Marco Richter
Die Leihgabe aus Mainz hat bereits beachtliche 176 Bundesliga-Einsätze absolviert. Nur Davie Selke (238) und Levin Öztunali (190) haben noch ein wenig mehr Erstliga-Erfahrung im deutschen Oberhaus. Der Durchbruch gelang ihm in Augsburg, wo er seit seinem 15. Lebensjahr in der Jugend spielte. Vorher wurde er beim FC Bayern München 8 Jahre ausgebildet.
97 Bundesliga-Einsätze (entsprechend 63,76 Spielen nach Einsatzzeit) und 24 Scorer später sah sich die Hertha aus Berlin dazu veranlasst Richter im Sommer 2021 für eine stattliche Ablöse in Höhe von 7,1 Millionen zu verpflichten. Dort war er rein scoringtechnisch sogar recht erfolgreich. In 59 Erstliga-Einsätzen (entsprechend 39,5 Spielen nach Einsatzzeit) gelangen ihm 18 Scorer was vom reinen Output eine durchaus vorzeigbare Bilanz ist.
„In den vergangenen Tagen hat sich sehr kurzfristig die Möglichkeit ergeben, Marco für uns zu gewinnen und eine Leihe zu realisieren. Marco ist ein variabel einsetzbarer Offensivspieler, der sich durch seine Zielstrebigkeit und seinen Zug zum Tor auszeichnet.“
HSV-Sportdirektor Claus Costa zur Richter-Leihe | Auf Leihbasis: Marco Richter wechselt zum HSV
Spielerisch wurde Richter aber nie so ganz glücklich in Berlin. Zu Beginn pendelte er noch häufig zwischen Startelf und Bank. Auch wenn er zum Ende seiner Hertha-Zeit deutlich häufiger in der Startelf stand, war mit dem Abstieg 2023 die Trennung zwischen Richter und der Hertha besiegelt.
Für ihn ging es nach Mainz. 3 Millionen Ablöse. War er unter Bo Svensson und Jan Siewert zumindest regelmäßiger Einwechselspieler (37% der möglichen Einsatzzeit in der Bundesliga), verschlechterte sich sein Teamstatus unter Bo Henriksen nochmal deutlich (4% der möglichen Einsatzzeit). Gerade mal 43 Minuten in 13 Ligaspielen durfte der 26-Jährige unter dem dänischen Cheftrainer noch auf dem Platz stehen. Ab da war klar, dass es für Richter eine neue Aufgabe geben musste.
Diese heißt jetzt HSV. Für 300.000 € Leihgebühr zog es den Offensivallrounder an die Elbe, zumindest mal für ein Jahr. Eine Kaufoption gibt es nicht, aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Spielerisch ist Richter ein offensiver Mittelfeldspieler, der sich im Zentrum und den Halbräumen meiner Meinung nach am wohlsten fühlt. Durch seine für einen Flügelspieler unterdurchschnittliche Dynamik ergibt eine zentralere Positionierung auch deutlich mehr Sinn. Richter zeichnet sich durch eine hohe Frequenz an Offensivaktionen aus. Sowohl im eigenen Abschluss als auch bei Flanken aus dem Spiel wird der 26-Jährige häufig auffällig. Dies kann dann leider auch zu häufigen Ungenauigkeiten und überhasteten Aktionen führen, ist jedoch auch der Grund, wieso Richter in seinen vergangenen Saisons immer sehr vernünftige Scorerwerte aufweisen konnte.
Zudem bekommt der HSV im gebürtigen Friedberger einen sehr vorbildlichen Arbeiter gegen den Ball. Auch das wird nicht zu unterschätzen sein, wenn in der zweiten Pressinglinie eines 4-1-3-2 die Dreierreihe mit Spielern besetzt ist, die intensiv gegen den Ball arbeiten können. Hier hatte der HSV bisher Spieler, die zwar eine gewisse Dynamik gegen den Ball mitbringen aber vielleicht nicht den nötigen Output liefern konnten. Dies hat Richter bisher über seine gesamte Karriere zeigen können.
Lucas Perrin
Rein vom Marktwert ist der 25-Jährige Franzose, zusammen mit Adam Karabec, der „Königstransfer“ des HSV. Und das auf der lange als Problem-Zone gesehenen Innenverteidiger-Position. Spätestens nach dem Witz-Urteil in der Causa Vušković war klar, dass es nochmal Verstärkung mit entsprechender Qualität brauchen würde. Und diese hat der HSV in Lucas Perrin meiner Meinung nach gefunden.
„Mit der Verpflichtung von Lucas haben wir uns auf der Innenverteidigerposition noch einmal entscheidend verstärkt. Das war eines unserer erklärten Ziele für die laufende Sommer-Transferperiode, in der wir auch die Entwicklung rund um Mario Vušković berücksichtigen mussten. Umso mehr freuen wir uns, dass wir mit Lucas einen erfahrenen Verteidiger für uns gewinnen konnten.“
HSV-Sportvorstand Stefan Kuntz zum Perrin-Transfer | HSV verpflichtet Lucas Perrin
Perrin ist ein unheimlich robuster Innenverteidiger. Sehr schwierig bei Körperkontakt aus der Balance zu bringen. Gut im Zweikampf, sowohl in der Luft als auch auf dem Boden. Solide Technik, kein „Hummels’sches“ Aufbauspiel aber seriöse und eben gute Arbeit auch mit dem Ball am Fuß.
„Lucas ist ein Innenverteidiger, der über ein hohes taktisches Spielverständnis verfügt. Seine Zweikampfstärke, Ruhe und das Passspiel runden sein Profil ab. Er ist im besten Fußballeralter und bringt bereits reichlich Erfahrung aus rund 100 Ligue-1-Spielen mit. Lucas kann uns sowohl defensiv stabilisieren als auch mit seinem klaren Aufbauspiel weiterhelfen.“
Claus Costa über die Stärken von Perrin | HSV verpflichtet Lucas Perrin | HSV.de
Was Perrin eben auch auszeichnet ist seine Ausstrahlung auf dem Platz. Selten verliert er die Übersicht oder die Kontrolle über eine Situation. Dies könnte ihm ihm den entscheidenden Vorteil gegenüber Dennis Hadžikadunić verschaffen, der spielerisch vielleicht noch einen Ticken stärker ist, aber ab und zu dazu tendiert unter Druck zu nervös zu werden.
Zuletzt hielt sich Perrin individuell fit, weil er mit öffentlichen Äußerungen gegen das Investoren-Multi-Owner-Konstrukt dem eigenen Verein negativ auffiel. Straßburg sortierte ihn aus, angeblich weil er mit 25 bereits zu alt für den Talentewahn war. Der HSV rief am 29.08. an, Perrin musste laut eigenen Aussagen nicht lange überlegen.
„Ich habe dem Präsidenten in Straßburg gesagt, dass ich etwas anderes sehen, etwas anderes erleben, mich weiterentwickeln und Neues lernen möchte. Als die Anfrage vom HSV kam, habe ich gefühlt keine 20 Minuten lang überlegt, denn das war genau das, was ich mir gewünscht hatte. Der HSV ist ein echter Traditionsverein, ich war absolut begeistert von der herausragenden Atmosphäre im Stadion. Und ich bin sehr glücklich und auch stolz, jetzt für den HSV zu spielen.“
Perrin über seinen Transfer | Perrin: „Ich liebe es, hart zu arbeiten“
Durch das individuelle Training hat Perrin noch ein paar Prozentpunkte bis zum optimalen Fitnesszustand aufzuholen, ist laut Steffen Baumgart jedoch bereits spielfit. Kann Perrin das abrufen, was er in Ligue 1 bereits gezeigt hat, wäre dem HSV nicht nur aufgrund des Marktwertes ein kleiner Königstransfer gelungen.
Emir Sahiti
Was lange währt, wird endlich gut. Was schon bei Daniel Elfadli (bisher) sehr gut funktionierte soll jetzt auch das Vorzeichen des neuen Flügelstürmer des HSV, Emir Sahiti, sein. Der Kroate kommt mit zwei Jahren Verzögerung in die Hansestadt und ist die gern gesehene Alternative im Flügelspiel des HSV. Neben Jean-Luc Dompé hatte der HSV bisher keinen weiteren Spieler, der auf dem Flügel im Alleingang auch mal ein 1vs1 hätte auflösen können. Bis jetzt.
„Emir ist ein sehr laufstarker Spieler, der in der Offensive auf beiden Flügelpositionen einsetzbar ist und unser Spiel dadurch noch variabler macht. Wir konnten ihn schnell für den HSV begeistern und freuen uns, dass wir final auch mit Hajduk Split eine sehr gute Lösung gefunden haben.“
Stefan Kuntz über Emir Sahiti | https://www.hsv.de/news/fix-emir-sahiti-wechselt-zum-hsv
Sahiti bringt dem HSV mehrere Möglichkeiten das eigene Spiel aufzuziehen. Am realistischsten scheint der offene Kampf um die linke Außenbahn zu sein: Dompé, Sahiti, Baldé. Der HSV hat über die Außen – vor allem, wenn Bakery Jatta bald in den Kader zurückkehren würde – eine brutale Qualität in der eigenen Dynamik. Dompé und Sahiti mit Ball, Baldé und Jatta ohne Ball, wenn sie freigespielt werden. Auch wenn Baldé gegen Preußen Münster bereits andeuten konnte, dass auch er aus einer statischen Position heraus den Gegner überwinden kann.
Rein aus der Historie auf welchen Positionen Sahiti in seiner Karriere viel eingesetzt wurde, wäre es auch denkbar, dass es die Möglichkeit gibt Dompé und Sahiti gleichzeitig auf den Platz zu schicken. Dagegen spricht ein wenig die bisherige Herangehensweise des HSV, der auf der rechten Schiene mit dem defensiven RV spielte und auf der linken Schiene mit dem linken Außenbahnspieler/off. Mittelfeldspieler. Sollte sich rein formationstechnisch nichts ändern sieht es nach einer sehr umkämpften linken offensiven Außenbahn aus und rein von den Profilen sehe ich für Sahiti die besten Startelf-Chancen.
„Er ist ein sehr mutiger Spieler, den vor allem seine hohe Aktivität und Energie auszeichnen. Neben seinen spielerischen Qualitäten zeigt er gegen den Ball eine große Bereitschaft. Es ist kein Geheimnis, dass wir Emir schon länger verfolgen und freuen uns umso mehr, dass er uns nun verstärkt.“
Claus Costa über Emir Sahiti | https://www.hsv.de/news/fix-emir-sahiti-wechselt-zum-hsv
Wie dem Zitat bereits zu entnehmen ist, bringt Sahiti neben seiner offensiven Dynamik, seinen Stärken im Dribbling und einer hohen Frequenz an Offensivaktionen eben auch eine starke Aktivität gegen den Ball mit. Etwas was Dompé (einfach nicht seine Stärke) und Baldé (noch zu wenig Erfahrung) abgeht. Es ist sicherlich kein Zufall, dass ausnahmslos jeder HSV-Neuzugang zumindest mal eine hohe Bereitschaft beim Arbeiten gegen den Ball mitbringt. Nicht jeder ist dadurch ein Defensiv-Spezialist. Aber den Neuzugang Dompé hätte es, da lehne ich mich mal trotz starker Offensiv-Qualitäten aus dem Fenster, so unter Baumgart nicht gegeben. Ein „Vorteil“ Sahitis wird sicherlich auch sein, dass Dompé momentan zudem auch nicht zu 100% fit ist und so duellieren sich beide quasi von Beginn an auf Augenhöhe. Gespannt kann man sein wie sich die Einsatzzeiten von Fabio Baldé durch den Sahiti-Transfer verändern werden. Von quasi keiner Konkurrenz durch die Verletzungen von Dompé und Jatta zu einer Situation, in der er auf den ersten Blick mit Dompé und Sahiti unüberwindbare Konkurrenten hat. Und da ist Bakery Jatta noch überhaupt nicht mitgedacht, wenn man auf dem rechten Flügel doch mal mit einem Offensivspieler auflaufen möchte.
Emir Sahiti bringt dem HSV mehr Qualität in der Spitze und Breite des Kaders. Steffen Baumgart steht für Zweitliga-Verhältnisse, bleiben Verletzungen in einem „normalen“ Rahmen, ein Kader zur Verfügung, der auf allen Positionen mindestens doppelt gut besetzt ist. Mit Glatzel, Dompé und Sahiti hat der HSV sicherlich drei Offensiv-Kräfte, die zur Spitze dieser Liga gehören können. Dass der HSV es geschafft hat, Sahiti für diese Saison noch zu verpflichten, eröffnet neue Möglichkeiten in der spielerischen Gestaltung, bietet Sicherheit bei Verletzungen und wird Gegner vor Probleme stellen, wenn in der 60. Minute ein Dompé/Sahiti/Jatta/Baldé eingewechselt wird und dann nochmal richtig Tempo ins Spiel kommt.
Fazit
Solch ein Fazit ist immer schwierig, weil es einem gerne schnell wieder auf die Füße fallen kann, aber mit Perrin und Sahiti könnten dem HSV zwei späte Volltreffer oder vielleicht auch Lucky Punches gelungen sein. Beide haben über einen längeren Zeitraum gezeigt, dass sie die Qualität haben, den HSV-Kader nochmal deutlich zu verstärken. Ob sie diese Qualität dann auch auf den Platz bringen können, wird sich zeigen aber für diese Art der Spieler hat sich das Warten definitiv gelohnt. Rein von dem, was man erwarten kann.
Bei Marco Richter handelt es sich dem Anschein nach um einen klassischen „Möglichkeits-Transfer“. Richter wollte mehr spielen, Kuntz hatte ihn noch auf dem Schirm, konnte ihn spielerisch und menschlich einschätzen. Beim HSV, habe ich das Gefühl, ist man vielleicht auch ein wenig unzufrieden mit Immanuel Pherai. Daher ging man das geringe Risiko ein, sich einen Spieler für ein Jahr zu sichern, der im Optimalfall seine Qualität direkt einbringen und starten kann oder, wenn nicht, zumindest Kaderbreite auf den Positionen von Pherai oder Karabec bietet. Ein überschaubares Risiko eben.
Jetzt steht der HSV-Kader, bis zum Winter erstmal. Die Vorzeichen sehen zunächst gut aus. Es gibt keine Position auf der es noch dringenden Handlungsbedarf gäbe und so darf sicherlich, nach sehr viel berechtigter Kritik, auch HSV-Sportdirektor Claus Costa ein kleines, vorzeitiges Lob ausgesprochen werden. Allein der Kader, von oben draufgeschaut, bietet keinen Platz für Ausreden. Jetzt ist es am Trainerteam und natürlich den Spielern selbst, dies auch in der Liga so umzusetzen.