Eigentlich sollte man mit dem Ausgang am Ende zufrieden sein: Ein Punktgewinn nach einem 0:2-Rückstand auf dem Betzenberg – das gelingt nicht jedem Team in dieser Liga, vor allem nicht gegen einen Gegner, der über weite Phasen des Spiels eine enorme Intensität gegen den Ball zeigte. Aber nachdem ich mich noch einmal intensiver mit dem Spiel auseinandergesetzt habe, fällt es mir schwer, mit dem Ergebnis zufrieden zu sein. Besonders die erste Hälfte bereitet mir Unbehagen. Doch woran lag es, dass der HSV seine Spielanteile kaum in etwas Zählbares umwandeln konnte?
Beim HSV gab es im Vergleich zur Elf gegen Regensburg keine Veränderungen, abgesehen vom Wechsel auf der Torwartposition. Lautern hingegen rotierte kräftig. Gyamerah kam für Touré ins Spiel, was sicherlich auch mit Baldés starker Leistung gegen Regensburg zu tun hatte. In der Zentrale agierten Kaloc und Ritter, die viel mehr Intensität gegen den Ball mitbrachten als Hanslik und Klement. Außerdem spielte auf der rechten Seite Tachie anstelle von Yokota. Man hätte also vermuten können, dass es dem FCK vor allem um defensive Stabilität ging.
Im Ballbesitz erkannte man beim HSV die inzwischen bekannten Strukturen: ein 3-2-Aufbau in einer 3-Box-3-Formation. Kaiserslautern setzte dagegen strukturell auf ein abwartendes 4-2-3-1.
Lauterns Doppelsechs orientierte sich an der Doppelzehn des HSV. Ritter pendelte zwischen Meffert und Elfadli und wurde dabei vor allem von Tachie aus einer Halbraumposition unterstützt. Opoku hingegen war relativ strikt damit beschäftigt, Hadzikadunić unter Druck zu setzen. Ache zeigte, wohin die Reise für den FCK in diesem Spiel gehen sollte: Man wartete ab und fokussierte sich eher auf das „Verhindern“ als auf das „Gewinnen“. Was meine ich damit? Ache ging selten in ein richtiges Pressing und nutzte stattdessen seinen Deckungsschatten, um die Zentrale des HSV abzuschirmen. Der FCK wollte sich nicht vom HSV locken lassen und stand zwar relativ hoch, ohne jedoch aggressiv anzulaufen.
Der HSV fand zwar speziell im Rücken von Tachie, wenn dieser auf Muheim vorschob, oft Räume, die er bespielen konnte, doch dahinter fehlten die Optionen, um ins Spiel mit Dynamik zu kommen. Dies lag auch daran, dass mit Tomiak und Kaloc zwei zusätzliche Spieler vor der Abwehr standen. Einfach ausgedrückt: Der HSV hatte immer noch sechs Gegenspieler in Rot vor sich und meist einen im Rücken, der oft gut in die Aktion kam. Lautern stellte in diesen Szenen ballnah 1-gegen-1 zu und schob mutig nach. So war es im oberen Beispiel situativ Kaloc, der auf den freien Meffert durchschob und Druck ausübte. Königsdörffer wurde dann in Kalocs Rücken von Elvedi problemlos aufgefangen. Der Druck auf den Ballführenden, sei es durch Ritter im Rücken oder durch einen der Sechser von vorne, in Kombination mit der Struktur des HSV, machte es schwer, ein dynamisches Spiel durch die gegnerische Hälfte aufzubauen. Häufig folgte der Rückpass in die erste Aufbaulinie.
Auf der anderen Seite, im HSV-Aufbau, zeigt sich ein anderes Bild. Sobald Hadzikadunić im Ballbesitz ist, wird er sofort und konstant von Opoku gepresst. Lautern will hier Fehler erzwingen oder den HSV-Innenverteidiger zu einem langen Ball zwingen. Im Rücken von Opoku laufen die gleichen Abläufe ab wie auch auf der linken Seite: Lautern stellt erneut 1-gegen-1 zu, und einer der Sechser schiebt auf Elfadli durch.
Ein Mittel, um solche Mannorientierungen zu knacken, sind Rochaden, wie sie Hefti und Richter des Öfteren auf der rechten Seite zeigten. Allerdings habe ich meine Probleme mit deren Ausführung. Das Timing wirkt nicht immer optimal, sodass Lautern relativ problemlos die Gegenspieler übergeben kann. Zudem beraubt sich der HSV in diesen Situationen seiner eigenen Passspuren. Wekesser steht häufig nicht breit genug, sondern enger als sein Gegenspieler. Die lineare Passspur von Hadzikadunić könnte so durch ein oder zwei Schritte des Gegenspielers geschlossen werden. Ein wenig mehr Mut zu zentraleren Positionen würde dem HSV hier gut tun, da mit der richtigen Bewegung des anderen Zehners (Königsdörffer) ein einfaches Klatschen auf einen dritten Spieler möglich wäre. Dasselbe gilt auch für Elfadli. Doch der HSV schafft es zu selten, diese Möglichkeiten zu nutzen; fast immer greift Hadzikadunić zum langen Ball. Der Offensivoutput ist somit zumindest teilweise Zufallsprodukt.
Ähnliche Probleme zeigten sich auch schon gegen Regensburg, wo Richter oft in die hohe Breite schob, während Hefti in tiefere Zonen abkippte. Diese Breitenbewegung macht nur Sinn, wenn ein anderer Spieler diesen Raum attackiert, was im HSV-Spiel in den vergangenen zwei Partien jedoch etwas zu wünschen übrig ließ.
Die Positionierungsprobleme in Höhe und Breite zogen sich allerdings über mehrere Spielphasen hinweg. Mit einem abkippenden Meffert macht man es den Lauterern zwar schwerer, effektiv in ein Angriffspressing zu kommen, doch es fehlen dem HSV die Bewegungen, um Mefferts Abkippen in der zweiten Ebene auszugleichen. Richter und Königsdörffer kippen in der ersten Halbzeit selten bis gar nicht in tiefere Zonen ab. Zudem finden sie selten gute Positionen in Höhe und Breite auf dem Feld, um ein Spiel über den Dritten überhaupt zu ermöglichen. Zwar steht der HSV in diesen Situationen nie wirklich unter enormem Druck, aber Lautern gelingt es dennoch problemlos, dem HSV jede Progressivität zu nehmen.
Es gab nur wenige Szenen, die wirklich zufriedenstellend waren. Primär erinnere ich mich an eine Szene, in der Schonlau linienbrechend Königsdörffer im linken Halbraum findet. Doch auch hier wurde deutlich, welche Probleme Königsdörffer auf der halben Zehn hat. In dieser Szene benötigt er etwas zu lange, um den Raumgewinn dynamisch umsetzen zu können. Ballverarbeitung, Drehung und Entscheidungen unter Druck im Rücken sind wohl derzeit seine größten Lernfelder. Fairerweise muss man sagen, dass es mit Kaloc und Tomiak im Rücken nicht gerade einfacher ist, sich hier mit wenigen Kontakten durchzusetzen. Allgemein hatte der HSV, auch in Person von Glatzel, Schwierigkeiten, Bälle in höheren Zonen festzumachen. In diesem Bereich war Kaiserslautern wirklich beeindruckend stark.
Zudem hat Königsdörffer aufgrund der HSV-Struktur (mit einem zu tief stehenden Elfadli) keine andere Option, als aufzudrehen. Ein Spiel über den Dritten ist praktisch nicht möglich.
Auch nach der Überspielung der ersten Pressinglinie stellte sich der HSV nicht unbedingt besser an. In höheren, zentraleren Zonen wirkten Glatzel, Richter und Königsdörffer ebenfalls alles andere als harmonisch. Besonders die beiden Zehner liefen oft in die gleichen Räume, stoppten ihre Rochaden im falschen Moment und schafften es kaum, die von Glatzel geöffneten Räume zu attackieren.
Dass es nach dieser ersten Halbzeit 1:0 für Kaiserslautern steht, ist dennoch überraschend. Der HSV machte es gegen den Ball über weite Strecken sehr gut. Man teilte das Spielfeld früh auf und zwang Lautern zu vielen langen Bällen. Dynamisch nach vorne kam Lautern meist nur, wenn sie schnell die Seiten wechselten. In diesen Momenten wurden die Laufwege vor der Abwehr für Jonas Meffert teils extrem lang, aber ansonsten konnte Kaiserslautern gegen das 4-1-3-2 des HSV kaum etwas gestalten. Die potenzielle Schwachstelle in den Zwischenräumen hinter Meffert war fast nie ein Thema.
Am Ende hatte der FCK in der ersten Halbzeit nur eine echte Torchance aus dem Spiel heraus. Ganz überraschend ist das nicht, wenn man die erste Halbzeit noch einmal betrachtet, aber es reichte dem FCK, dass das Spielglück in wenigen Minuten komplett auf ihre Seite fiel. Der Freistoß, der zum Tor führte, hatte sicherlich einen faden Beigeschmack, doch was den HSV mehr ärgern sollte, ist die eigene Verteidigung bei dem Standard. Besonders Hadzikadunić stand in dieser Szene zu weit weg von Ragnar Ache, der in dieser Liga alles andere als unbekannt ist. Der Tunnel von Raab krönte aus HSV-Sicht diese absurde Sequenz.
Es war eigentlich klar, dass Baumgart in der Halbzeit reagieren musste. Der HSV schaffte es praktisch nie, die Mannorientierungen in der dritten Ebene effektiv aufzubrechen. Und Baumgart reagierte – zwar noch nicht personell, aber strukturell. Muheim rückte, wie in der Vorwoche, etwas höher. Elfadli schob zentral neben die Zehner auf deren Höhe. Zeichnet man sich das auf, wird deutlich, dass der HSV nun in der dritten Ebene 2-gegen-3 spielte.
Auch boten die HSV-Zehner insgesamt etwas mehr Tiefe in der eigenen Hälfte an, und Gleiches galt für Hefti auf der rechten Seite.
Der HSV startete dann spielerisch sogar recht gut in die zweite Halbzeit. In einer frühen Sequenz baut der HSV sehr tief mit Raab auf, der leicht in den Druck auf Meffert spielt. Dieser verlagert den Ball sofort auf Muheim.
Im Rücken von Tachie öffnet sich nun ein recht großer Raum für den HSV. Muheim spielt einen einfachen Doppelpass mit Meffert, der den Ball sofort auf Elfadli weiterleitet. Der HSV kommt hier eigentlich gut heraus, wird jedoch nur durch Tomiaks starkes Zweikampfverhalten an einer ansonsten sehr gelungenen spielerischen Sequenz gehindert.
Nur ein paar Momente später schießt sich der HSV selbst ins Knie. Muheim klärt unglücklich, was den FCK schnell in ein Umschalten bringt. Hadzikadunić verzögert gut gegen Opoku, verliert jedoch erneut das „Duell“ in der Box. Schonlaus Position wirkt etwas zu tief, sodass er nach dem Kreuzen von Tachie und Ache keine Chance hat, effektiv in die Szene zu kommen. Der zweite Schuss auf das Tor von Raab sitzt erneut.
Trotz des doppelten Rückstands spielt der HSV nun jedoch in vielen Aspekten besser. In der Breite suchen vor allem Hefti und Richter (der sich nun viel besser positionieren kann als noch in der ersten Halbzeit) einfache Doppelpässe, um 2-gegen-2-Situationen zu schaffen. Doch Kaiserslautern zeigt weiterhin eine sehr intensive und starke physische Leistung gegen den Ball.
Gleiches gilt für Glatzel, der meist den ballnahen Innenverteidiger am Vorwärtsverteidigen hindern kann. Zudem zeigt der HSV endlich ein gutes Spiel über Dritte, da Elfadli sich oft in guter Klatschnähe befindet.
Die Wucht bringt der HSV dann mit den Wechseln, hat aber zunächst Glück, dass Ache nach dem Anschluss nicht auf 3:1 stellt, wo Glatzel erneut unglücklich aussieht beim Versuch, den Ball festzumachen.
Selke agiert als linker Stürmer, Glatzel als rechter, und beide zeigen in ihren Bewegungen viele abkippende Aktionen, die von Karabec aus der Zentrale heraus attackiert werden können. In diesen Kippbewegungen bietet sich oft ein Spiel über Dritte mit Elfadli an, der teilweise direkt eine Schiene in die Tiefe angreift, jedoch oft nicht präzise genug ist.
Die Räume und Matchups, die das Duo Glatzel/Selke aufzieht, stellen Kaiserslautern vor große Probleme. Sei es über die Tiefe und Schnittstellenläufe von Karabec oder das Binden von Gegenspielern, sodass Dompé oft in ein 1-gegen-1 gehen kann.
Der HSV verdient sich hier mit jeder Sekunde auf dem Platz den Ausgleich. Die Wucht wird mit Reis und Sahiti auf dem Platz nochmals größer, bis es kurz vor Toreschluss bei einem herausragenden Krahl im Kasten scheppert. Das hohe Risiko bleibt aus HSV-Sicht zum Glück unbestraft.
Natürlich kann der HSV hier auch unglücklich das 3:1 kassieren, aber das Risiko muss man dann eingehen. Am Ende steht durch die Wucht des HSV im 3-2-1-4 (oder 3-1-5) ein mehr als verdienter Punkt.
Die erste Halbzeit ärgert mich trotzdem. Der HSV hat das schon viel besser gemacht, als sie es gegen Kaiserslautern gezeigt haben. Allerdings konnte man die Probleme im Ansatz bereits in der Vorwoche gegen Regensburg beobachten. Für mich scheint es so, dass Königsdörffer und Richter nicht unbedingt das ideale Pärchen auf der Doppel-10 sind. Ihre Abstimmung wirkt nicht immer harmonisch und optimal getimt. Ich persönlich wünsche mir gegen Paderborn eine andere Paarung, die zu 50% aus Karabec bestehen sollte.
In der Innenverteidigung wird es auch spannend, ob wir gegen Paderborn einen anderen Innenverteidiger auf der rechten Seite sehen werden. Hadzikadunić wirkte speziell in diesem Spiel mit dem Ball sehr eindimensional und zeigte zudem leichte Schwächen in der Boxverteidigung. Es bleibt abzuwarten, ob Perrin direkt seine Chance von Anfang an bekommt oder ob möglicherweise sogar Elfadli neben Schonlau rückt.
Die Fragen, wer hinten neben Jonas Meffert und um Robert Glatzel herum spielt, werden sich auch Lukas Kwasniok stellen. Das wird höchstwahrscheinlich die Taktik des HSV ordentlich beeinflussen.