Wie der #HSV unter Steffen Baumgart scheiterte

Nun ist es also passiert: Steffen Baumgart ist seit dem 24. November nicht mehr Trainer des HSV. Eine Entscheidung, die sich über die letzten Wochen angekündigt hatte. Nur zwei Punkte aus den Spielen gegen Elversberg, Nürnberg, Braunschweig und Schalke sprechen eine deutliche Sprache. Angesichts der Leistungen, die der HSV in diesen Wochen auf dem Platz gezeigt hat, erscheint die Trennung fast schon alternativlos. Aber woran ist Baumgart in Hamburg gescheitert? Wir gehen auf Spurensuche.

Probleme im Ballbesitz

Um die Probleme des HSV im Ballbesitz für diesen Artikel etwas einfacher herunterzubrechen, lassen sie sich in folgende Bereiche aufteilen:

  1. Staffelung, Raumaufteilung und Off-Ball-Movements im tiefen Aufbau
  2. Staffelung, Raumaufteilung und Off-Ball-Movements in höheren Zonen
  3. Verhalten bei gegnerischem Pressing
  4. Eindimensionalität beim Auflösen von Situationen und Mutlosigkeit im Ballbesitz
  5. Entscheidungsfindung

Zu den grundlegenden Prinzipien des Fußballs findet ihr auf Rautenball.de bereits zahlreiche Artikel. An dieser Stelle möchte ich noch einmal auf den letzten Beitrag von @jaheschsv hinweisen, der viele dieser Prinzipien ausführlich und anschaulich erklärt hat. Deshalb spare ich mir an dieser Stelle eine theoretische Einführung und springe direkt ins Spiel gegen Schalke 04.

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Strukturell zeigte sich der HSV gegen Schalke ähnlich wie in den Vorwochen. Zu Beginn gab es durchaus positive Ansätze: Eine verbesserte Staffelung führte zeitweise zu vielversprechenden Aktionen über das Spiel in die Tiefe hinter die Schalker Abwehr. Doch was zunächst gut aussah, konnte im weiteren Verlauf des Spiels nicht bestätigt werden – im Gegenteil. Die Idee, mit einem 3-Box-3 oder 3-Raute-3 zum Erfolg zu kommen, ist grundsätzlich vielversprechend, scheitert jedoch regelmäßig an der Umsetzung und führt zu wiederkehrenden, negativen Mustern.

Erste Aufbaulinie: Probleme in der Breite und im Mut zum Risiko

In der ersten Aufbaulinie stehen Muheim, Schonlau und Elfadli HSV-typisch nah beieinander. Diese enge horizontale Staffelung hat zwar den Vorteil eines geringeren Risikos, nimmt der Mannschaft jedoch die Möglichkeit, diagonal und progressiv nach vorne zu spielen. Schalke konnte diese enge Formation problemlos spiegeln und das Zentrum kompakt zustellen, ohne dabei viel Distanz zum Gegner aufzugeben.

Zusätzlich agiert der HSV in dieser Linie oft mutlos. Ein Andribbeln, um den Gegner zu Entscheidungen zu zwingen und dadurch Räume zu schaffen, findet praktisch nicht statt. Stattdessen kombiniert der HSV diese risikoarme Spielweise mit einem langsamen Passtempo, das kaum in der Lage ist, gegnerische Defensivblöcke zu durchbrechen.

Mangelnde Positionsfindung abseits der ersten Linie

Auch in den höheren Zonen fällt die schwache Positionsfindung des HSV auf, sowohl in der Breite als auch in der Höhe des Spielfeldes. In vielen Szenen stehen zu viele Spieler in einer horizontalen oder vertikalen Linie, was die notwendige Vernetzung für ein progressives Ballbesitzspiel erheblich erschwert. Ein Beispiel: In einer Szene befinden sich fünf HSV-Spieler auf einer horizontalen Linie und gleichzeitig vier weitere auf einer vertikalen Linie. Dieses „HSV-Kreuz“ zieht sich wie ein roter Faden durch das Hamburger Spiel – und blockiert den Spielfluss in zahlreichen Situationen.

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Diese unzureichende Raumaufteilung macht es dem Gegner zusätzlich leicht, das Spiel des HSV durch Deckungsschatten vollständig zu neutralisieren. Schalke musste in ihrem 4-2-3-1 gegen den Ball kaum besonders viel richtig machen, um den HSV vor erhebliche Probleme zu stellen. Ein Beispiel: In einer Sequenz des leichten Angriffspressings positionieren sich erneut vier HSV-Spieler in einer vertikalen Linie, wodurch sie sich faktisch selbst aus dem Spiel nehmen.

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Und auch in höheren Zonen zeigt sich das Problem der Linienbildung, wobei es bei längeren Ballbesitzphasen eher eine Frage unversetzter Überladungen im Zentrum ist. Die Offensive des HSV verharrt häufig passiv in den Deckungsschatten des Schalker 4-2-3-1, ohne dabei eine Vernetzung untereinander herzustellen. Selbst wenn es dem HSV gelingen würde, den ersten Pass durch das Zentrum zu spielen, bleibt fraglich, ob daraus etwas Effektives entstehen könnte. Die mangelhafte Staffelung bietet kaum Optionen für Folgeaktionen. Statistisch wenig überraschend führt der HSV ligaweit die wenigsten Angriffe durch das Zentrum (nur 19%).

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Die Probleme zeigen sich auch deutlich, wenn der Gegner aggressiv anläuft. Obwohl der HSV in der ersten Linie eigentlich eine numerische Überzahl hat, bringt diese der Mannschaft kaum etwas. Nach einem Pass auf Elfadli gerät Meffert sofort unter Druck, während sich durch Karamans gute Position ein 3-gegen-3 im eigenen Strafraum entwickelt. Younes schließt Elfadlis Bewegung in die Breite effektiv, aber es stellt sich die Frage, welche Optionen Elfadli in dieser Situation überhaupt bleiben.

Abgesehen von einem langen Pressing-Exit bietet sich dem HSV kaum eine Möglichkeit, das Schalker Pressing konstruktiv zu umspielen. Wieder stehen zu viele Spieler auf einer Linie oder in den selben Zonen, wodurch die Staffelung zerfällt. Das Resultat: Für den nächsten Passempfänger entstehen kaum brauchbare Anschlussoptionen, und eine sinnvolle Folgeaktion wird praktisch unmöglich.

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Mein persönliches Highlight aus diesen Beispielen stammt aus der zweiten Halbzeit: Sage und schreibe fünf HSV-Spieler positionieren sich auf einer Linie, während Schalke hoch Druck ausübt. In dieser Situation ist die fehlende Vernetzung innerhalb des HSV-Teams besonders offensichtlich und lässt praktisch kein effektives Spiel gegen den hohen Druck der Schalker zu.

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Der HSV zeigt im Ballbesitz eindimensionale Lösungen, die sich hauptsächlich auf die linke Seite konzentrieren. Schalkes Defensivstruktur lässt bewusst Pässe auf die Außenbahn zu und provoziert den HSV förmlich, diesen Weg zu wählen. Betrachtet man die Optionen von Noah Katterbach in solchen Situationen, wird deutlich, dass ihm kaum Möglichkeiten bleiben. In Ballnähe befindet sich lediglich Marco Richter, während drei Schalker Spieler den Raum effektiv abdecken und potenzielle Angriffe leicht unterbinden können.

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Wenn der HSV einmal nach vorne spielt, wiederholen sich die Muster fast immer auf derselben Seite: der linken. Statistisch gesehen laufen knapp die Hälfte der Angriffe des HSV (47%) über diese Seite. Dabei gibt es drei häufige Varianten:

  1. Der Ball auf den Schienenspieler, der entlang der Außenbahn agiert.
  2. Ein linearer Aufbau durch Muheim, der den Ball direkt über die linke Schiene vorantreibt.
  3. Das Herauskippen der linken Zehn, in diesem Spiel Marco Richter.

Im Hamburger Aufbauspiel sind oft die Taschen zwischen der gegnerischen Doppel-Sechs die Zielräume. Mit Raum und je nach gegnerischer Struktur hat Richter die Möglichkeit, sich aufzudrehen oder das Spiel entlang der Schiene weiterzuführen. Diese Vorgehensweise ist jedoch vorhersehbar und lässt wenig Raum für kreative Alternativen.

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Es gibt sicherlich auch einige Beispiele, in denen der HSV sich aus solchen Situationen befreien und sogar gefährlich werden konnte. Dennoch zeigte die Mannschaft, insbesondere gegen Schalke 04, immer wieder Schwächen in der individuellen Entscheidungsfindung auf dem Platz.

Die Szene aus dem oberen Screenshot illustriert dies gut: Sie zeigt die Fortsetzung der zuvor beschriebenen Situation mit dem Herauskippen von Marco Richter. Auf der linken Seite spielt der HSV ein 2-gegen-2, nutzt diesen Vorteil jedoch schlecht aus. Richter startet aus dem Halbraum einen Tiefenlauf, während Noah Katterbach zeitgleich ein Dribbling in die Tiefe ansetzt. Dabei attackieren beide Spieler denselben Raum hinter der Schalker Abwehr, anstatt sich besser abzustimmen.

Das Resultat: Katterbach gerät in ein 1-gegen-2-Duell, aus dem er zwar das Beste macht, was möglich ist – einen Freistoß –, doch die eigentliche Chance bleibt ungenutzt.

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Die mangelnde Entscheidungsfindung zeigt sich auch in anderen Szenen. Sei es mit Halbfeldflanken ohne effektive Chance, dass man daraus Kapital schlagen könnte, oder auch…

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eine gewisse Mutlosigkeit im Spiel mit Ball selbst. Bälle in den Druck um Zone 14 herum, vermeidet der HSV konsequent und wählt oft die sichere Variante über die schon beschriebene Schiene.

Das gleiche Bild zeichnet sich auch bei hohen Ballgewinnen ab. Statt einem spielerischen Ansatz gegen die Schalker Restverteidigung wählt Marco Richter, wie so oft, den Distanzschuss und das während man eigentlich in Ballnähe ein 3-gegen-4 in des Gegners Hälfte hat.

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Probleme im Verteidigen – das Intensitätsthema

Es wäre ja alles nicht so dramatisch, wenn dafür der HSV als Bollwerk bekannt wäre und eine 2:0 Führung locker wegverteidigten könnte. Leider ist auch hier seit der zweiten Magdeburger Hälfte ordentlich die Luft raus.

Der HSV zeigt sich zu oft in ihrem 5-3-2 / 5-4-1 viel zu löchrig und zu unkompakt in der Horizontale und Vertikale. Speziell der Mittelfeldblock fällt immer wieder negativ auf. Die gewählte Höhenlinie und die Abstände zueinander sind häufig problematisch. Die drei Zentralen nehmen hier zwar den gesamtem Mittelkreis in den Deckungsschatten, aber es gibt den ballführenden Schalker genügend Optionen diagonal über den Halbraum oder die Schiene aufzulösen. Grundsätzlich ist es sicherlich nicht schlecht, das SPiel vom eigenen Zentrum weg zu lenken, problematisch wird es aber, wenn der HSV nach dem Ball in die Breite keinerlei Chance hat Zugriff auf den Ballführenden zu bekommen.

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Der HSV hat in seinem Defensivspiel immer wieder Momente drin, wo man sich wirklich Fragen stellt, was nach dem Magdeburg Spiel passiert ist. Speziell nach Verlagerungen findet sich der HSV regelmäßig in schlechten Positionen wieder, was es Schalke wirklich einfach macht um den Block des HSV herumzuspielen.

Picken wir uns jetzt in diesem unteren Beispiel Ransford Königsdörffer heraus, dann darf man sich die Frage stellen, was er in dieser Sequenz verteidigt. Er verteidigt nicht den direkten Gegenspieler und er nimmt durch seine Position auch kaum Raum für die Schalker weg.

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Leider sieht man diese wilde Positionsfindung auch im tiefen Block des HSV. Das tiefe 5-4-1 wird durch individuelle Entscheidungen immer wieder aufgeweicht und es finden sich Soft Spots, in die S04 theoretisch hereinspielen kann. In der Theorie hat Seguin hier eine vertikale Passspur direkt vor die Kette des HSV, in der S04 dann sogar mal mindestens in Gleichzahl, wenn nicht sogar in Überzahl spielen kann. Die Integrität der Kette bricht immer wieder zusammen und damit auch die Kompaktheit des ganzen Defensivverbunds.

Ebenfalls problematisch ist, dass es meist nicht nur ein HSVer ist, der in Sequenzen Fehler macht. Es sind immer gleich mehrere. Poreba und Königsdörffer stehen sich hier fast schon auf den Füßen. Während der eine keinen Druck auf Seguin ausüben kann, steht der andere ungünstig im Raum. Die Höhe und Entscheidung, nicht auf Seguin raufzugehen, ist hier wieder nicht die optimale. Diese Halbhöhe und Körperposition des Polen macht die Spur vor die Kette des HSV erst möglich.

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Speziell die Wahl des Anlauftimings und des Winkels der Mittelfeldkette ist immer wieder ein Problem. Poreba geht in diesem zwischenzeitlichen 5-5-0 auf Seguin raus. Er tut dies aber aus einem Winkel heraus, dass Seguin danach diagonal auf Younes (der durchlässt) und final auf Murkin durchspielen kann. Man kann hier sicherlich auch darüber streiten, ob Selke in dieser Position auf Porebas Aktion mit einer einrückenden Bewegung reagieren muss, das Ergebnis ist aber das Selbe: Der HSV nimmt sich durch ein defensives Vorstoßen sämtliche Defensivstrukur, weil man vieles gruppentaktisch schlecht auffängt.

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Aber es ist nicht nur die Mittelfeldkette, die aktuell ihre Probleme hat. Die letzte Kette des HSV ist leider auf ähnlichem Niveau. Nachdem der HSV die Schalker zunächst wieder in die eigene Hälfte drückt, rückt Schonlau heraus. In seinem Rücken verpennen Elfadli und Mikelbrencis dieses Vorschieben aber komplett. Da der HSV zusätzlich keinen Druck auf den Schalker herstellen kann, steht man plötzlich in einer durchaus ungünstigen Position. Schalke kann ohne Druck einen Ball in die freigewordene Tiefe spielen, in die Schonlau zunächst mal hinterherrennen darf.

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Es sind am Ende diese kleinen Momente der Intensitätslosigkeit, die dem HSV neben ihren überhaupt schon strukturellen Problemen, das Genick brechen und das gegen einen Gegner, welcher mit Ball wahrscheinlich zum unteren Ligadrittel gehört.

Sicherlich ist Fußball Fehlersport, aber so viele kleine Kleinigkeiten und große Kleinigkeiten, die der HSV auf dem Feld verbockt, sind dann am Ende zu viel des Guten. Vor allem mit dem Anspruch des HSV in dieser Spielzeit. Speziell diese zweite Hälfte hätte noch viel mehr Inhalt für diesen Artikel hergegeben.

Es sind eben nicht nur schlechte 12 Minuten gewesen, wie Baumgart nach dem Spiel bei Sky sagte. Es waren 12 oder mehr absolut katastrophale Minuten, nachdem es zuvor höchstens durchwachsene 45 Minuten gegeben hatte.

Ich hatte wirklich gehofft, dass es mit Baumgart klappt. Der HSV hat auch immer wieder in Ansätzen gezeigt, dass sie es besser können, letztlich ist man dieser Ära Baumgart aber nie über diese Ansätze hinaus gekommen. Es waren am Ende dann doch Ansätze, die von Standardstärke und individueller Qualität getragen wurden.

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