen Außenverteidiger spielen oder das Spiel durch das Zentrum weiterführen. Hier kommt wieder Rodris Klasse zum Tragen, da er diese Pässe zentimetergenau liefern kann.

Variante 2: Klatsch-Spiel durch das Zentrum. Wenn Morata abkippt und dabei die gegnerische Kette auseinanderzieht, öffnet sich eine Spur in die Box für die Spanier. Spielt man dies sauber aus, kann Pedri nach dem Klatschen mit einem Kontakt Yamal in die Szene bringen.

Variante 3: Locken auf der einen Seite, um anschließend breit auf die ballferne Seite zu überladen. Dies wird gegen tiefe Gegner (wie Albanien) oft zum Einsatz kommen. Rodri steuert den Rhythmus als Quarterback. Der Ball wird erst in die Halbspur oder ganz auf die Schiene gespielt, der Gegner wird gelockt und dann wieder über Rodri horizontal verlagert. Je nach Staffelung und Struktur kann der Außenverteidiger entweder überlaufen oder der Flügelspieler kann aus dem Rücken des gegnerischen Außenverteidigers die Tiefe attackieren.

Diese Varianten zeigen, wie flexibel und gut abgestimmt die spanische Mannschaft unter Luis de la Fuente agiert. Die taktischen Anpassungen und die individuellen Qualitäten der Spieler ermöglichen es, verschiedene Angriffsmuster effektiv umzusetzen und die gegnerische Defensive vor große Herausforderungen zu stellen.

Die Spanier haben neben ihren attraktiven spielerischen Mitteln auch einfache Varianten im Repertoire. Wenn sie es schaffen, einfach auf der Schiene vertikal durchzuspielen, wird dies konsequent umgesetzt. Ein weiteres Markenzeichen der Spanier sind ihre vielen Hereingaben in den Strafraum und die enorme Präsenz in und um die Box. Hier pushen alle Spieler, außer Rodri und den beiden Innenverteidigern, tief in die gegnerische Hälfte. Es ist keine Seltenheit, dass die Spanier gegen tiefe Gegner ihr gesamtes Personal in die gegnerische Hälfte drücken.

Auch in anderen Situationen wird deutlich, dass die Flanke immer ein Mittel sein soll. Wenn Dani Carvajal tief angespielt wird, agiert der ballferne Flügelspieler (Williams) fast schon als zweiter Stürmer in der Box neben Alvaro Morata. Die Abläufe im Strafraum sind auch hier sehr gut abgestimmt.

Die Spiele gegen Andorra und Nordirland sind sicherlich kein Maßstab für das kommende Turnier, aber sie zeigten deutlich die Form und die Ideen der Spanier mit dem Ball.

Spiel gegen den Ball

Bleiben wir bei dem obigen Beispiel, welches das spanische Überladen des letzten Drittels zeigt. Die Probleme, die ein solcher Ansatz mit sich bringt, liegen auf der Hand. Man ist dem gegnerischen Umschaltspiel extrem ausgeliefert.

Durch das tiefe Vorstoßen vieler Spieler in die gegnerische Hälfte entstehen große Räume hinter der eigenen Abwehrkette. Das Risiko, dass bei einem Ballverlust schnelle Konter eingeleitet werden können, ist hoch. Da nur Rodri und die beiden Innenverteidiger zurückbleiben, ist die defensive Absicherung minimal. Gegnerische Mannschaften mit schnellen und technisch versierten Konterspielern könnten diese Schwäche ausnutzen.

Es liegt also auf der Hand, dass die Spanier in ihrem Spiel einen hohen Fokus auf ein direktes und aggressives Gegenpressing legen. Aber auch generell ist ihr Defensivansatz ein mutiger, aber durchaus gut durchdachter Plan.

Die Spanier agieren unter de la Fuentes meist in einem hohen Angriffspressing. Strukturell passen sie sich hier oft dem Gegner an. Dies resultiert jedoch häufig in einem 2-4-1-3 oder 2-5-1-2.

Morata ist in diesen Angriffspressingszenen der Auslöser. Durch sein diagonales Anlaufen trennt er das Spielfeld und zwingt das Spiel des Gegners in die Breite.

Es spielt keine Rolle, ob Morata den Innenverteidiger oder den Torwart anläuft. Er wählt sein Anlaufen so geschickt, dass er durch seinen Deckungsschatten situative Unterzahlen mit dem Torwart egalisieren kann.

Der Pass in die Breite ist letztendlich der Pressingtrigger für die Spanier. Hier laufen sie hervorragend zu und setzen den Gegner fast ohne Optionen unter Druck. Die Abstimmungen in den Mannschaftsteilen sind extrem gut, sodass die Spanier eine Vielzahl von hohen Ballgewinnen erzielen. Diese Ballnähe bei Ballgewinn ist auch gleichzeitig wieder ein Vorteil für den Gegenstoß.

Aus tieferen Zonen wirken die Spanier allerdings nicht immer zu 100 % gefestigt und kompakt. Strukturell agieren sie hier in einem mannorientierten 4-4-2, das sich allerdings den gleichen Prinzipien bedient. Die Spanier möchten auch hier lieber das gegnerische Spiel über die Breite lenken.

Die Mannorientierungen und das nicht immer saubere Übergeben des Gegenspielers reißen jedoch Lücken in die spanische Kompaktheit, vor allem wenn die Spanier in erster Linie eine Gleichzahl herstellen wollen. Agieren Pedri und Williams nicht tief, öffnen sich die Taschen von Fabian und Rodri. Lassen sich diese zusätzlich noch durch Mannorientierungen aus ihren Zonen herausziehen, werden die Lücken im spanischen Verbund noch größer. Das Resultat ist, dass man durch andere (meist tiefere) Mannschaftsteile auffüllen muss, was blöderweise an einer anderen Zone Räume öffnet.

Der 4-4-2-Block ist nicht auf dem Niveau des Gegen- und Angriffspressings. Verfallen die Spanier in Passivität, dann sollte man als Gegner diese Chance nutzen.

Prognose

Die Spanier gefallen mit und ohne Ball. Das Team von Trainer de la Fuente hat vieles, was es braucht, um bei einer Europameisterschaft erfolgreich zu sein. Das Spiel mit Ball ist mehr als gut genug, um den albanischen Defensivblock zu knacken, und das Angriffspressing sollte vor allem die Italiener vor Probleme stellen. Entscheidend für den Turnierverlauf wird das erste Gruppenspiel gegen Kroatien sein. Schafft man es ab Tag 1, Dominanz auf den Platz zu bringen, werden sich viele Mannschaften vor den Spaniern fürchten müssen.

Spätestens ab dem Viertelfinale wird sich zeigen, wie reif und weit diese junge Mannschaft ist. Mit möglichen Duellen gegen Deutschland und England kann man beweisen, dass man vielleicht jetzt schon bereit ist für den Titel. Schafft man es, über diese Hürden ins Halbfinale zu kommen, dann sehe ich keinen Grund, warum die Spanier nach 2012 nicht wieder Europameister werden könnten.

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Kroatien

Mit Kroatien ist auch der zweite Finalist des Nations League Finales in Gruppe B gelandet. Die Kroaten zählen seit einigen Jahren zu den erfolgreichsten Fußballnationen Europas. Obwohl einige ihrer Weltstars mittlerweile ein höheres Alter erreicht haben und nicht mehr ganz auf ihrem Höchstniveau spielen, sollten sie auch in diesem EM-Turnier nicht unterschätzt werden. Defensiv waren sie mit nur 0,5 Gegentoren pro Spiel die drittstärkste Nation der EM-Qualifikation. Trotz eines durchschnittlichen Ballbesitzwertes von über 60 % fehlt es ihnen jedoch an Durchschlagskraft vor dem Tor. Obwohl sie den sechsthöchsten xG-Wert von 2,1 pro Spiel aufweisen, belegen sie bei den erzielten Toren nur den 24. Platz (1,6 pro Spiel). Aber wie setzen die Kroaten diese Statistiken spielerisch um?

Kader & Formation

Das Team von Zlatko Dalic hat wahrscheinlich die wenigsten Veränderungen unter allen teilnehmenden Teams durchgemacht. Noch immer sehen wir bei den Kroaten bekannte Namen, die uns schon durch so manches Turnier begleitet haben. Die Grundstruktur ist ein 4-3-3.

Im Tor steht Dominik Livakovic (Fenerbahce) als unangefochtener Stammkeeper. In der Innenverteidigung ist Josko Gvardiol (Manchester City) gesetzt. Daneben erwarte ich Josip Sutalo (Ajax Amsterdam). Auf den Außenverteidigerpositionen spielen bekannte Gesichter aus der Bundesliga. Links agiert Borna Sosa (Ajax Amsterdam) und rechts entweder Josip Stanisic (Bayer Leverkusen) oder Josip Juranovic (Union Berlin).

Das Mittelfeld ist die größte Konstante der Kroaten. Marcelo Brozovic (Al-Nassr), Luka Modric (Real Madrid) und Mateo Kovacic (Manchester City) sind aus dem Team nicht wegzudenken. Aber die neue Generation wartet schon. Gerade Martin Baturina (Dynamo Zagreb) ist eine interessante Personalie für die Zukunft.

In der Offensive geht es weiter mit (ex)-Bundesligaspielern. Auf der rechten Seite erwarte ich Lovro Maier (VfL Wolfsburg), im Sturm Andrej Kramaric (TSG Hoffenheim) und links Ivan Perisic (Hajduk Split). Luka Ivanusec (Feyenoord Rotterdam) ist eine interessante Personalie für die Position von Perisic, ansonsten fehlt es den Kroaten etwas an qualitativer Breite in der Offensive.

Spiel mit Ball

Trotz seiner Erfolge ist Zlatko Dalic sicherlich nicht der Trainer-Typ, der sich ständig neu erfindet und für Innovationen sorgt. Sein Ansatz ist eher pragmatisch, was jedoch nicht unbedingt negativ zu bewerten ist.

Generell gilt das Team von Dalic wohl als eines der am schwierigsten zu pressenden Teams im diesjährigen Turnier. Dies liegt einerseits an der hohen technischen Qualität des Mittelfeldtrios, aber auch an der Vielzahl an Spielern in tieferen Aufbauzonen.

Strukturell ordnen sich die ersten beiden Aufbaulinien als ein 2-2(4) an. Gvardiol und Sutalo fächern einigermaßen breit auf, wobei mindestens einer von ihnen Modric und Brozovic als diagonalen Drehpunkt in dieser Linie unterstützt. Je nach Breite der Innenverteidiger finden sich auch beide zentralen Mittelfeldspieler zwischen den Verteidigern.

Kovacic versucht eine Linie weiter immer als Pivot für Modric und Brozovic zu fungieren und verhält sich in der Breite ebenfalls zwischen diesen beiden. Zusätzlich zeigen auch die beiden Halbraumoffensiven, Perisic und Maier, enorme Tendenzen zum Abkippen. Dies gibt den Kroaten in ihrer eigenen Hälfte eine Vielzahl an Optionen.

Es entsteht über den gesamten Platz nun ein 2-4-3-1 mit geringen Abständen zu den Mitspielern. Die Durchbrüche gelingen den Kroaten dann meist mit einem diagonalen Ball auf die Schiene. Der Raum wird immer wieder aus der Zentrale, aber auch von den Außenverteidigern gesucht.

Kritikpunkte am Spiel der Kroaten sind wenige. Das Spiel ist stark auf ihre individuelle Klasse ausgelegt, die sie aber auch oft genug für sich nutzen können. Dennoch tun sich die Kroaten schwer, aufgrund der geringen Tiefe im eigenen Spiel, gute offensive Dynamiken zu entwickeln. Gerade im letzten Drittel wird das deutlich.

Auch sind die Körperpositionen der abkippenden Halbraumspieler nicht immer ideal für das Verlagern oder Klatschen in das Zentrum

Im Testspiel gegen das hochpressende Portugal, das sie mit 2:1 für sich entscheiden konnten, überraschte Dalic jedoch mit seiner Herangehensweise im eigenen Ballbesitzspiel. Brozovic kippte zwischen beide Innenverteidiger ab, während Kovacic neben Modric in der zweiten Aufbaulinie agierte.

Die Abkippbewegungen der Halbraumspieler waren weiterhin präsent (gegen Portugal spielte allerdings Kramaric auf der linken Seite und Budimir in der Spitze). Um diese erfolgreich für sich zu nutzen, gab es vom Außenverteidiger immer eine Gegenbewegung, um den gegnerischen Verteidiger in seiner tieferen Position zu binden. So fand Kroatien immer wieder einen freien Mitspieler im Halbraum. Auch zeigten sich beide Innenverteidiger mutig und dribbelten immer wieder gegen das Pressing der Portugiesen an. Es zeigt sich erneut, dass Kroatien durchaus Pressingresistent ist.

In höheren Zonen treten jedoch, wie bereits erwähnt, die Probleme im kroatischen Ballbesitzspiel zutage. In der Breite des Feldes bildet das Team von Dalic oft ein Rechteck, das jedoch durch die großen Abstände recht isoliert ist. Das hat natürlich Vor- und Nachteile. Der Nachteil liegt auf der Hand: Ein Kombinationsspiel mit anderen Mannschaftsteilen wird erschwert, aber das ist aus diesen Situationen auch gar nicht gewollt. Vielmehr soll die Isolation genutzt werden, um freie Räume durch Dribblings und Balltragen zu attackieren. Die bevorzugte Angriffsmethode ist die Raumattacke im Halbraum des Gegners.

Das Spielen durch die Zone 14 (das zentrale Drittel vor der gegnerischen Box) ist bei den Kroaten fast nicht vorhanden. Generell sind wirklich schöne spielerische Elemente im letzten Drittel eine Seltenheit. Wenn doch etwas gelingt, hat ziemlich sicher Luka Modric etwas damit zu tun. Auch mit 38 Jahren hat er noch eine hohe Qualität in diesen Situationen.

Das Durchbrechen auf der Schiene bleibt jedoch ein kroatisches Stilmittel, auch mit den einfachsten Varianten. Gelegentlich reicht das Abspielen und Einlaufen des Halbraum-/Flügelspielers, der in höheren Zonen viel breiter agiert als vorhin dargestellt, um in der Folge die Schiene für den Außenverteidiger zu öffnen.

Dieser sucht dann die Flanke. Das Personal wie Kramaric und Budimir könnte auch wegen solcher Szenen für die Kroaten Sinn ergeben.

Spiel gegen den Ball

Mit nur 0,5 Gegentoren pro Spiel in der Qualifikation können sich die Leistungen der kroatischen Defensive durchaus sehen lassen. Auch im Testspiel gegen Portugal zeigten sie eindrücklich, dass sie ein hart zu knackender Gegner sein können.

In der Formation zeigt sich Dalic erneut als durchaus anpassungsfähig. Die erste Linie des Gegners wird meist gespiegelt, während dahinter ein manngesteuerter Fokus auf das Zentrum herrscht.

Im Spiel gegen Portugal resultierte dies in einem 4-3-3, wobei Brozovic den Zwischenlinienraum besetzte und der Rest des Mittelfeldes eine Box formte. Das Anlaufen der Portugiesen war abwartend. Die kroatische Mannschaft hatte kein Problem damit, dem Gegner einen nutzlosen Ballbesitz zu überlassen und sich sogar weiter zurückzuziehen.

Hier entsteht dann die bekannte Tannenbaumstruktur. Kroatien steht in der eigenen Hälfte in ihrem Block vertikal und horizontal sehr kompakt. Auf den ersten Blick hat der Gegner nur wenige Optionen in der Breite des Spielfeldes.

Das defensive Engagement ist vorbildlich, und es scheint, als hätte man die Probleme der Passivität etwas in den Griff bekommen.

Wenn der Gegner den Ball in die Breite bringt, greift Kroatien dort aggressiv zu und schiebt extrem nach. Man möchte dem Gegner hier jede Option nehmen und verlagert die gesamte Struktur auf die Seite des Balls. Kroatien ist in diesen Aktionen oft in Überzahl und auch griffig in den Zweikämpfen.

Interessant ist auch, dass sich in diesen Szenen der kroatische Block fast vollständig auf einer Spielhälfte befindet. Schafft es der Gegner, sich hier spielerisch zu befreien und das Spiel zu verlagern, wird es unangenehm für die Kroaten.

Weitere Schwachpunkte der Kroaten zeigten sich beim höheren Anlaufen aus nicht immer idealen Strukturen gegen den Ball. Insbesondere bei lokalen zentralen Unterzahlen oder freien Spielern in der Zwischenlinie war dies auffällig. In solchen Situationen muss oft der Innenverteidiger herausrücken, was nicht immer optimal getimt ist. Zudem traten in der Qualifikation kleine Zuordnungsprobleme im eigenen Strafraum auf.

Prognose

Kroatien gehört zweifellos zu den Teams mit einer beeindruckenden Fähigkeit zur Kontrolle und Verwaltung des Spiels. Ihre mittlerweile anpassungsfähigen Strukturen machen sie äußerst schwer zu pressen. Auch in der Verteidigung stehen sie mehr als solide. Wie gegen Portugal gezeigt wurde, ist für Kroatien vieles möglich, insbesondere wenn der Spielverlauf zu ihren Gunsten verläuft. Nach einer Führung wird es äußerst schwierig sein, ein Spiel gegen Kroatien zu drehen. Umgekehrt gilt jedoch auch, dass die Kroaten selbst vor Herausforderungen stehen. Das Spiel im letzten Drittel scheint noch nicht stark genug zu sein, um jeden Gegner nachhaltig zu bedrohen. Insbesondere in der Offensive wird viel von individuellen Leistungen abhängen. Vielleicht schafft es Luka Modric ja ein letztes Mal zur Höchstform aufzulaufen.

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Italien

Der amtierende Europameister hat als Tabellenzweiter punktgleich mit der Ukraine nur knapp die Qualifikation für die EM 2024 geschafft. Zugleich wurde das Mittelfeld der Italiener geschwächt, da Wettsünder Sandro Tonali an der EM nicht teilnehmen kann. Trotzdem darf diese Fußballnation niemals abgeschrieben werden. Spielerlegende Alessandro Del Piero erklärte kürzlich, dass die Italiener trotz des Verpassens von Weltmeisterschaften, nominell nicht der besten Spieler und wenig überzeugender Leistungen in der Qualifikation, durchaus erfolgreich sein könnten, wenn die Spieler wie schon vor vier Jahren eine gute Chemie miteinander entwickeln. Ein wichtiger Faktor könnte auch die Rückkehr von Mittelstürmer Gianluca Scamacca in die Serie A sein. Denn nach einer erfolglosen Saison in der Premier League hat er bei Atalanta besonders in den letzten Wochen einige Tore erzielt. Doch welche Spielidee werden die Italiener bei dieser Europameisterschaft verfolgen?

Kader & Formation

Es herrscht Personalchaos bei der Squadra Azzurri. Ein Lazarett an Verletzten plagt das Team von Luciano Spalletti, sowohl in der Offensive als auch in der Defensive. Dementsprechend ist auch noch kein klares Bild erkennbar, wie Italien am ersten Spieltag gegen Albanien ins Rennen gehen wird. Neben den Personalfragen steht auch die Frage nach dem System. Spalletti brachte gegen die Türkei eine Viererkette auf das Feld, aber ich würde dennoch eher mit dem bekannten 3-4-2-1-System rechnen.

Im Tor ist das Bild jedoch klar. Gianluigi Donnarumma (Paris Saint-Germain) ist die klare Nummer 1. Gesetzt sollten auch Alessandro Bastoni und Federico Di Marco (beide Inter Mailand) sein. Bei den restlichen Verteidigern fehlen große Namen wie Giorgio Scalvini (Atalanta Bergamo), Francesco Acerbi (Inter Mailand) und Destiny Udogie (Tottenham Hotspurs). Zentral sollte auch Alessandro Buongiorno (FC Turin) gesetzt sein. Auf der rechten Seite könnte entweder der etablierte Rechtsverteidiger Giovanni Di Lorenzo (SSC Neapel) zum Einsatz kommen, Matteo Darmian (Inter Mailand) oder Riccardo Calafiori (FC Bologna). Als Alternative für Di Lorenzo wäre wohl Raoul Bellanova (FC Turin) erste Wahl.

Zentral gibt es Fragezeichen neben Jorginho (FC Arsenal), da Nicolo Barella (Inter Mailand) weiterhin an einer Verletzung laboriert. Bryan Cristante (AS Rom) ist wohl die wahrscheinlichste Option.

Auf der zentralen offensiven Position fällt auch Nicolo Zaniolo (Aston Villa) aus. Es scheint, als würde Davide Frattesi (Inter Mailand) ihn vertreten. Auf der linken Seite agiert Federico Chiesa (Juventus Turin).

Im Sturm lichtet sich die Personalsituation etwas. Hier hat Spalletti mit Gianluca Scamacca (Atalanta Bergamo) und Mateo Retegui (Genua) zwei klassische Optionen als Neuner. Ein anderer Spielertyp wäre alternativ Giacomo Raspadori (SSC Neapel).

Spiel mit dem Ball

Im letzten Test gegen Bosnien-Herzegowina konnte man sehen, dass den Italienern ihre kleine Personalnot durchaus zu schaffen macht. Für Barella wird es wohl eng, dafür stehen gegen Albanien aber Bastoni und Di Marco auf dem Platz. Das sollte Hoffnung machen.

Strukturell bleibt es mit Ball gleich zur Grundformation. Auch hier verlässt sich Spalletti auf sein 3-4-2-1. Die Innenverteidiger stehen breit aufgefächert über die Breite des Strafraums, und Jorginho und Barella agieren jeweils diagonal davor auf einer Höhe – aber nicht immer. Besonders Barella bringt eine unglaubliche Weiträumigkeit in sein Spiel und pendelt sowohl in der Höhe als auch in der Breite.

Die Außenverteidiger Di Marco und Di Lorenzo agieren in der Höhe ungefähr auf der zweiten Aufbaulinie. Eine Linie weiter agieren die Spieler in den Halbspuren, und Scamacca kippt aus der Zentrale in tiefere Zonen ab.

Der Gegner hat es meist relativ leicht, das Spiel auf eine Seite zu lenken, was allerdings für die Italiener durchaus von Vorteil sein kann. Fängt der Gegner an zu drücken, sieht man im italienischen Spiel verschiedene Muster ohne Ball. Di Lorenzo kippt entweder in den Aufbau herab oder schiebt weiter vor. In der Zentrale schiebt entweder Barella oder Frattesi in die Breite heraus, um eine lineare Anspielstation zu bieten.

Diese Bewegung in die Breite kann die Passspur auf den herabfallenden Scamacca öffnen.

Aus diesen Situationen kommen die Italiener in ihre Dynamiken. Di Lorenzo hat hier meistens drei Optionen. Alles abhängig vom Druck und Deckungsschatten des Gegners. Bei viel Druck und nahem Abstand bleibt immer der Rückpass oder das Spiel über Barella. Ist die diagonale Passpur zu, kann di Lorenzo der Linie entlang mit Frattesi spielen. Im Idealfall ist diagonale Spur offen und die Italiener finden einen gelösten Scamacca im Zwischenraum der entweder den Ball verarbeiten kann oder direkt klatschen lässt.

Kann Scamacca klatschen, sucht Spallettis Team in der Folgeaktion die Verlagerung auf die andere Seite.

Die gleichen Prinzipien nutzt Italien auch im letzten Drittel. Scamacca gilt auch hier wieder als absoluter Zielspieler und wird von Jorginho, Barella oder den Innenverteidigern gesucht. Parallel zieht der ballnahe Halbraumspieler in die Box, um die Schiene für das Klatschspiel zu öffnen.

Das Ziel der Italiener ist hier das permanente Eindringen in die Tiefe auf der Außenbahn, um danach aggressiv die Box zu attackieren.

Eine Alternative, um in diese Zonen zu kommen, ist das einfache Überlaufen der Außenverteidiger. Je nach gegnerischem Defensivblock schaffen es die Italiener hier immer wieder Überzahlen herzustellen.

Ansonsten glänzt das Spiel der Italiener mit Ball nicht immer. Die Statik kehrt sich durch viele Bewegungen in offene Räume zwar nicht oft ein, aber es resultiert für die Italiener oft in Ballbesitz in ungefährlichen Zonen. Auch ist die Entscheidungsfindung im Passspiel nicht immer ideal gewählt.

Die Präsenz von Di Marco und Bastoni könnte auf der linken Seite jedoch in manchen Situationen den Unterschied machen. Ihr Spiel bei Inter bringt Automatismen mit, die es ermöglichen, dass die Italiener Pressingmomente des Gegners gut auflösen können. Die linke Seite der Italiener ist dadurch viel dynamischer und unberechenbarer. Auch sind die Rotationen von Chiesa und Di Marco etwas, das Gegner, die sehr nah am Mann verteidigen, vor Probleme stellen könnte. Di Marco schiebt als Schienenspieler hier öfter ins Zentrum ein, um gewisse Situationen auflösen zu können.

Spiel gegen den Ball

Die Defensive des Spalletti-Teams ist alles andere als klassisch italienisch. Man verbarrikadiert sich nicht vor dem eigenen Tor, sondern läuft den Gegner hoch an.

Strukturell ändert Spalletti hier erneut wenig. Je nach Formation des Gegners läuft man in einem 3-4-3 oder 3-5-2 an. In der ersten Defensivlinie wird konsequent nachgeschoben. Allerdings haben die Italiener durchaus ihre Probleme mit ihrem Ansatz.

Das größte Problem sind wahrscheinlich die kollektiven Abstände. Dies konnte man auch im letzten Test gegen Bosnien beobachten. Gegen drei bosnische Innenverteidiger und zentrale Mittelfeldspieler fehlte es numerisch an einem Defensivspieler im italienischen Verbund. Behoben wurde dies mit einer zunächst tieferen Position von Frattesi.

Löst sich nun Frattesi von seinem Gegenspieler und schiebt neben Scamacca und Chiesa vor, dann entsteht in seinem Deckungsschatten ein durchaus großes Loch.

Die Abstände für ein Vorwärtsverteidigen für Darmian sind dann teils zu hoch, um direkt in die Aktion zu kommen. Auch Di Lorenzo steht je nach ursprünglicher Höhe vor einem kleinen Defensivdilemma. Hat Frattesi in seinem Anlauf gutes Timing und einen guten Winkel, dann kann er oft eine Verlagerung oder einen langen Ball erzwingen. Schafft er es jedoch nicht, bietet man dem Gegner hier durchaus gute Räume.

Speziell gegen Mannschaften, die gut mit ihrem Ballbesitz umgehen können, wird das wahrscheinlich zum Problem der Italiener.

Gleiches gilt auch, wenn der Gegner sich aus diesen Drucksituationen lösen kann und in ein Umschaltspiel kommt. Die Kompaktheit geht dann ziemlich schnell verloren, und man wird anfällig für Tiefenläufe des Gegners.

Es kommt hier wirklich brutal auf das Timing der Italiener an. Es wirkt nicht immer perfekt, sei es im Gegen- oder auch im Angriffspressing.

Prognose

Es ist ein wenig schade, dass die Italiener nicht mit ihrer gesamten Kaderqualität bei diesem Turnier dabei sein können. Eine Mannschaft mit Acerbi, Scalvini, Zaniolo und einem fitten Barella würde sicherlich für mehr Begeisterung sorgen. So viele Verletzungen aufzufangen, ist für jedes Team der Welt schwierig. Der Titelverteidiger wird sich wahrscheinlich gegen Kroatien und Spanien schwer tun. Dafür ist man offensiv zu eindimensional und defensiv zu lückenhaft. So wird wahrscheinlich das erste Duell entscheidend sein für das italienische Turnier. Mit ein wenig Glück im Turnierbaum könnte auch ein Viertelfinale drin sein. Für mehr wird es dieses Jahr wohl nicht reichen.

Albanien

Nach der erstmaligen Qualifikation bei der EM in Frankreich 2016 sind die Albaner zurück auf der großen Fußballbühne. Mit einer mehr als soliden Qualifikation ließen sie in Gruppe E Tschechien und Polen hinter sich. Ein Riesenerfolg des Teams unter der Leitung des brasilianischen Trainers und früheren Linksverteidigers von Barcelona, Sylvinho. Seine Mannschaft steht hauptsächlich für defensive Absicherung, die sie mit den drittwenigsten Gegentoren der Qualifikation auch beeindruckend umgesetzt haben. Mit nur einem halben Gegentor pro Spiel sind nur Frankreich und Portugal besser. Weniger bieten sie dafür in der Offensive, mit dem 42.-niedrigsten xG-Wert von 0,88 pro Spiel. Eine der größeren Offensivhoffnungen für die Zukunft könnte der 22-jährige Mittelstürmer Armando Broja sein. Die größte Rolle spielte er für seine Nation bis jetzt allerdings noch nicht. Aber welche Rolle könnte Albanien in dieser schweren EM-Gruppe überhaupt spielen?

Kader & Formation

Viele Unklarheiten gibt es bei den Albanern vor dem Turnierstart eigentlich nicht. Dennoch gibt es im Tor ein unklares Bild. Der eigentliche Kapitän Etrit Berisha (FC Empoli) saß im letzten Test gegen Aserbaidschan nur auf der Bank. Ich rechne also eher mit dem bewährten Torwart Thomas Strakosha (FC Brentford). Die Viererkette in Sylvinhos 4-2-3-1 System ist bis auf die Position neben Berat Djimsiti (Atalanta Bergamo) auch klar. Links startet Mario Mitaj (Lok. Moskau), rechts Elseid Hysaj (Lazio Rom) und die zweite Innenverteidigerposition geht wohl an Arlind Ajeti (CFR Cluj). Aber auch Ardian Ismajli (FC Empoli) wäre eine Option.

Auf der Doppel-6 ist Kristian Asllani (Inter Mailand) gesetzt. Das gleiche gilt für Ylber Ramadan (US Lecce). Auf der 10 scheint Nedim Bajrami (US Sassuolo) die Nase vorn zu haben. Shootingstar Ernst Muci (Besiktas Istanbul) scheint kein Thema für die Startelf zu sein.

Auf der rechten Außenbahn ist Jasir Asani (Gwangju FC) gesetzt. Links läuft es wohl auf Taulant Seferi (FC Baniyas) hinaus. Im Sturm spielt Topstar Armando Broja (FC Chelsea).

Spiel mit dem Ball

Albanien hat es nicht zur EM geschafft, weil sie Ballbesitz neu erfunden haben. Ganz im Gegenteil sogar. Es wirkt fast so, als wäre Ballbesitz nur ein unnötiges Risiko im Spiel der Albaner.

Trotzdem haben die Albaner natürlich Abläufe mit Ball. Aus ihrem 2-2(4)-Aufbau rutscht meistens Ramadan in die erste Aufbaulinie zurück. Asllani pendelt in der Folge in Höhe und Breite. Auch der Zehner Bajrami fällt in dieser Situation aus seiner Isolation im Zwischenraum eine Kette zurück. Strukturen für ein progressives Spiel nach vorne gibt es trotzdem nicht.

Vielmehr ist die Idee, dass man den Ball aus der zweiten Linie in gefährliche Zonen tragen kann, um dort in Umschaltbewegungen zu kommen. Wenn Asllani ohne Gegnerdruck empfangen kann (oder sich durchsetzen kann), dribbelt er diagonal über das Feld. Broja schiebt leicht zu, während Asani und Hysaj beide die Breite halten.

In diesen Situationen versucht Albanien nun, die Tiefe zu attackieren, sei es über einen simplen Steilpass auf den Flügelspieler oder auf den Außenverteidiger, der nach dem Einschieben des Flügels plötzlich Raum auf der Schiene hat. Albanien versucht, im Spiel mit Ball ihre größte Stärke einzubinden: Umschaltbewegungen.

Diese beherrschen sie nämlich ziemlich gut und sind hier für jeden Gegner eine Gefahr. Ansonsten ist die Offensive Albaniens eher schwach. Die bereits beschriebenen niedrigen Expected Goals-Werte stützen diese Analyse (7xG in 8 Spielen). In der Qualifikation hat man auch durch viele Fernschüsse gelebt. Nachhaltig ist das sicher nicht.

Spiel gegen den Ball

Man kann es sich schon denken, aber die Stärke Albaniens liegt in ihrer Defensive. Nur 4 Gegentore stehen nach der Qualifikation zu buche. Das kann sich durchaus sehen lassen.

Agieren tun die Albaner in einem 4-4-2-Block, der brutal auf ein Umschalten ausgelegt ist. Das Team, das in der Qualifikation fast ausschließlich in einem tiefen Block verteidigte, zeigte gegen Aserbaidschan und Liechtenstein, dass man es aber auch anders kann. Hier agierte man zwar aus ähnlichen Strukturen, aber mit einem viel offensiveren Anlaufverhalten. In dem 4-4-2 schiebt Bajrami neben Broja in die erste Linie. Je nach gegnerischer Struktur füllt der ballnahe Flügel in erster Linie auf. Asani und Seferi sind hier permanent am Pendeln. Gegen Viererketten ergeben sich sogar durchaus 4-2-4-Strukturen gegen den Ball.

Aserbaidschan und Armenien sind sicherlich kein Maßstab, aber dennoch ist es interessant zu sehen, dass Sylvinho vielleicht im Falle eines Rückstands noch einen Plan B parat hat.

Viel wahrscheinlicher ist es, dass Sylvinho gegen Kroatien, Spanien und Italien wieder auf das tiefe 4-4-2 zurückgreift. Die Abstände sind extrem eng gehalten, und es herrscht generell eine große Kompaktheit bei den Albanern.

In diesem 4-4-2-Konstrukt wird die Breite und Tiefe konsequent aufgefüllt. Schiebt zum Beispiel ein gegnerischer Flügelspieler weit heraus, dann kippt der albanische Außenspieler teils zurück bis in die letzte Kette. Generell suchen die Albaner in diesen Zonen die Ballgewinne zu erzielen und dann über ihre Personaldichte in die Umschaltbewegung zu kommen.

Ähnliches passiert auch, wenn der Außenverteidiger herausrücken muss. Im Fall der Fälle ist sofort jemand da, um in der letzten Linie aufzufüllen.

Probleme bekommen die Albaner meistens in Szenen, in denen der Block permanent bewegt und vor Entscheidungen gestellt wird. Auch bietet die 4-4-2-Struktur in höheren Zonen durchaus Chancen für 1-gegen-1-Situationen auf der Außenbahn.

Auch ist das defensive Hineinfallen in die letzte Linie durchaus fehleranfällig. Werden hier keine klaren Zuordnungen hergestellt oder schlecht übergeben, gibt es ebenfalls Chancen, auf der Schiene durchzubrechen.

Prognose

Sollten die Albaner tatsächlich ins Achtelfinale einziehen können, würde es mich nicht überraschen, wenn sie dies, über drei torlose Unentschieden schaffen sollten. Die Kernkompetenz dieser Mannschaft liegt in der Defensive und im Umschalten. Das Spiel mit dem Ball wird sie zumindest nicht über die Gruppenphase hinaustragen. Aber das ist egal. Gegen alle drei Gegner werden sie sich hinten reinstellen und auf ihre Chance im Umschaltmoment warten. Überraschungen sind mit diesen gut organisierten und umschaltenden Albanern durchaus möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich.

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