Untergangsstimmung light – #HSVSCP Analyse

Top-Spiel Zeit in Hamburg. Paderborn zu Gast mit einem Trainer, der medial oft durch die Hamburger Presse ging. Lukas Kwasniok ist mit seinen Paderbornern weiterhin ungeschlagen im Volksparkstadion. Wie es dazu kam, hier in der Analyse.

Personell überraschte Coach Steffen Baumgart vor dem Spiel. Es spielte nämlich nicht wie erwartet Dompé auf der linken Seite und auch nicht Shooting Star Fabio Balde, sondern Noah Katterbach. Außerdem kam auch das erste mal die Doppelspitze aus Glatze und Selke von Beginn auf den Platz. Zudem ersetze Sahiti auf rechts Silvan Hefti.

Kwasniok wechselte im Vergleich zum Sieg gegen Hannover in der Woche einmal. Für Tjark Scheller rutschte Laurin Curda in die Startelf.

Der HSV mit dem Ball in Halbzeit 1
Der HSV gegen den Ball in Halbzeit 1
Paderborn mit Ball in Halbzeit 1
Paderborn gegen den Ball in Halbzeit 1

Halbzeit 1

Relativ schnell war klar, dass es in diesem Spiel wenig Platz für ruhigen Spielaufbau und geordnete Gedanken geben würde. Beide Teams glänzten dann, wenn sie in die Dynamik kamen. Beide Teams störten früh und hoch, waren auf hohe Ballgewinne fokussiert. Und beide Teams hatten gleichzeitig wenig Interesse daran einen neuen Rekord an hintereinander gespielten Pässen aufzustellen.

Der HSV baute in der bekannten 3er-Kette aus Hadzikadunic-Schonlau-Muheim auf, davor ein dreier ZM, das häufig in den Positionen rotierte. Elfadli und Karabec besetzten häufig die äußeren Positionen, während Meffert eher den zentralen Part.

In der letzten Linie spielten Katterbach und Sahiti die beiden Breitengeber, Selke fungierte als Verbindungsspieler und Glatzel pinnte die Verteidiger in letzter Instanz als Abschlussstürmer.

Über diese äußeren Bereiche versuchte der HSV immer wieder das Spiel über Dritte zu forcieren, was in Ansätzen gut funktionierte aber an der Anschlusssituation scheiterte. Selke ließ sich immer wieder fallen, um den Ball klatschen zu lassen. Von dort sollte der Ball augenscheinlich in die Tiefe gespielt werden was dann meist am fehlenden Timing scheiterte.

Selke machte einen wirklich guten Job sich anspielbar zu machen und war technisch sauber in der Ausführung dieser Aktionen. Wie gesagt schaffte es der HSV aus diesen Situationen meist leider nicht Kapital zu schlagen. Zu aggressiv waren auch die Paderborner, die den Hamburgern keine Zeit ließen kurz mal drüber nachzudenken was man mit dem gewonnenen Raum anfangen könnte. Dafür sind die Spielprinzipien noch nicht genug in Fleisch und Blut übergegangen.

Ab und an wirkte das Spiel des HSV ein wenig gelähmt durch eine zu flache Positionierung der drei zentralen Mittelfeldspieler. Nicht selten, bewegten sich Elfadli, Meffert und Karabec auf einer Höhe, wodurch der 10er-Raum komplett verwaiste. Selke alleine konnte dies durch seine Ausweichbewegungen nicht immer auffangen.

Interessant wurde es dann, wenn Karabec sich in den Raum zwischen die Linien bewegte, auch wenn er diesen nicht konsequent nutzen konnte.

Schonlau findet mit einem tollen, linienbrechenden Ball Karabec, der Götze zwingt mitzugehen und den Raum hinter sich zu öffnen. Unter dem Druck gelingt es Karabec allerdings nicht konstruktiv weiterzuleiten. Die Ansätze waren beim HSV immer wieder da. Gute Ideen, fehlende Anschlussaktionen.

Gegen den Ball waren die Bemühungen des HSV sehr ordentlich gegen ein durchaus geradliniges und dabei spielstarkes Paderborn. Aus einer Mischung von Angriffs- und Mittelfeldpressing heraus versuchte der HSV den Gegner zunächst zu locken, um dann schnell umzuschalten.

Selke und Glatzel bildeten die erste Abwehrlinie, unterstützt von Karabec und Elfaldi, die dicht dahinter den gegnerischen 6er-Raum überwachen sollten. In manchen Phasen führte dies zu Szenen in denen 4 zentralorientierte Spieler des HSV am Strafraum der Paderborner stationiert waren.

Trotz des phasenweise hohen Anlaufens gelang es dem HSV weiterhin Kontrolle in der eigenen Defensive zu behalten. Selten wurden sie so überspielt, dass sie sich in einer numerischen Unterzahl in der eigenen Hälfte wiederfanden. Die Manndeckung des HSV wurde zumeist gut umgesetzt und so war es auch für Paderborn schwierig kontrolliert in die gefährlichen Räume zu kommen.

Erfolgsversprechend wurde es in Halbzeit 1 meist, wenn sie die erste Pressinglinie des HSV überspielten und dann schnell die Seite auf Ansah oder Kostons verlagerten, die von da wieder in die Mitte gab oder ohne großes Zögern zur Flanke ansetzten. Da dies aber auch nicht die im Lehrbuch stehenden Großchancen sind egalisierten sich beide Mannschaften zusehends. Gefährlich wurde es ab und an noch durch Standards aber auch hier nichts was den Puls groß in die Höhe steigen ließ.

So stand es nach xG in Halbzeit 1 0,95 für den HSV zu 0,31 für Paderborn. Größte Chance passenderweise durch Innenverteidiger Schonlau, nach einer Ecke.

Halbzeit 2

Die 2. Hälfte geht aus HSV-Sicht direkt katastrophal los. Gegentor nach gerade mal 53 gespielten Sekunden. Und ein Name ist meiner Meinung nach fest mit dem Gegentor verbunden. Ein Spieler, der in der bisherigen Spielzeit zurecht sehr gelobt wurde: Daniel Elfadli.

Elfadli wird von Kapitän Schonlau gefunden und Elfadli hat eigentlich die Möglichkeit Katterbach in die Tiefe zu schicken. Da auch Curda in unmittelbarer Nähe ist entscheidet sich Elfadli zunächst einmal dafür das Tempo herauszunehmen und gibt den Ball an Muheim ab. Ich könnte mir vorstellen, dass Steffen Baumgart die Dynamik in die Tiefe der Ballbesitzsicherung vorgezogen hätte aber das nur als Vermutung meinerseits.

Beim erneuten Anspiel auf Elfadli steht dieser bei Ballannahme eigentlich noch nicht unter direktem Gegnerdruck, trotzdem verliert der 27-Jährige den Ball. Meffert versucht den ballführenden Spieler noch unter Druck zu setzen was ihn dann ein wenig zu spät nach hinten kommen lässt.

Auch hier sieht Elfadli unglücklich aus. Er joggt in der Rückwärtsbewegung und deckt so weder den im Rückraum stehenden Michel noch macht er das Zentrum dicht und kann bei Bilbijas Abschluss stören. Natürlich war es aber nicht allein seine Schuld, dass der HSV hier in Rückstand geriet.

Hadzikadunic orientiert sich am ballführenden Zehnter, Schonlau will den Raum hinter Hadzikadunic zumachen in Erwartung des tiefen Balles. So verschiebt sich die Kette sehr auf die angreifende linke Seite. Muheim schiebt dabei nicht konsequent genug durch und deckt damit so halb Bilbija, halb Michel aber keinen so richtig und bekommt dabei eben auch keine Unterstützung von den 6ern.

Der HSV wird hier im schnellen Umschalten erwischt und es hätte trotzdem viele Möglichkeiten gegeben diesen Angriff noch aufzuhalten. Das Personal wäre da gewesen.

8 Minuten später gelingt dem HSV nach einer etwas wilden Anfangsphase der zweiten Hälfte der Ausgleich. Der in diesem Spiel leider sehr unglücklich agierende Karabec bekam den Ball nach einem schnell ausgeführten Einwurf von Hadzikadunic und konnte durch ein völlig verwaistes Paderborner Zentrum durchstarten. Der Abschluss von Glatzel ist dann maximal durchschnittlich, eigentlich haltbar. Den Hamburgern sollte es egal sein.

Danach krankte das HSV-Spiel häufig daran, dass sie zunehmens in Unterzahl bzw. Gleichzahl gerieten und es dann an Auflösern im 1vs1 mangelte.

Solche Synergien wie der linke Flügel von Muheim und Katterbach könnte in der Theorie interessant sein. Vielleicht mal ein Hinterlaufen von Muheim, eine Rotation in der Position. Das Problem: Karabec befindet sich zu weit, um sich mit ins Spiel einzuschalten. Elfadli ist eher im „Sicherheitsmodus“, hat gar nicht den Gedanken ins Dreiecksspiel zu gehen. So war häufig die Lösung die Halbfeldflanke zu bringen, was bei einer Doppelspitze Glatzel/Selke keine Verzweiflungslösung sein muss aber bei zu häufiger Streuung trotzdem nicht wirklich zielführend ist.

Weiterhin wirds für den HSV gefährlich offensiv, wenn sie es schaffen in die eigene Dynamik zu kommen. Man kann vieles unter Steffen Baumgart kritisieren aber er hat es geschafft vielen Spielern ein Bewusstsein fürs offensive Umschalten zu schaffen, dass vorher so nicht da gewesen ist. Eigene Konter sind sehr zielstrebig vorgetragen und führen zu durchaus gefährlichen Momenten, wie in der 57. Minute.

Selke erobert den Ball und begibt sich in den 1-Mann-Konter. Seine Weiterleitung landet bei Sahiti, der nochmal zurücklegt und Selke den Abschluss ermöglicht. Der HSV kann hier mit relativ einfachen Mitteln eine sehr gefährliche Situation heraufbeschwören. Etwas was noch ein wenig unterschätzt wird. Nein, man hat nicht mehr die spielstärkste Mannschaft aber man hat trotzdem eine offensivstarke. Trotz aller Unkenrufe.

Weiter oben hab ich bereits die eher mäßige Leistung von Adam Karabec angesprochen. Er war leider ein Faktor, wieso der Übergang von Mittelfeld zu Angriff häufig versickerte oder verschleppt wurde. Exemplarisch eine Szene aus der 58. Minute.

Karabec erhält den Ball von Schonlau, der trotz massiver Kritik nach dem Spiel in der Retrospektive noch relativ häufig an den gefährlichen Aktionen beteiligt war. Karabec hat eigentlich Platz und Zeit sich zum gegnerischen Tor aufzudrehen. Er erkennt die Situation leider nicht und entscheidet sich zum Rückpass. Wie in Hälfte 1: Gute Ideen, fehlende Anschlussaktionen.

Über das 2. Paderborner Tor muss dann wahrscheinlich wenig gesprochen werden. Langer Ball, kapitaler Fehler Raab, schöner Abschluss Bilbija. Raab verschätzt sich, ist dann mit dem Standbein zu nah am Ball und kriegt keinen Druck mehr auf den Ball und schlägt drüber. Darf nicht passieren, ist passiert. Weitermachen.

Im weiteren Verlauf hat man auf beiden Seiten Stückwerk, auf Seiten des HSV vieles zunichte gemacht von individuell falschen Entscheidungen.

Von Schonlau gut in den Druck gespielt, Sahiti nimmt den super mit und gibt auf Karabec, der auf dem Flügel kurzzeitig 2 Optionen hat: In die Tiefe auf Sahiti spielen oder Halbfeldflanke. Es wären beides valide Entscheidungen gewesen, selbst die Halbfeldflanke war bei der Besetzung von 4 Hamburgern gegen 4 1/2 Paderborner erfolgsversprechend. Karabec entschied sich für Option 3: Pass ins Zentrum auf Meffert, der direkt gestellt wurde und den Ball verlor.

Der direkte Gegenzug von Paderborn endet in einem zu kurz geratenen Ball von Ansah, der von Muheim abgefangen wird. Auch hier kann der HSV schnell umschalten und auch hier ist es Selke, der als Verbindungsspieler agiert.

Über Selke und Elfadli landet der Ball dann bei Katterbach, der von der Paderborner Defensive vier unbedrängte Sekunden zum flanken bekommt und den Ball perfekt und nur für Selke erreichbar platziert. Der Mittelstürmer macht es dann perfekt und unhaltbar für Boevink. Dynamik=Torgefahr, beim HSV. Alles andere muss noch ordentlich trainiert werden.

Danach wechselte Steffen Baumgart positions- bzw. rollengetreu durch. Dompé sollte nochmal über die linke Außenbahn für Schwung sorgen, Pherai im Zentrum Löcher reißen und Balde nochmal Tempo über rechts bringen aber es half alles nichts. Beide Mannschaften egalisierten sich weiterhin. Die Manndeckungen machten es für beide Teams schwierig geordnet ins letzte Drittel zu kommen. Nach dem 2:2 von Selke konnten sich beide Mannschaften zusammen einen xG-Wert von 0,51 erspielen, Paderborn mit gerade mal 2 Abschlüssen in der letzten halben Stunde.

Abschließend kann man sagen, dass man sich als HSV durchaus ärgern sollte. Nicht nur, weil man offensiv noch zu sehr auf Umschaltmomente angewiesen ist, sondern weil die Defensivleistung keine 2 Gegentore eigentlich hätte hergeben sollen. Man stand sicher, man war intensiv drin, man ließ so gut wie nichts zu und geht mit 2 Gegentreffern aus dem Spiel. Zumindest kann man die Zuversicht haben, dass solche Leistungen zukünftig auch wieder mit weniger Gegentoren belohnt werden.

Mit dem Ball zeigt der HSV gute Tendenzen auch mal zentral in den Druck zu spielen, sich was zu trauen. Ideen über einen dritten Mann schnell auf die Außen klatschen zu lassen sind vorhanden genauso wie ein gutes Umschaltspiel. Was besser werden muss ist die Entscheidungsfindung im letzten Drittel sowie die Raumaufteilung der Offensivspieler, um einfach häufiger sich aus der Manndeckung der Verteidigung zu lösen und Überzahl zu kreieren.

Kriegt man das hin hat man jetzt ein solides Fundament mit Potenzial. Gelingt das nicht könnte das HSV-Spiel auf Dauer ein wenig zu eindimensional werden.

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