Am 04.07.2024 gab der HSV die Verpflichtung des 21-jährigen Tschechen Adam Karabec bekannt. Nach 33 Pflichtspiel-Einsätzen könnte die Zeit des Offensiv-Talents beim HSV allerdings schon wieder vorbei sein – und das, obwohl der HSV eine Kaufoption für den Leihspieler von Sparta Prag besitzt. Dieser Beitrag soll das Für und Wider einer Festverpflichtung näher betrachten.
Ausgangssituation
7 Scorer in 1.956 Minuten 2. Bundesliga – das ist die Liga-Bilanz von Adam Karabec für den HSV. Dazu gesellen sich noch zwei Pokal-Einsätze, in denen der Offensivspieler zumindest noch einen Assist beim 7:1-Erstrundenerfolg in Meppen beisteuern konnte. Jetzt besitzt der HSV die Möglichkeit, Karabec für eine Ablöse von 4,2 bis potenziell 5,0 Millionen Euro fest zu verpflichten – was den Hanseaten Medienberichten zufolge aber zu hoch sein soll. Nachverhandlungen mit dem abgebenden Verein Sparta Prag stehen an.
In der Sommertransferperiode 2024 holte man den Tschechen per Leihe und bescheinigte ihm „ein spannendes Profil“. „Dank seiner spielerischen Qualität, seiner Kreativität und seines starken linken Fußes ist er jederzeit in der Lage, für Gefahr zu sorgen“, so Costa im Juli des vergangenen Jahres.
Wir haben es also mit einem Talent zu tun, das beim HSV in umgerechnet 22 Ligaspielen zum Einsatz kam, sich etablieren konnte – und nun ist die Frage: Wie geht es mit Adam Karabec weiter? Festverpflichtung – ja oder nein? Schauen wir uns seine Saison an.
Karabecs Saison 2024/2025
Bereits unter Steffen Baumgart gehörte Adam Karabec früh zum Stammpersonal des HSV. Der Tscheche passte sehr gut in das Profil eines beweglichen Zehners, der auch die Außenbahnen besetzen konnte. So war Karabec, analog zu seinen früheren Stationen, im System des jetzigen Union-Berlin-Trainers viel häufiger auf der Außenbahn zu finden, als es zum Saisonende der Fall gewesen ist.
Exemplarisch hierfür die Heatmaps der ersten drei Ligaspiele:



Der junge Tscheche übernahm häufig die rechte Außenbahn – vor allem, wenn der HSV mit Silvan Hefti als nominellem rechten Schienenspieler agierte.

Am 7. Spieltag beim 2:2 gegen den SC Paderborn passte man seine Herangehensweise an und spielte erstmals mit Neuzugang Emir Sahiti auf der rechten Außenbahn sowie mit einem Doppelsturm aus Robert Glatzel und Davie Selke, was Karabec die Möglichkeit gab, sich im gesamten offensiven Mittelfeld zu bewegen und als horizontaler Verbindungsspieler zu agieren.
Karabec agierte über die gesamte Breite des Feldes, war aber deutlich zentraler unterwegs als noch zu Saisonbeginn.
Diese Tendenz bestätigte sich im Saisonverlauf und war spätestens nach dem Trainerwechsel zu Aufstiegscoach Merlin Polzin komplett umgesetzt. Unter ihm spielte Karabec als frei agierender Offensivakteur, der immer auf der Suche nach Räumen war und versuchte, ballnah Überzahlsituationen zu kreieren. Zwar spielte der Spielmacher nominell immer noch als rechter Halbraumspieler, trotzdem agierte er mehr oder weniger über die gesamte Länge des Feldes – ob im Aufbau in den äußeren Bereichen, als Außenbahnspieler in Kombination mit einem ins Zentrum ziehenden Sahiti oder auch im linken Halbraum, um im Zusammenspiel mit Dompé und Muheim die gegnerische Abwehr stets vor Aufgaben zu stellen.


Durch seine Rolle im System unter Merlin Polzin war Karabec sehr frei in seiner Entscheidungsfindung – was ihm einerseits aufgrund seiner technischen Fähigkeiten entgegenkam. So war es für ihn meist keine Schwierigkeit, Lösungen auf engem Raum zu finden. Häufig suchte er genau solche Überzahlsituationen, um sich mit vielen Kurzpässen und seiner engen Ballführung aus Manndeckungen zu lösen.
Andererseits war das für ein Talent mit 21 Jahren sicherlich auch eine nicht zu unterschätzende kognitive Herausforderung: immer die richtigen Entscheidungen zu treffen und genau die Räume zu bespielen, die für das Hamburger Spiel erfolgversprechend waren. Der Trend zu relationistischen Ansätzen – also weg vom starren Positionsspiel – war beim HSV klar erkennbar, bedeutete aber für sämtliche Spieler auch ein Höchstmaß an selbstständiger Denkarbeit und ein Mindestmaß an Mut und Selbstvertrauen.
Karabec war so „gezwungen“, Lösungen zu finden und selbst zu kreieren. Es gab kein vorgefertigtes Schema F, in das sich die Spieler hineingeben konnten – vor allem im offensiven Mittelfeld waren sie selbst gefordert.
Faktor in der Offensive
Und Karabec überzeugte durchaus mit seinen Offensivakzenten. Sowohl was sein Dribbling als auch sein kreierendes Passspiel betrifft, war er im Ligavergleich in den Top-15 % zu finden:

Karabec war damit immer wieder Anspielpartner in der gegnerischen Hälfte. Auch das schlägt sich in seinen Saisonstatistiken nieder:

Der HSV hatte mit Adam Karabec also einen Spieler, der sowohl mit seinem Dribbling als auch mit seinem Passspiel Situationen lösen konnte und zudem in hohem Volumen in der gegnerischen Hälfte aktiv wurde. Sicherlich auch bedingt durch einen hohen Ballbesitzwert des HSV, dass Karabec dort zu vielen Aktionen kam.
Das Problem an den eigentlich erstmal positiven Werten? Das hohe Volumen an Aktionen im gegnerischen Drittel machte sich nicht unbedingt in der Chancenkreierung des Offensiv-Allrounders bemerkbar. Zwar war Karabec immer wieder für den einen Geniestreich gut, ein Ballmagnet, der das Spiel an sich zog und selbst als steter Vorbereiter glänzte, war er eher nicht.
Platz 42 diese Saison in expected assists (xA) sagt zwar nicht alles über seine Qualität aus, zeigt aber, dass viele Aktionen in der gegnerische Hälfte nicht zwangsläufig zu höherer Torgefahr führten.

Und bei dem Punkt, dass er mit nicht mal 2.000 Minuten natürlich nicht dieselben Zahlen wie ein Marvin Wanitzek auflegen kann, gebe ich zu bedenken: Auch andere Spieler in der „Top 42“ hatten weniger Minuten und trotzdem höhere xA-Werte.
Adam Karabec war ein zuverlässiger Part des Offensivspiels des HSV, er war aber nie der Unterschiedsspieler oder der Spielmacher, der er mit seinen Anlagen durchaus sein könnte. Ein Punkt, der nicht dramatisch ist bei gerade mal 21 Jahren. Aber bei einer Ablöseforderung von bis zu 5 Millionen Euro ein relevanter Aspekt.
Defensivverhalten
Was vorher klar war: Du holst keinen Karabec, damit er deine Defensive stabilisiert. Trotzdem wäre mit der Verpflichtung des Mittelfeldspielers klar, dass man einen Spieler in seinen Reihen hätte, der ein hohes Anlaufen der Gegner deutlich erschweren würde.
Karabecs generelle Defensivstatistiken lesen sich diese Saison eher gruselig:
Erfolgreiche Ballabnahmen pro90 | 0,32 (Flop-3%) |
Gewonnene Zweikämpfe pro90 | 3,73 (Flop-21%) |
Gewonnene Luftkämpfe pro90 | 0,37 (Flop-16%) |
Abgefangene Bälle pro90 | 0,09 (Flop-8%) |
Wiedereroberungen pro90 | 2,58 (Flop-5%) |
Balleroberungen im letzten Spielfelddrittel p90 | 0,37 (Flop-40%) |
Die Zahlen sind nicht ballbesitzbereinigt, können bei weniger Ballbesitz und höheren Fokus aufs Defensivspiel in der Bundesliga sicherlich steigen aber die Tendenz bei Karabec ist klar: Starker Techniker, toll anzusehen aber leider unzuverlässig gegen den Ball. Ein Vergleich mit Marco Richter wäre unfair, da Richters Fokus die ganze Saison häufig auf das Spiel gegen den Ball gerichtet war.
Ein Vergleich mit Immanuel Pherai scheint da fairer zu sein, auch wenn der dynamische Spielmacher leider weite Teile der Saison verletzt oder nicht spielfit gewesen ist. Trotzdem gibt es Vergleiche aus Spielen unter Polzin in denen sich zeigt, wie unterschiedlich beide Spieler in der Defensive agieren können.
Pherais Saisonwerte bescheinigen ihm deutlich bessere Werte in den Kategorien Wiedereroberungen und Balleroberungen im letzten Spielfelddrittel, bei nur knapp 600 Minuten Einsatzzeit diese Saison sind solche Vergleiche allerdings immer auch ein wenig mit Vorsicht zu genießen.
Zu Rückrundenbeginn starteten Karabec und Pherai gemeinsam auf den jeweiligen 8er/10er-Positionen und dort konnte man ganz klar sehen wie die jeweiligen Spieler in der Arbeit gegen den Ball eingesetzt wurden:


Der Vergleich soll nicht aussagen, dass Pherai der bessere Defensivspieler ist, sondern dass man sich bewusst machen muss, dass man mit Adam Karabec in der Bundesliga einen Spieler hätte, der defensiv von anderen höchstwahrscheinlich erstmal mitgetragen werden müsste. Ein intensives hohes Anlaufen ist mit dem Tschechen in vorderster Linie diese Saison zwar versucht worden, hat aber nur selten den gewünschten Effekt gebracht.
Steffen Baumgart sagte über Karabec und die Offensive des HSV:
„Adam und unsere Zauberkünstler können Spiele entscheiden. Leider auch dann, wenn sie ihren Hintern nicht mit nach hinten bewegen.“
2. Liga: Weshalb HSV-Coach Polzin Adam Karabec kaufen würde – kicker
Der Punkt mit der Konstanz
In meinem Beitrag zum Transfer Karabecs hob ich seine tollen Fähigkeiten im Dribbling hervor, mahnte allerdings auch, dass der Tscheche bisher noch nicht so recht Fuß fassen konnte im Profifußball und dass damit zu rechnen sei, dass man auch in dieser Saison mit Leistungsschwankungen rechnen müsste:
Wirkt erstmal banal aber sollte trotzdem nicht unter den Teppich gekehrt werden. Ja, Karabec steht mit seinen gerade mal 20 Jahren bei bereits 141 Einsätzen für die Profi-Mannschaft von Sparta Prag. Rechnet man seine Einsatzminuten auf ganze Spiele bleiben allerdings „nur“ noch 61 Spiele übrig was das Bild ein wenig gerade rückt. Das sind nicht ganz 2 volle Zweitligasaisons.
Karabec hat sehr starke Anlagen aber konnte sie bisher nie wirklich konstant auf den Platz bringen. Wichtig: Er ist 20. Man kann auch nicht verlangen, dass er es schon konstant schafft. Dann würde er nicht zum HSV wechseln. Aber es muss jedem HSV-Fan bewusst sein, dass er auch beim HSV Phasen haben wird in denen er untertaucht oder ihm wenig gelingen wird. Zwar wird er sicherlich als Stammspieler geplant sein aber als Selbstverständlichkeit sollten starke Leistungen nicht gesehen werden.
Spielerprofil: Adam Karabec – Rautenball
Und wahrscheinlich war das der größte Kritikpunkt an den Leistungen von Karabec. Er brachte seine ohne Frage im Übermaß vorhandenen Anlagen im Laufe der Saison nur noch selten auf den Platz. Stumpf an Scorern gemessen waren es in der Zeit unter Merlin Polzin 4 Scorer für Adam Karabec. In einer Mannschaft, die in den 21 Spielen unter dem inzwischen gar nicht mehr so neuem Trainer insgesamt 50 Tore erzielen konnte.
Trotzdem schwärmte Merlin Polzin im April vom „Zauberkünstler“:
„Adam und ich haben von Beginn an eine sehr gute Verbindung, schon aus meiner Zeit als Co-Trainer. Wir liegen auf einer Wellenlänge. Mir macht es sehr, sehr viel Spaß, ihn Fußball spielen zu sehen.
Wenn man einen jungen Menschen sieht, der in einem fremden Land ist, die Sprache nicht spricht, sich aber total einbringt und fleißig ist, permanent auf seinen Lebensstil achtet, dann ist das der Weg, um im Profifußball erfolgreich zu sein.„
2. Liga: Weshalb HSV-Coach Polzin Adam Karabec kaufen würde – kicker
Der HSV und seine Kaderwerte
Eine Phrase, die im Zusammenhang mit der Kaderplanung des HSV immer wieder genannt wurde war „Kaderwerte schaffen“. Gemeint ist damit schlicht sich mit den eigenen Spielern oder externen Transfers potenzielle Ablöse-Garanten in den Kader zu holen oder selbst aufzubauen.
Und dies ist sicherlich auch ein Punkt, der durch die Köpfe der Entscheider beim HSV geht: Welche Spieler schaffen bei uns gerade Kaderwerte?
Durch den Aufstieg in die Bundesliga steigen die Ablösen automatisch. Eine solide Saison in der Bundesliga ist im Normalfall mehr wert als eine sehr gute Saison in der 2. Bundesliga. Nur ist der Kader des HSV momentan eher weniger darauf ausgelegt mit den eigenen Spielern höhere Ablösen zu erzielen.
Schaut man sich die Leistungsträger an hat man mit Heuer Fernandes (32), Glatzel (31), Meffert (30), Selke (30), Dompé (29), Elfadli (28) und Muheim (27) sieben Spieler im höheren Fußballalter auch wenn Daniel Elfadli und Miro Muheim ein wenig in Klammern zu setzen sind in dieser Aufzählung.
Trotzdem zeichnet es ein Bild von einem Kader, der gespickt ist mit Fußballern im besten Fußballeralter, die jetzt in der 2. Bundesliga von ihrer Erfahrung profitierten und auf deren Leistungen man sich meist verlassen konnte. Große Hoffnungen auf den nächsten großen Transfererlös kann man sich nur bedingt machen.
Es gibt nach meiner Ansicht momentan 5 Spieler, die in der Kaderplanung des HSV für nächste Saison seriös als Spieler gesehen werden sollten, um auf höhere Ablösen zu hoffen:
- Ludovit Reis
- Ransford Königsdörffer
- Miro Muheim
- Aboubaka Soumahoro
- Adam Karabec
Und das sollte eben auch mit bedacht werden bei der Beurteilung, wie sinnvoll eine Festverpflichtung des 21-Jährigen für den HSV wäre. Adam Karabec kann mit seiner Technik, mit seinen Anlagen, mit seinem Flair und Kreativität ein Spieler in der Bundesliga sein, der die Aufmerksamkeit auf sich zieht und seinen Marktwert in kürzester Zeit steigert. Kann. Kein Muss.
In dieser Auflistung befinden sich mit Reis und Königsdörffer zudem 2 Spieler, deren Verträge 2026 auslaufen. Es könnten also nochmal 2 weitere Spieler aus dem Kader wegbrechen beziehungsweise bei guten Leistungen in der Bundesliga würde der HSV finanziell nicht in Form einer Ablöse von der Entwicklung profitieren. Mit Karabec könnte man sich einen Spieler sichern, der die Fantasie mitbringt ein Spieler zu sein, der nach längerer Zeit (zuletzt Amadou Onana im Jahr 2022) mal wieder eine Ablöse jenseits der 5 Millionen einspielt.
Fazit
Mit Adam Karabec hat der HSV im vergangenen Jahr einen wahnsinnig spannenden Spieler geholt, der es diese Saison schaffte konstant Minuten zu sammeln aber nicht schaffte konstant Leistung zu zeigen. Seine Fähigkeiten mit Ball am Fuß stehen außer Frage und können mit steigender Routine nur noch wertvoller für das Spiel des HSV werden.
Polzins ausdrücklicher Wunsch war:
„Ich als Trainer würde Adam gern weiterhin beim HSV sehen.“
2. Liga: Weshalb HSV-Coach Polzin Adam Karabec kaufen würde – kicker
Und das ist nur all zu verständlich, wenn man bedenkt wie fluide das Spiel des HSV unter Merlin Polzin wurde und wie gut Adam Karabec in diese Spielweise passte.
Jetzt wird alles darauf ankommen, dass man die Ablöseforderung Sparta Prags gedrückt bekommt. 5 Millionen sind für einen Spieler mit einer verheißungsvollen und trotzdem durchwachsenen Debüt-Saison zu viel Geld. Ein ähnliches Paket schnürte man damals für Mario Vuskovic, der allerdings auch auf Anhieb zu den konstantesten Stammspielern gehörte und es bereits Interesse aus England gab.
Kriegt man die Verhandlungen mit Prag nicht erfolgreich gestaltet wird man sich von einer Verpflichtung Karabecs gedanklich verabschieden müssen. Auch wenn der Abgang eines solch begnadeten Fußballers immer schmerzt.