Allgemein
Der HSV startete mit einer rechten Seite bestehend aus Bakery Jatta und William Mikelbrencis, eine Kombination, die man so noch nicht all zu häufig bestaunen durfte. Ansonsten rückte der zuletzt fast schon in Vergessenheit geratene Dennis Hadzikadunic in die Innenverteidigung. Der Rest der Startelf war bereits in den vergangenen Wochen favorisiert worden.
Im Vergleich zur Zeit unter Steffen Baumgart löste das Duo Polzin/Favé die Fünferkette auf. So ergab sich im Spiel gegen den Ball, passend zur vorweihnachtlichen Stimmung, die sich so langsam auftut, ein „Tannenbaum“. Der HSV positionierte sich im 4-3-2-1 in dem die eigentlichen Außenbahnspieler Dompé und Jatta die äußeren Bereichen neben Elfadli besetzten, während die eigentlichen zentralen Mittelfeldspieler ein wenig vorschoben und den gegnerischen Sechser-Raum im Blick haben sollten.
Mit dem Ball ergaben sich Mischformen aus „Altbekanntem“ und „Neuerfundenem“. Größtenteils blieb eine Art Dreieraufbau bestehend aus Mikelbrencis, Hadzikadunic und Kapitän Schonlau. Miro Muheim war nicht mehr Teil der tiefsten Aufbaureihe sondern begab sich versetzt davor in den linken Halbraum. Daniel Elfadli war der Anker, der als ständige Anspielstation im Aufbau fungierte.
Dompé und Jatta hielten die Breite, wobei Letzterer deutlich häufiger tief kam, um ins Spiel eingebunden zu werden. Richter und Karabec fungierten ein wenig als „freie Radikale“, die häufig nach offenen Räumen suchten, während Königsdörffer vorne in letzter Linie seine Gegenspieler pinnte.
Im Gegensatz zum Spiel unter Baumgart war der HSV deutlich stärker an der Besetzung ihrer Positionen interessiert. Man entschied sich offensichtlich dazu die Spieler anzuweisen gewisse Zonen immer besetzt zu haben, unabhängig davon welcher Spieler diese besetzen soll. Hauptsache sie ist besetzt.
Wichtig war dabei, dass die vier zentralen Positionen besetzt waren und zwei Spieler die Außenbahnen hielten. Ob dann Muheim zwischenzeitlich nicht mehr die linke sondern halblinke Position übernahm und sich dafür Richter/Karabec auf äußere Bereiche fallen ließen war dabei zweitrangig. Hauptsache die Spieler hatten immer die Gewissheit, dass sich in gewissen Bereichen immer ein Spieler befinden wird. Routine reinbekommen, Sicherheit gewinnen.
Das Spiel
Was dem HSV im Spiel gegen den KSC zu Beginn häufig gelang war das Überspielen des Karlsruher Pressings. Ein ganz wichtiger Faktor waren dabei zwei Dinge:
- häufige Überzahl in Ballnähe
- Heuer Fernandes, der den Ball in den Druck spielt, um von dort aus aufzulösen
Dem KSC gelang es nicht das Spiel der Rothosen zuzustellen. Häufig waren es falsche Anlaufwinkel oder schlicht fehlendes Personal.
Hier kam vor allem die Sicherheit im Passspiel von Heuer Fernandes zu tragen, weil er sich eben traute seine Vordermänner unter Druck anzuspielen bzw. die Übersicht hatte welcher seiner Mitspieler auch genügend Zeit hat, um den Ball weiterzuleiten.
Der HSV hatte so wenig Probleme sich aus den zaghaften Drucksituationen spielerisch zu befreien. Hinzu kommt natürlich, dass es die meisten Spieler des HSV schlicht gewohnt sind solche Situationen spielerisch zu lösen. Nun versuchte man über ein klares Positionsspiel Abläufe zu etablieren, die zu Beginn sehr gut aussahen.
Nicht selten hatte der KSC mit Zuteilungsproblemen zu kämpfen, da sie nicht wirklich damit zurecht kamen, wenn Spieler des HSV zentral vor die erste Kette kamen. Man hatte das Gefühl, dass keine Einigkeit bestand welcher Spieler in solchen Situationen den Weg mitgehen soll. Exemplarisch diese Szene:
Zunächst wirkt die Situation relativ zugestellt, kann aber über eine einfache Bewegung Elfadlis entspannt aufgelöst werden, da sein Gegner ihn nicht weiter verfolgt. Schleusener und Zivzivadze decken die Innenverteidiger des HSV ab, der Sechser-Raum bleibt aber völlig unberührt.
So bekam der HSV immer mehr kleinere Erfolge im eigenen Spiel und der KSC zunächst keinen Zugriff.
Auch hier befreit sich der HSV über Heuer Fernandes relativ mühelos, „einfach“ nur dadurch, dass die Spieler konsequent ihre Positionen besetzten und sich der Torhüter der Hamburger traute durchs Zentrum das Spiel aufzubauen.
Eine weitere Neuerung unter dem Interimstrainerteam war die Rolle der Außenverteidiger. Muheim agierte nicht nur eine Reihe weiter vorne, er und Mikelbrencis waren auch häufig darum bemüht durch den Halbraum in die Tiefe zu kommen.
Muheim startet aus seiner zentralen Positionierung in die Tiefe und bekommt auch dort den Ball. Diese offensive Positionierung im linken Halbraum konnte man bei ihm häufiger beobachten. Auch sein Gegenpart Mikelbrencis auf der rechten Seite agierte, wenn er denn nach vorne ging, ähnlich.
Mikelbrencis spielte jedoch häufiger abwartend und als Teil der Restverteidigung, während sich Muheim konsequent ins Offensivspiel einschaltete. Dompé hielt, seinem Spiel entsprechend, die Breite während Muheim im Halbraum in die Tiefe ging.
So ergab sich dann häufig das Bild eines Dreieraufbaus mit Muheim auf der linken Seite, der je nach Situation sich zentraler begab oder den offenen Raum vor sich belief.
Exakt der Raum, der sich häufiger vor Muheim auftat wurde auch konsequent von einem der Achter belaufen, was den KSC vor größere Zuteilungsprobleme stellte.
Gegen den Ball agierte man teils hoch, teils im Mid-Block. Die Achter Richter und Karabec orientierten sich dabei an den Innenverteidigern der Karlsruher, während Königsdörffer situativ den Sechser-Raum bewachte. Dompé und Jatta schoben eher zentral und sprangen bei Abspiel auf die Karlsruher Außenverteidiger auf die Flügel.
Hier sieht man die jeweilige Positionierung der Hamburger nochmal gut. Die Achter schieben dabei sehr hoch, Königsdörffer lässt sich fallen und hat das Karlsruher zentrale Mittelfeld im Blick, die Hamburger Außenbahnspieler behalten die Flügel im Auge.
Schwierig wurde es für den HSV, wenn die „Taschen“ neben Daniel Elfadli aufgingen, also die äußeren Bereiche neben ihm. Der HSV ging ein wenig von seinem sehr starken Zentrumsfokus aus dem Schalke-Spiel weg und versuchte mit dem 4-3-2-1 das Zentrum zu schließen und trotzdem gleichzeitig immer bereit zu sein, wenn der Ball auf die Flügel ging. Dies bedeutete aber auch, dass sich Hamburger in beide Richtungen orientieren mussten was eben dazu führen kann, dass das Zentrum schneller mal auf geht.
Hier exemplarisch eine Szene zu solchen Positionierungsproblemen:
Dort funktionierte häufig die Positionierung von Jatta und Dompé nicht, weil sie sich zu weit nach außen locken ließen. Das öffnete den Weg für den Pass neben Elfaldli, der natürlich nicht jeden Raum gleichzeitig decken konnte.
Ansonsten hatte man als HSV häufiger Probleme im Übergeben der Gegner, dort passte die Abstimmung auf den Flügeln aber auch im Zentrum nicht. Dies kann aber durch mehr Routine in der Formation und durch mehr Routine in der Startelf behoben werden.
Einzelkritik
Zusätzlich zur allgemeinen Betrachtung möchte ich noch kurz drei Spieler herausheben, die dem HSV ihr Spiel ermöglichten, keiner davon ist Jean-Luc Dompé, trotz seines überragenden Spiels.
- William Mikelbrencis: Er hat lange gebraucht, um sich an die Rolle des „normalen“ Außenverteidigers zu gewöhnen. Kam als Schienenspieler einer Fünferkette aus Frankreich und man merkte, dass er noch sehr offensiv und unkonzentriert wirkte als er zum HSV kam. In den letzten Wochen scheint er stabilisiert und gegen den KSC zeigte er vor allem defensiv und technisch eine blitzsaubere Leistung. Nach Jean-Luc Dompé die zweitlängste Distanz mit dem Ball progressiv hinter sich gelassen. Dazu nach den beiden Außenbahnspielern die drittmeisten progressiven Pässe erhalten. Mikelbrencis war häufig anspielbar und eben auch sicher am Ball. Zudem in einer sicherlich noch ungewohnten Rolle. Geht es so weiter wird es für Silvan Hefti sehr schwierig dort wieder in die Startelf zu rücken.
- Daniel Elfadli: Der zentrale Mittelfeldspieler bekommt zurecht sehr viel Lob diese Saison aber vor allem in diesem Spiel zeigte er nochmal wie stark er auch im Spiel gegen den Ball ist. 5 abgefangene Bälle sind 2 mehr als der gesamte Rest der Hamburger Mannschaft gegen den KSC. Außerdem die meisten Klärungen des HSV und zusammen mit Dennis Hadzikadunic die meisten geblockten Schüsse. All das immer im Bewusstsein, dass der Rest des zentralen Mittelfelds gegen den Ball aus Bakery Jatta und Jean-Luc Dompé bestand, ein riesen Job von Elfadli.
- Adam Karabec: Die Statistiken geben nur bedingt her was ich an Karabec Spiel so stark fand. Es war viel mehr der Mut zum Risiko, der ihm in der bisherigen Saison immer ein wenig abging. Zu häufig drehte er in aussichtsreichen Situationen nochmal nach hinten oder es kam eben nicht mal der riskante Pass in die Tiefe. Gegen Karlsruhe spielte Karabec tolle Verlagerungen auf die Flügel, war sehr viel unterwegs auf der Suche nach Räumen. Nach dem 6er-Defensiv-Verbund war er der Spieler der „Offensiven“ mit der höchsten Passdistanz, nominell und progressiv, spielte zudem die meisten progressiven Pässe (9). Karabec versuchte mehr und war viel mehr Spielmacher als noch in den Wochen zuvor. So kann es gerne weitergehen.
Fazit
Merlin Polzin und Loïc Favé haben es hinbekommen in kurzer Zeit der Mannschaft eine Spielidee mitzugeben mit der sie sich zunächst einmal wohlfühlt. Es passte zu den Spielern. Klare Zuteilung der Räume, Kurzpassspiel, Ballbesitzspiel. Gegen den Ball merkte man zudem, dass der hohe mannorientierte Fokus die Spieler unter Baumgart verunsicherte, auch dies erkannte man und gab ihnen die Möglichkeit mit der Viererkette und dem „gewonnenen“ Mann vorne wieder mehr Kontrolle in höheren Zonen des Feldes zu bekommen.
Aufmerksam muss man sich im 4-3-2-1 gegen den Ball noch die mittlere Dreierkette anschauen, dies kann keine Dauerlösung sein. Zudem scheint es einen Intensitätsabfall im Mid-Block zu geben, der den Gegner zu einfach einlädt. Sobald es ins Angriffspressing geht kommt der HSV in gute Drucksituationen, bei weniger hohem Anlaufen bekommt man direkt Probleme. Daran muss gearbeitet werden.
Für nur eine Woche Training und so viele Umstellungen im Vergleich zur Zeit unter Steffen Baumgart kann man dem Trainerduo durchaus Respekt zollen, wie kontrolliert das Spiel des HSV in Phasen wirkte. Kriegt man in diese Abläufe noch weiter Routine rein kann man sich dieses Trainergespann sicherlich nicht nur bis zur Winterpause vorstellen.