Rautenball EM-Preview: Gruppe C

16.6, 18 Uhr Slowenien – Dänemark in Stuttgart

16.6, 21 Uhr Serbien – England in Gelsenkirchen

20.6, 15 Uhr Slowenien – Serbien in München

20.6 18 Uhr Dänemark – England in Frankfurt

25.6, 21 Uhr England – Slowenien in Köln

25.6, 21 Uhr Dänemark – Serbien in München

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Slowenien

Dänemarks Gruppengegner aus der Qualifikationsrunde ist die zweite Nation dieser EM-Gruppe, die seit 2000 zum ersten Mal wieder bei einer EM dabei ist. Ihr Trainer Matjaž Kek leitet die Slowenen seit 2018 zum zweiten Mal und konnte sich schon 2010 mit seinem Land für die Weltmeisterschaft in Südafrika qualifizieren. Der größte Name dieser Mannschaft ist wahrscheinlich der Torwart Jan Oblak, aber aus deutscher Sicht wird auch Benjamin Sesko vielen bekannt sein. Eine besonders erfreuliche Nachricht im Vorfeld des Turniers ist, dass Altstar Josip Iličić nach zweijähriger Abstinenz aufgrund starker Depressionen, von denen er sich inzwischen erholt hat, in die Nationalmannschaft zurückkehrt und an der Europameisterschaft teilnehmen wird.

Kader & Formation

Matjaž Kek setzt bei seinen Slowenen auf ein simples 4-4-2-System. Im Tor spielt der wohl bekannteste Slowene, Jan Oblak (Atlético Madrid), der natürlich auch unangefochtener Stammtorwart ist.

Die Viererkette ist ebenfalls weitgehend festgelegt. Auf der Rechtsverteidigerposition startet Zan Karnicnik (NK Celje) und auf der linken Seite Erik Janža (Górnik Zabrze). In der Innenverteidigung ist Jaka Bijol (Udinese Calcio) gesetzt, daneben wird wahrscheinlich David Brekalo (Orlando City) spielen, aber auch Vanja Drkušić (FK Sochi) wäre eine mögliche Variante.

In der slowenischen Zentrale sollte es ebenfalls keine Überraschungen geben. Kek setzt hier voll auf Adam Gnezda Čerin (Panathinaikos Athen) und Timi Elsnik (Olimpija Ljubljana). Jon Stanković (Sturm Graz) ist nur als Reservist vorgesehen.

Dafür ist sein Teamkollege als Stammspieler zu erwarten. Tomi Horvat (Sturm Graz) kann auf beiden Seiten spielen, ich erwarte ihn aber eher auf der rechten Seite. Auf der linken Seite setzt Kek auf keinen etatmäßigen Flügelspieler, sondern auf den eigentlich als Stürmer agierenden Jan Mlakar (Pisa SC). Die Elf komplettieren Shootingstar Benjamin Šeško (RB Leipzig) und Andraž Šporar (Panathinaikos Athen).

Spiel mit dem Ball

Das flache, progressive Spiel mit dem Ball aus der letzten Kette heraus ist sicherlich nicht die Stärke und schon gar kein Markenzeichen der Slowenen. Vielmehr sind es die Umschaltmomente nach Ballgewinnen, in denen beide Stürmer immer wieder ein hohes Maß an Spielintelligenz zeigen und den Gegner vor Entscheidungen und schließlich auch vor Probleme stellen. Gegen Dänemark, Serbien und England wird man wohl versuchen, über diese Umschaltmomente zu kommen und nicht über das flache Herausspielen von hinten.

Dementsprechend ist es nicht verwunderlich, dass auch die Abläufe mit Ball eher rudimentär wirken und man oft zum einfachen langen Ball auf das Stürmerduo greift. Dennoch gibt es mit Ball immer wiederkehrende Strukturen. Die Zentrale agiert hier in zwei Mustern: Entweder kippt nur einer der beiden Spieler ab und der andere platziert sich leicht höhenversetzt daneben, oder es fallen sogar beide Spieler tief zurück. Auf ungefähr der gleichen Höhe positionieren sich auch die Außenverteidiger. Je nach Struktur des Gegners ist der Querpass auf die Schiene oft die erste Option der Slowenen.

Sind alle Optionen zugestellt, startet der zentrale Mittelfeldspieler oft mit einem progressiven Lauf in höhere Zonen. In diesen Szenen zeigt sich dann oft, dass es an der Abstimmung mangelt, da auf der Schiene situativ in den gleichen Raum hineingefallen wird.

Die bessere Variante ist das Einrücken oder die Halbraumattacke des Flügelspielers. Diese inversen Bewegungen öffnen dann die Schiene für den hochschiebenden Außenverteidiger.

In höheren Zonen versucht man, diese Umschaltstärke ein wenig zu simulieren. Der Flügelspieler agiert in diesen Szenen als Spielmacher und Rhythmusgeber. Er erhält zwischen Schiene und Halbraum den Ball. Parallel wird er permanent vom Außenverteidiger überlaufen. Er hat nun die Wahl, aufzudrehen oder vertikal entlang der Schiene weiterzuspielen. Sollte er sich für das eigene Aufdrehen entscheiden, folgt meist ein Tiefenlauf eines Stürmers oder des zentralen Mittelfeldspielers in die Zone zwischen Innenverteidiger und Außenverteidiger des Gegners. Diese Läufe sind zwar nicht immer gegeben, aber das Ziel ist es, bei beiden Möglichkeiten mit Tempo in die Tiefe des Spielfelds zu gelangen.

Die Variabilität des Sturmduos ist wahrscheinlich der größte Pluspunkt der Slowenen in ihrer Offensive. Besonders Benjamin Šeško fällt immer wieder positiv auf. Ihr Spiel umeinander herum ist nämlich extrem variabel. Sporar und Šeško sind häufig in Bewegung, sei es durch Abkippmomente, Tiefenläufe oder einfache Positionsrochaden.

Diese Bewegungen sind oft sehr gut abgestimmt. Kippt beispielsweise nur Sporar in einer Szene, in der die Slowenen nicht viel Druck auf den Ball haben, ab, ist Šeško sofort bereit, mit einem diagonalen Lauf die Box zu attackieren. Die Stürmer agieren in der Statik des letzten Drittels als absolute Zielspieler und sind überhaupt das einzige Quäntchen Kreativität auf dem Feld der Slowenen.

Neben ihrem Umschaltspiel sind auch lange Bälle eine einfache und risikofreie Option im Spiel der Slowenen. Sporar und Šeško schaffen es oft, diese Bälle gut zu verlängern oder festzumachen. Bei der EURO wird es jedoch notwendig sein, die gleiche Effizienz wie in der Qualifikation zu zeigen (20 Tore aus 13,5 xG). Das gilt auch für ihre Stärke bei Standardsituationen, aus denen sie in der Qualifikation sechs Tore erzielt haben.

Spiel gegen den Ball

In der Qualifikation waren die Slowenen nicht dafür bekannt, ein Team zu sein, das sich über aggressives Angriffspressing definiert. Vielmehr lauerten sie in einem tiefen 4-4-2 Block vor der eigenen Abwehr, um dann blitzschnell umzuschalten und zuzuschlagen.

Umso erstaunlicher war nun die Herangehensweise von Kek in den Testspielen vor dem Turnier. Man behielt zwar die gleiche Grundstruktur bei, verschob diese jedoch einige Zonen weiter nach vorne.

Es zeigte sich allerdings, dass dieser Plan nicht zu 100 % durchdacht war. Aufgrund der bulgarischen Struktur wandelte sich das 4-4-2 häufig in ein 4-3-3, um die Unterzahl in der ersten gegnerischen Aufbaulinie auszugleichen. Mlakar und Horvat pendelten hier aus verschiedenen Zonen – mal vom Außenverteidiger, mal eher aus der Zentrale – in die vorderste Linie hoch. Auch waren die Positionen von Sporar und Sesko nicht immer ideal aufeinander abgestimmt.

So ergaben sich situativ Probleme für die Slowenen im Spiel gegen den Ball. Die Abstände wurden teils viel zu groß, was im Endeffekt keinerlei Kompaktheit ermöglichte. Auch war das Timing im Anlaufen der letzten Linie nicht immer klar abgestimmt. Dadurch konnte es passieren, dass kurzzeitig sogar ein 4-2-4 entstand. Dies lag zwar auch an der Position der Außenverteidiger, aber dennoch war das Zentrum und die gesamte zweite Linie oft ziemlich allein gelassen. Die Bulgaren konnten hier teils problemlos das Pressing der Slowenen überwinden und scheiterten meist an sich selbst und nicht an der slowenischen Defensive.

Es zeigten sich in diesen Momenten des hohen Anlaufens auch deutliche Zuordnungsprobleme, wenn der Gegner entweder einen Raum überladen konnte oder man zu langsam auf Verlagerungen des Gegners reagierte. Im Raum zwischen Flügelspieler und Außenverteidiger konnten die Bulgaren durchaus frei aufdrehen, da Mlakar im Anlaufen gebunden war und Janza nicht aggressiv vorwärts verteidigte. In manchen Szenen wirkte das Übergeben mit Bijol durchaus harzig und sehr vorsichtig. Ein guter Gegner wird hier deutlich mehr Schaden anrichten können als noch die Bulgaren.

Eine weitere kleine Schwachstelle findet sich bei den Slowenen im Defensivumschalten. Sollte der Gegner hier etwas mutiger im Restangriff sein, bieten sich speziell die Räume hinter dem Außenverteidiger als designiertes Ziel im Umschalten an. Das hohe Durchlaufen ist oft fast gar nicht abgesichert, was die Räume für die Innenverteidiger sehr groß macht. Auch ist das slowenische Defensivkonstrukt nicht das individuell stärkste. Ein Spieler wie Bukayo Saka könnte hier in der Transition großen Schaden anrichten.

All diese kleinen Probleme sagen mir eigentlich, dass es für die Slowenen besser wäre, bei ihrem bewährten 4-4-2 Low Block zu bleiben. Dieses System hat sie schließlich erst in dieses Turnier gebracht. Es wäre also fast schon fahrlässig, es nun über den Haufen zu werfen, nur weil sie mutiger, aber nicht unbedingt besser spielen wollen.

In ihrem 4-4-2 legen die Slowenen großen Wert auf ihre Struktur. Mannorientierungen spielen vor allem in der Zentrale nur eine untergeordnete Rolle. Auf den Außenbahnen ist der Einfluss jedoch größer. Diese sind generell die Schwachstelle des slowenischen 4-4-2. Durch ihren raumorientierten Ansatz befinden sich oft nie mehr als zwei Verteidiger in der Nähe des Balls. Der Gegner kann hier also leicht Überzahlen herstellen. Zudem reagiert der slowenische Außenverteidiger oft direkt auf ein Einlaufen des Gegners, was die Schiene noch attraktiver für den Gegner machen könnte.

Wenn der Gegner einmal in solchen Situationen ist, wirken die Slowenen auch durchaus anfällig für diagonale Tiefenläufe an die Grundlinie.

Der slowenische Defensivblock ist trotzdem einer, der hart zu knacken ist. Das wurde eindrucksvoll im Test gegen Portugal gezeigt. Der Vorteil eines raumorientierten Verteidigens liegt darin, dass man weniger anfällig für Rotationen und Rochaden ist, dafür aber für ein Überladen von Zonen oder, wie im folgenden Beispiel, des Zwischenraums. Schafft es der Gegner, sich gut aus den Deckungsschatten der ersten Vierer-Defensivlinie zu lösen, gibt es hier Optionen, in diesen Druck hineinzuspielen. Durch diese Ballnähe steht der Block nun vor Entscheidungen: Attackieren, Abschluss verhindern oder das Spiel irgendwie verzögern? Das Kollektiv ist dann oft nur noch so stark wie seine schwächste individuelle Entscheidung und daher absolut anfällig für Fehler. Obwohl die Struktur der defensiven Viererkette oft gut gehalten und aufgefüllt wird, bieten sich dennoch in anderen Zonen Lücken im Verbund an.

Prognose

Wenn Kek bei der EURO auf ein etwas mutigeres Spiel gegen den Ball setzt, könnte das dazu führen, dass sich die Slowenen früh aus dem Turnier verabschieden müssen. Die Automatismen scheinen nicht stark genug für ein solches Turnier zu sein. Es wäre ratsam, sich auf ihre Stärken zu konzentrieren: das kollektive Verteidigen im 4-4-2 Low Block und das Umschalten über Spieler wie Sesko und Co. Es wird dennoch eine Herausforderung sein. Dänemark und England dürften eine Nummer zu groß sein, aber gegen die eindimensionalen Serben könnte etwas drin liegen. Ein Punkt gegen Dänemark könnte dann genügen, um das Achtelfinale zu erreichen.

Dänemark

Die EM-Qualifikationsgruppe der Dänen war sicherlich nicht die anspruchsvollste. Trotzdem wurden sie am Ende punktgleich mit Slowenien und somit nur knapp Erster. Interessanterweise befinden sich die beiden Nationen auch in der EM wieder in derselben Gruppe. Dänemark hat zwar nicht die allergrößten Weltstars in ihrer Mannschaft, dennoch besteht ein großer Kern aus qualitativ hochwertigen Spielern mit internationalem Format. Mit diesen Spielern setzen sie weniger auf individuelle Qualität und mehr, wie ihr Nationaltrainer Kasper Hjulmand zuletzt erklärte, auf eine starke Identität, definiert durch gegenseitiges Vertrauen, Zusammengehörigkeit und klare taktische Prinzipien, die auf diesen Werten aufbauen. Somit sollten die Dänen auch in diesem Turnier wieder taktisch interessanten Fußball bieten.

Kader & Formation

Kasper Hjulmand scheint sich noch nicht sicher zu sein, wie er die Dänen am 16. Juni ins Rennen schicken wird. Klar ist jedoch, dass es eine Fünferkette geben wird, unterstützt von zwei zentralen Mittelfeldspielern. Was in der Offensive passiert, wirkt aktuell noch völlig offen. Ob nominell zwei Zehner, zwei Flügelspieler oder zwei Stürmer zum Einsatz kommen, scheint bei Danish Dynamite alles möglich zu sein.

Fangen wir jedoch hinten an. Im Tor steht weiterhin Kasper Schmeichel (RSC Anderlecht). Der Union-Keeper Frederik Rønnow ist nur Ersatz, ebenso wie Leicester Citys Torhüter Mads Hermansen.

In der Innenverteidigung sind zwei von drei Plätzen vergeben. Rechts startet Joachim Andersen (Crystal Palace) und zentral Andreas Christensen (FC Barcelona). Für die linke Seite scheint Jannik Vestergaard (Leicester City) die Nase vor Simon Kjær (AC Mailand) zu haben.

Auf der rechten Außenbahn ist es wohl noch ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Joakim Mæhle (VfL Wolfsburg) und Alexander Bah (Benfica Lissabon). Links gibt es keine Diskussionen; hier ist Victor Kristiansen (FC Bologna) gesetzt.

Auf der Doppel-Sechs sollte es bei den Dänen ebenfalls keine Überraschungen geben. An Pierre-Emile Højbjerg (Tottenham Hotspur) und Morten Hjulmand (Sporting Lissabon) führt wohl kein Weg vorbei, obwohl die Dänen mit Christian Nørgaard und Mathias Jensen (beide FC Brentford) gute Alternativen auf der Bank haben.

Ab der nächsten Mannschaftsreihe wird es, wie gesagt, kompliziert. Also gehen wir die dänischen Optionen durch.

Bringt Hjulmand zwei Halbraumspieler, hat er wirklich die Qual der Wahl. Christian Eriksen (Manchester United) sollte aber als einer der Offensiven (entweder als Zehner oder halber/falscher Zehner) gesetzt sein. Neben Eriksen wird es dann spannend. Hjulmand hat hier Optionen wie Mikkel Damsgaard (FC Brentford), Andreas Skov Olsen (FC Brügge) oder Anders Dreyer (RSC Anderlecht). Im Sturm ist Rasmus Højlund (Manchester United) gesetzt. Daneben bewerben sich unter anderem Kasper Dolberg (RSC Anderlecht) und Jonas Wind (VfL Wolfsburg) um einen Platz in der Startelf.

Spiel mit dem Ball

Dänische Teams waren oft ein Paradebeispiel für taktisch disziplinierte und gut organisierte Mannschaften. Das trifft auch auf das Team von Hjulmand zu. Die Dänen spielen nach klaren Prinzipien Fußball, jeder Spieler hat feste Rollen und Aufgaben. Nur einer darf ein wenig machen, was er will: Christian Eriksen.

Das dänische Spiel mit dem Ball beginnt aus einer 3-2-1-2-2-Struktur heraus. Wie bereits angedeutet, ist Eriksen der absolute Freigeist dieses Teams. Er füllt ballnah auf, lässt sich fallen oder schafft Räume für Mitspieler.

Die größten positionellen Auswirkungen hat das Roaming von Eriksen auf das Spiel des zweiten Zehners, der Flügel oder der Stürmer. Dieser wird zentral nun viel mehr gebraucht, da die Breite ohnehin von den Flügelverteidigern besetzt wird, die extrem hoch reagieren. Skov Olsen, ein eigentlicher Flügelspieler, hat zwar auch seine Freiheiten, ein Pärchen auf Außen zu bilden, jedoch ist er in tiefen Aufbauphasen zunächst eher zentral zu finden.

Die dänische Disziplin zeigt sich vor allem im letzten Drittel des Gegners. Ihr Offensivspiel hat nämlich immer wieder dasselbe Ziel über dieselben Abläufe: Flanken in den Strafraum.

Die Dänen sind wirklich extrem konsequent darin, immer wieder dieselben Bilder zu kreieren. In Schiene und Halbraum wird ein Dreieck gebildet, um sich in eine Flankenposition zu kombinieren. Meist entstehen diese Dreiecke aus dem Flügelverteidiger, dem Zehner und dem zentralen Mittelfeldspieler. Höjlund findet man in diesen Dreiecken logischerweise nie, da er als Abnehmer für die Hereingaben bereit stehen soll. Dennoch kann auch er situativ auffüllen, um Drucksituationen aufzulösen. Die Dänen sind jedoch gut darin, in diese Höjlund-Dreiecke nachzuschieben, um ihm schnellstmöglich den Weg in die Box zu ermöglichen.

Auch das Spiel der Dänen in ihren Schienen-Dreiecken ist gut. Sie bringen durchaus Geduld mit und sind auch mit ihrem Flankenspiel sehr variabel. Die Flanke wird gesucht, egal ob man den Wingback in die Tiefe bekommt. Bei wenig Gegnerdruck wird auch die Flanke aus dem Halbraum heraus genommen.

Die Box wird besetzt vom weiteren Zehner und Höjbjerg. Situativ sticht auch der ballferne Schienenspieler dazu. Er attackiert die Box aber immer erst mit einem Tiefenlauf. Gleiches gilt für den weiteren zentralen Mittelfeldspieler. Dies hat Gründe im Spiel der Dänen. Es sollen nämlich, wenn möglich, die zweiten Bälle gewonnen werden, um direkt wieder in eine Flankensituation zu kommen. Auch hier spielt die Position der Flanke wenig Rolle, viel mehr möchte man dem Gegner sofort in seiner Gegenbewegung weh tun.

Der andere X-Faktor im Spiel der Dänen ist Eriksen. Auch wenn die Blüte seiner Karriere hinter ihm liegt, so kann er dennoch mit einer Aktion Spiele entscheiden. Presst der Gegner die Dänen hoch oder befinden sich die Dänen in einer Umschaltsituation, ist er der Mann, der aus dem Nichts in Sekunden extreme Gefahr erzeugen kann. Presst der Gegner nicht gut genug und lässt ihm die Chance sofort die Tiefe zu attackieren, dann wird er brutal zuschlagen. Höjlund und der Rest des Angriffs sind sofort bereit, hier blitzschnell zuzuschlagen.

Nicht zu vernachlässigen sind auch die Standards von Christian Eriksen. Die Dänen zeigen hier eine wahnsinnige Vielfalt an Varianten. Es würde mich nicht wundern, wenn die besten Abläufe bei Standardsituationen dieser EM aus Dänemark kommen.

Spiel gegen den Ball

Am stärksten sind die Dänen gegen den Ball in ihrem tiefen 5-4-1 oder 5-3-2 Block. Mit zunehmender Qualität des Gegners sollte dies unbedingt die bevorzugte Variante in der Defensive sein.

Die Struktur ist hier in den meisten Fällen abhängig von der Position von Skov Olsen, der zwischen den beiden Linien pendelt. Das 5-4-1 ist aber vor allem in tieferen Phasen die bevorzugte Option. Man lässt dem Gegner hier bewusst Freiheiten im Aufbau.

Die Dänen zeigen in diesen Phasen gute Kompaktheit und zeichnen sich dadurch aus, dass sie auf den Außenpositionen immer wieder Überzahlsituationen herstellen können. Die Dänen bilden hier eine Art Abwehr-Rechteck, um den Gegner vom Rest der Mannschaft abzuschneiden. Durch ihr geringes Engagement in der ersten Linie haben sie nun den Vorteil, hier relativ problemlos einen Spieler mehr als der Gegner in die Breite zu ziehen. Allerdings müssen sie darauf achten, dass das Loch zwischen dem Rechteck und der restlichen Verteidigung nicht zu groß wird.

Jedoch sind Phasen des Tiefen- oder Mittelfeldblocks eher die Ausnahme. Vielmehr zeigen sich Hjulmand und sein Team aggressiv im Spiel gegen den Ball. Dies geschieht aus einer Grundstruktur von 3-4-2-1. Ein Mittel der Dänen ist das Durchschieben bis in die letzte Linie. Höjlund startet als erster Gegenspieler und gibt das Pressing-Signal. Aus der zweiten Linie schieben dann Eriksen und Skov Olsen eine Linie weiter nach vorne. Es liegt nun an Höjbjerg und Hjulmand, die von Eriksen und Skov Olsen freigelassenen Spieler anzulaufen. Im Idealfall sind jedoch die Deckungsschatten und Anlaufwinkel so gut gewählt, dass dies im ersten Moment nicht erforderlich ist und sie weiterhin tief vor der Abwehr sitzen.

Müssen die zentralen Mittelfeldspieler dennoch eingreifen, ist es die Aufgabe der Innenverteidiger, die entstehenden Lücken zu füllen. Das konservativere Abwarten verwandelt sich dann schnell in ein Mann-gegen-Mann-Spiel über das gesamte Spielfeld.

Dieses Vorschieben erfolgt jedoch oft zu zögerlich. Es scheint, als wären die Dänen hier etwas zu vorsichtig. Insbesondere in Momenten des Gegenpressings wird dies deutlich. Wenn Maehle und Kristiansen in der letzten Linie stehen, fällt es Hjulmand und Höjbjerg manchmal schwer, ihre Absicherung zu verlassen und den Gegner anzulaufen.

Das Timing in der Abwehrkette ist ebenfalls nicht immer ideal. Die Höhe der Kette weist bei den Dänen dann gerne einmal einen Zick-Zack-Charakter auf.

Prognose

Die Dänen haben durchaus das Potenzial, bei der EM für eine Überraschung zu sorgen. Gegen tief stehende Gegner zeigen sie Geduld und bleiben stets an ihren eigenen Prinzipien und Abläufen orientiert. Zudem können sie hoch pressende Gegner mit einer genialen Szene von Eriksen in Bedrängnis bringen.

Entscheidend für den Erfolg von Danish Dynamite bei diesem Turnier ist jedoch der defensive Spielplan. Sollten sie sich gegen England oder auch in einem möglichen Achtelfinale gegen Deutschland für ein hohes Pressing entscheiden, könnten diese Teams ihre zögerlichen Abläufe gnadenlos bestrafen. Meiner Meinung nach wären die Dänen besser beraten, konservativer an die EM heranzugehen. Ihr Mittelfeldblock ist stark genug, um auch gegen starke Teams zu bestehen. Die Konstanz im hohen Pressing ist einfach nicht auf dem Level, das erforderlich ist, um erfolgreiche Tiefenläufe zu starten. Dennoch darf man Überraschungen gegen Slowenien keineswegs ausschließen.

Serbien

Es ist 24 Jahre her, dass sich die Serben zuletzt für die Europameisterschaft qualifiziert haben. Mit Dragan Stojković haben sie einen Trainer, der schon bei der EM 2000 als Spieler und Spielführer mit dabei war. Die Qualifikation schafften sie als Zweiter hinter Ungarn in einer der schwächeren Gruppen. Trotzdem darf diese Mannschaft nicht unterschätzt werden, denn sie hat einige Spieler von gutem bis sehr gutem Format. Besonders die Wucht im Sturm könnte ihren Gegnern im Strafraum Probleme bereiten. Ein Problem der Serben ist die fehlende Konstanz. In den letzten 10 Spielen haben sie 4 gewonnen, 5 verloren und 1 unentschieden gespielt. Aber wenn ihre Offensive erst einmal ins Rollen kommt, sollten sie eine gute Rolle in der Gruppe C spielen können.

Kader & Formation

Das Rätsel, das die serbische Nationalmannschaft aktuell beschäftigt, ist die Frage, ob Trainer Stojković einen oder zwei Stürmer bringen wird. Doch es gibt auch weitere kleine personelle Fragezeichen vor dem EM-Auftakt gegen die Three Lions.

Im Tor gibt es einen Zweikampf zwischen Predrag Rajković (RCD Mallorca) und Vanja Milinković-Savić (FC Turin). Djordje Petrović (FC Chelsea) scheint keine Rolle in Stojkovićs Überlegungen zu spielen.

In der Innenverteidigung sind zwei Posten fest besetzt: Strahinja Pavlović (RB Salzburg) und Nikola Milenković (AC Florenz) sind gesetzt. Auf der rechten Innenverteidigerposition ist es ein absolutes Ratespiel. Miloš Veljković (Werder Bremen), Srđan Babić (Spartak Moskau) und Nemanja Stojić (Bačka Topola) sind alle Kandidaten für die Startelf.

Auf den Außenbahnen sind die Serben mit ihrem Personal durchaus offensiv unterwegs. Links erwarte ich Filip Kostić (Juventus Turin) und rechts Andrija Živković (PAOK Saloniki). Eine defensivere Variante wäre Filip Mladenović (Panathinaikos Athen).

Zentral agiert Sergej Milinković-Savić (Al-Hilal) als Dreh- und Angelpunkt im Mittelfeld. Neben ihm sollten Saša Lukić (FC Fulham) und Ivan Ilić (FC Turin) in der Startelf stehen.

In der Offensive stellt sich nun die Frage: Bringt Stojković neben Stammstürmer Aleksandar Mitrović (Al-Hilal) einen zweiten Stürmer wie Dušan Vlahović (Juventus Turin) oder einen zweiten Zehner / falschen Flügel wie Dušan Tadić (Fenerbahçe)? Der hohe Flankenfokus spricht für Vlahović, allerdings ist Tadić Spielntelligenz eigentlich unverzichtbar.

Spiel mit dem Ball

Wie auch bei den Dänen, dreht sich im serbischen Fußball sehr viel um Flanken. Allerdings auf einem weitaus einfacheren Niveau. Die Szenen wirken nicht immer so gut vorbereitet wie bei den Dänen. Die Serben haben mit ihrem Spiel aber dennoch Erfolg, der sie schließlich bis in die Gruppe C geführt hat.

Sie bauen ihr Spiel aus einer 3-1(2)-Struktur auf. Einer aus Lukic und Ilic gibt den tieferen Part, der andere steht meist diagonal versetzt im Raum. Die eigentlichen Positionsspiele finden auf den Außenpositionen statt. Mit Dušan Tadić haben die Serben einen nominellen Flügelspieler auf dem Platz, der aber viel mehr als Zehner agiert. Er schiebt permanent in die Zentrale und vernachlässigt die Breite. Das hat den Vorteil, dass er mit dieser Bewegung die Seite für Živković öffnet. Gerade wenn Tadić ballfern agiert, hat Živković meist extrem viel Raum auf seiner Seite.

Sergej Milinković-Savić ist auf der linken Seite noch besser an Filip Kostić angebunden. Dieser kippt unterstützend oft heraus, um Kostić letztendlich über eine Überzahl in die Tiefe zu schicken.

Generell ist das Überladen des Halbraums ein immer wieder zu findendes Stilmittel der serbischen Mannschaft. Dies liegt auch an dem viel roamenden Tadić, den man in fast allen Zonen auf dem Platz finden kann. Das Ziel ist jedoch auch hier am Ende wieder, eine Flanke in die Box zu schlagen. Über Kombinationen suchen sie permanent die Tiefe. Die Serben haben allerdings auch kein Problem damit, aus Halbpositionen Flanken in die Box zu schlagen.

Kriegt man strukturell das 1-gegen-1 auf der Schiene, isolieren die Serben ihren Wingback. Speziell Kostić, auch wenn er nicht mehr auf dem Niveau ist, auf dem er einmal war, agiert hier als Flankenmonster, der unermüdlich auf der linken Schiene arbeitet und Zielspieler Mitrović in der Box sucht.

Ähnliches passiert auch im serbischen Umschaltspiel. Die Tiefe auf der Schiene ist auch hier der gewünschte angegriffene Raum, der natürlich am Ende in einer Flanke resultiert.

Auf eine gute Boxbesetzung zum Flankenzeitpunkt legen die Serben natürlich extrem viel Wert. Vor allem, wenn neben Mitrović auch noch Vlahović auf dem Platz steht. Sergej Milinković-Savić ist mit seinen 1,92 m ebenfalls ein “Matchup Nightmare”.

Diese körperliche Wucht nutzen die Serben auch bei ihren Standards. In der Qualifikation erzielten sie zwar nur drei Tore, dennoch wurde es bei serbischen Ecken und Freistößen immer wieder gefährlich.

Spiel gegen den Ball

Es wirkt bei dieser Europameisterschaft so, als würden manche Teams denken, dass Restverteidigung fast schon überbewertet ist, wenn man dafür genug Wucht in der eigenen Offensive entwickeln kann. Ein weiteres Team, welches seine Restverteidigung nicht pflegt oder gar vernachlässigt, sind die Serben.

Wie bei allen Teams, die offensiv so viel investieren, legen auch die Serben einen hohen Wert und Fokus auf ihr Gegenpressing. Allerdings ist es nicht so erfolgreich wie beispielsweise bei Deutschland. Pressingtrigger und Abläufe sind teils vogelwild. Es lässt sich leider nicht anders sagen.

Die Restverteidigung besteht oft nur aus den drei Innenverteidigern, die sich nun auch nicht unbedingt durch die Qualität auszeichnen, solche Tempogegenstöße effektiv zu verteidigen.

Leider ist das Spiel gegen den Ball auch sonst nicht wahnsinnig qualitativ hochwertig.

Serbien agiert gegen den Ball in einem hohen Pressing aus einer 3-4-3-Struktur heraus. Milinković-Savić und Tadić schieben bei einem 3er-Aufbau in die erste Linie neben Mitrović. Im Mittelfeld ist es oft eine nicht koordinierte Mischung aus Mann- und Zonenverteidigung. Können die Serben über den gesamten Platz Mann gegen Mann agieren und enge Räume schaffen, wirkt das Konstrukt gefestigt, griffig und auch äußerst aggressiv.

Dieser Eindruck löst sich jedoch bei gruppentaktischen Abläufen in Luft auf. Im letzten Testspiel gegen Schweden agierten die Serben mit zwei Stürmern, die permanent in erster Linie den Gegner attackierten. Aufgrund der teils flachen schwedischen Innenverteidiger füllte Milinković-Savić zwischen beiden Stürmern auf. Das serbische Defensiv-“X” zeigte sich immer wieder in ihrem hohen Anlaufen.

Wie mangelhaft ihre gruppentaktischen Abläufe im Übergeben und Anlaufen sind, stellten die Serben immer wieder unter Beweis.

Teils waren die Anlaufwinkel von Milinković-Savić so unglücklich gewählt, dass man seinen ersten Gegenspieler über einfaches Spielen über Dritte sofort in Szene setzen konnte. Auch ist das Übergeben an einen der zentralen Spieler alles andere als flüssig. Legt ein Gegner mehr Wert auf einen zentralen Mann, wird die Unterzahl permanent in Kauf genommen. Die Löcher, die in der Zentrale der Serben entstehen, sind teils riesig.

Es wird ebenso deutlich, dass die Serben personell dort auffüllen, wo gerade Defensivspieler benötigt werden. Schiebt Lukic durch, da der verlassene Gegenspieler von Milinković-Savić in einem Dreiermittelfeld eine unmittelbare Passoption darstellt, dann ist es nicht ungewöhnlich, dass auch ein Flügelverteidiger aus seiner Zone weiterschiebt und die Unterzahl ausgleicht. Dies geschieht jedoch auf Kosten der Raumverteidigung auf der Schiene, die dann komplett vernachlässigt wird.

Das Verhalten der Innenverteidiger ist leider auch nicht optimal. Antizipiert Pavlović in diesem Beispiel den linienbrechenden Pass auf die gegnerische Nummer 6, springt er teils viel zu früh und öffnet dem Gegner die Chance, die Tiefenverteidigung mit einem langen Ball komplett auszuhebeln. Die Entscheidungsfindung ist beim gesamten serbischen Team eine große Problemzone.

Experimente wie eine Viererkette mit 4 Innenverteidigern und fallenden Flügelspielern für eine Sechserkette wirkten auch nicht unbedingt sicherer. Die Räume, die Österreich vor allem in den Zwischenräumen der Zentrale Serbiens hatte, waren teils immens.

Prognose

Aus serbischer Sicht sind die Gruppengegner Dänemark und England nicht unbedingt ideal. Eriksen als tiefer Spielmacher und ein England, das über Kane immer gute Umschaltmomente generiert, wirken gegen diese löchrige Defensive wie ein absoluter Albtraum. Es müsste schon viel richtig laufen, damit die Serben aus beiden Spielen etwas Zählbares mitnehmen können. Im schlimmsten Fall könnten sie sich das komplette Torverhältnis versauen, sodass nicht einmal ein Sieg gegen Slowenien für ein Achtelfinale reichen würde.

Überraschungen sollten für die Serben nur drin liegen, wenn sie ihre Wucht mit Effizienz kombinieren. Die vor allem physische Wucht in ihrem Flankenspiel könnte ihnen vielleicht doch ein gutes Turnier bescheren. Aber Eindimensionalität und Probleme gegen den Ball waren wohl trotzdem noch nie ein Rezept für den Erfolg.

England

Die Engländer haben wohl einen der drei talentiertesten Kader der EM. Bestückt mit Weltstars und gleichzeitig mehreren jungen Talenten wie Kobbie Mainoo und Adam Wharton sollten sie sicherlich zu den Favoriten zählen, um Italien als Europameister abzulösen. Das größte Fragezeichen wird dabei sein, ob sie ihre individuelle Qualität auch durchschlagskräftig einsetzen können, um trotz oder gerade wegen des vielen Pragmatismus am Ende immer als Sieger vom Platz zu gehen. Als amtierender Vize-Europameister werden sie sich bestimmt große Hoffnungen machen. Auch ihr Nationaltrainer Gareth Southgate sieht die konstanten Leistungen der letzten 5-6 Jahre und die gesammelten Erfahrungen in K.-o.-Spielen als Vorzeichen dafür, dass seine Mannschaft einen psychologischen Durchbruch geschafft hat, damit England nach fast 60 Jahren mal wieder einen internationalen Wettbewerb gewinnen kann.

Kader & Formation

Gareth Southgate hat nach der 0:1-Niederlage gegen Island alle Hände voll zu tun. Das englische Boulevard läuft schon vor dem Turnier heiß, und ganz England fordert Veränderungen in der Startaufstellung. Southgate steht vor vielen Abwägungen, die durch die verletzungsbedingte Absenz von Luke Shaw (Manchester United) noch verschlimmert werden.

Fangen wir trotzdem im Tor an. Jordan Pickford (FC Everton) wird weiterhin das Tor für die Three Lions hüten. Die Innenverteidigung scheint nach dem Ausfall von Harry Maguire (Manchester United) ebenfalls gesetzt zu sein. John Stones (Manchester City) und Marc Guehi (Crystal Palace) scheinen Southgates erste Wahl zu sein.

Kommen wir nun zu dem aktuell größten englischen Problem: die Außenverteidiger-Flügelspieler-Paare. Im Test gegen Island probierte es Southgate mit Kyle Walker (Manchester City) auf der Rechtsverteidigerposition und Kieran Trippier (Newcastle United) auf der linken Seite. Davor agierte rechts Cole Palmer (FC Chelsea) und links Anthony Gordon (Newcastle United). Phil Foden (Manchester City) ersetzte Jude Bellingham.

Dieses Pairing ergibt für Gareth Southgate durchaus Sinn. Gordon agierte links mit dem eher tiefer und, wenn dann invers einrückenden, Trippier als Breitengeber. Das ist eine Rolle, die nicht ideal für Foden ist. Auf der rechten Seite agierte Palmer ähnlich wie der angeschlagene Bukayo Saka (FC Arsenal). Dieser pendelte immer wieder zwischen Breite und Halbraum, abhängig vom Hochschieben von Kyle Walker, der in Druckphasen der Engländer durchaus als Breitengeber agiert. Das Problem wird also deutlich, dass die Einbindung Fodens mit den Außenverteidigerprofilen schwierig wird. Foden braucht einen permanenten Breitengeber wie Luke Shaw, damit er seine Stärken im Halbraum ausspielen kann. Für den Turnierstart wird es aber eng für Shaw und vielleicht auch für Phil Foden.

Im zentralen Mittelfeld führt kein Weg an Declan Rice (FC Arsenal) vorbei. Die Frage nach seinem Nebenmann scheint nach dem Island-Spiel geklärt zu sein. Kobbie Mainoo (Manchester United) bekam gegen Island über 90 Minuten den Vorzug.

Und auf der 9 spielt selbstverständlich Harry Kane (Bayern München).

Spiel mit dem Ball

Das Spiel von Southgate definiert sich durch eine hohe personelle Wucht, viele Rotationen und sehr viel individuelle Klasse.

Auf dem Platz ergeben sich bei den Briten durchaus viele interessante Strukturen. Die einzige wirkliche Konstante auf dem Platz sind die Innenverteidiger und Declan Rice. Diese bilden im Aufbau fast immer das erste englische Dreieck. Situativ kippt auch der Achter Mainoo in diese Zonen.

Im Spiel gegen Island setzte Southgate vermehrt auf einen 3-1(2)-Aufbau, in dem ein Außenverteidiger in die letzte Kette fiel, um eine weitere horizontale Option zu schaffen. In den Qualifikationsspielen war es dann doch vermehrt der schon beschriebene 2-1(2)-Aufbau. Generell bringen die Außenverteidiger eine hohe positionelle Variabilität mit. Trippier pendelte oft zwischen letzter Linie und einer inversen Position, diagonal verschoben zu Declan Rice. Spielt Luke Shaw (blaue Linie), bringt dieser mehr eine vertikale Komponente in sein Spiel ein. Kyle Walker auf der anderen Seite bringt fast jede mögliche Positionsrotation in sein Spiel ein. Vom Abkippen in die letzte Linie, Hochschieben in die Breite oder inverses Einschieben ist alles in seinem Spiel zu sehen.

Speziell diese Paarbildung auf den Außen mit anschließendem Einschieben des Flügels und Überlaufen der Verteidiger wird von den Engländern immer wieder gesucht und genutzt. Oft mit Erfolg.

Auch Bellingham und Kane bringen diese Wechselbewegungen in ihr Spiel ein. Kane ist sowieso bekannt für sein Zurückfallen in tiefe Zonen, um als Spielmacher zu agieren. Das bietet Bellingham und der restlichen Offensive auch die Möglichkeit, diese Räume zu attackieren. Dass Bellingham für diese Rolle mehr als geeignet ist, hat er im letzten Jahr bei Real Madrid unter Beweis gestellt.

Je nach Block des Gegners findet dieses Wechselspiel auch horizontal statt. Man versucht aktiv, den Gegner auseinanderzuziehen und Räume zu öffnen.

Generell sind die Räume hinter der Kette, mögen sie auch noch so klein sein, das Ziel der Three Lions. Sei es entweder der Raum hinter dem Außenverteidiger oder auch eines Innenverteidigers, der einen Raum durch sein Verteidigen im Zwischenraum öffnet.

Es ist absolut kein Zufall, dass das Team von Gareth Southgate konstant über die gleichen Räume und Abläufe Gefahr erzeugt.

Speziell das Spiel durch das Zentrum zeigt immer wieder ähnliche Muster auf. Es startet fast immer mit einem eröffnenden Ball von Declan Rice. Sollte der Durchgang blockiert sein, haben die Engländer absolut kein Problem damit, direkt in den gegnerischen Abwehrblock hineinzuspielen.

Rice ist meist diagonal zu der Überladung im Zentrum oder Halbraum platziert und sucht einen aus Foden, Bellingham oder Kane. Gerade auf engem Raum ist diese hohe individuelle Klasse immer wieder schön anzusehen. Durch ihre Technik, Spielintelligenz und gute Positionierung zueinander bieten sich für die Three Lions hier oft Kombinationsmöglichkeiten auf engstem Raum. Meist schaffen sie es mit zwei oder drei Kontakten, einen Spieler in die Tiefe zu schicken und letztendlich auch erfolgreich zuzuschlagen.

Aber es zeigen sich auch gut die englischen Probleme, wenn sie eben nicht in Situationen kommen, in denen sie Tiefe oder Räume attackieren können. Im letzten Test wirkte es so, als könnte Southgate noch nicht beide Stärken auf den Platz bringen, solange Luke Shaw bei den Three Lions noch fehlt. Das Überladen ging über weite Strecken verloren, daran änderte auch ein hochgeschobener Trippier nichts. Das Spiel ist in solchen Phasen zu abhängig von den 1-gegen-1-Situationen auf den Seiten.

Es wird sich zeigen, wie Southgate dieses Problem zu lösen versucht. Das englische Boulevard berichtet aktuell, dass lediglich Trent Alexander-Arnold ins Team rücken sollte, allerdings auf die Position neben Rice. In diesem Konstrukt wäre auf den ersten Blick jedoch kein Platz für Phil Foden.

Spiel gegen den Ball

Wie qualitativ hochwertig das Spiel der Engländer gegen den Ball ist, zeigte vor einigen Tagen Taktikblog-Ikone Tobias Escher auf.

Es ist also zu erwarten, dass das englische Angriffspressing zu einem der besten des Turniers gehören wird. Wie sagt man so schön: “Defense wins Championships”. Es könnte dieses Jahr der Grundstein für den Erfolg einer englischen Mannschaft sein.

Die Three Lions agieren gegen den Ball aus einer 4-4-2-Grundstruktur heraus. Bellingham steht hier zunächst eine halbe Linie tiefer und orientiert sich am gegnerischen Sechser. Harry Kane ist dann als vorderster Spieler aktiv, der das Pressing steuert und das Spiel des Gegners in eine Richtung drückt.

Greift Bellingham in erster Linie mit an, dann nimmt er durch seinen Deckungsschatten die vertikale Option des Gegners direkt aus dem Spiel. Rice oder Mainoo reagieren ebenfalls auf den Laufweg und schieben eine Linie weiter vor.

Das Spiel der Engländer ist jedoch keinesfalls eine Pressingfalle in der Zentrale oder generell das gegnerische Spiel durch das Zentrum. Vielmehr möchten sie den Gegner durch Kanes Anlaufen auf eine Seite des Spielfeldes drücken. Kane wählt zwar nicht immer den perfekten Winkel und das Timing (vor allem beim Spiel über den Torwart hat England oft leichte Probleme, richtig in die Aktion zu kommen), aber das macht das Spiel der Three Lions nicht unbedingt viel schlechter.

Schafft es Kane, den Torwart und andere Innenverteidiger durch sein Anlaufen abzuschneiden, schieben die Engländer mannorientiert den gegnerischen Raum zu. Das Treiben auf die Schiene macht den Raum für den Gegner auch zunehmend enger und ein sauberes Spiel nach vorne dadurch viel schwerer. Ein weiterer Vorteil dieser Herangehensweise ist, dass Bellingham tief bei der gegnerischen Sechs bleiben kann, da Kane mehrere Spieler aus dem Spiel nimmt. England kann hier also ohne eine mögliche Unterzahl im Mittelfeld zu riskieren mannorientiert zuschieben und auf hohe Ballgewinne hoffen.

Findet das Anlaufen eher aus einer Vertikalen statt, droht den Three Lions nämlich genau das. Schiebt Bellingham in solchen Situationen vor, stehen die Engländer je nach Gegnerstruktur vor einer Unterzahl im Mittelfeld. Gefährliche Situationen des Gegners resultierten oft aus einem 3-gegen-2 in der Zentrale. Ebenfalls problematisch ist, dass in diesen Szenen oft neben Rice ein weiträumiger und gut abdeckender Defensivmittelfeldspieler fehlt. Mainoo ist da noch nicht auf dem Level, das es hier brauchen würde.

Bieten sich die Strukturen nicht für ein Pressing an, dann haben die Three Lions auch kein Problem, sich in ihrem 4-4-2 weiter zurückzuziehen. Man wartet hier geduldig ab und schiebt situativ wieder hoch, um den Gegner dann nach den gleichen Prinzipien in Fehler zu drängen.

Prognose

England ist aufgrund seiner Starpower auf dem Feld automatisch ein Titelanwärter. Aber der Weg zum Erfolg ist trotzdem nicht selbstverständlich. Speziell der Ausfall von Luke Shaw macht Southgate zu schaffen, vor allem offensiv. Es ist etwas unverständlich, dass Southgate hier nicht anders bei seiner Kaderzusammenstellung reagiert hat, wenn ein defensiver Breitengeber anscheinend so elementar für das Spiel der Briten ist. Aber auch ohne Shaw haben sie natürlich die Klasse, jeden Gegner dieses Turniers zu schlagen. Allerdings scheinen die Wahrscheinlichkeiten von Ausrutschern und offensiver Ideenlosigkeit sich deutlich zu erhöhen, wenn die Three Lions an ihrem System etwas ändern müssen. Schon gegen Italien vor 3 Jahren vercoachte sich Southgate mit seinem Defensivgameplan. Nicht unwahrscheinlich, dass er wieder die falschen Entscheidungen trifft. Bringt er aber Spiel für Spiel die Qualität auf das Feld, dann hat England alles, was es braucht, um sich im Juli als Europameister zu krönen.

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