Die HSV-Kaderanalyse 2024/2025 – Teil 1

Nach sieben langen Jahren hat es die Mannschaft des HSV geschafft, ins Oberhaus des deutschen Fußballs zurückzukehren. Bedeutet allerdings auch: unbequeme Entscheidungen treffen und sich von Aufstiegshelden trennen. Wir schauen uns die Leistungen der Rothosen nochmal in der Nachbetrachtung an. Heute: Torhüter und Abwehrspieler.

Wie auch in der vergangenen Saison habe ich nur Spieler näher betrachtet, die die 900-Minuten-Marke geknackt haben. Eine seriöse Einschätzung zur Leistung abzugeben, wenn der Spieler nicht mal ein Drittel der Saison auf dem Platz stand, halte ich für nur schwierig möglich.

Torhüter

Daniel Heuer Fernandes – 32 Einsätze, 2.880 Minuten

Zu Beginn der Saison deutete sich eine langanhaltende Torwartdiskussion an. Eigentlich startete Matheo Raab als Nr. 1 in die Saison, wurde dann von einer Lungenentzündung ausgebremst. Heuer Fernandes übernahm, hatte dann Probleme mit den Adduktoren, was wiederum Raab mit guten Leistungen zu nutzen wusste. Trotzdem etablierte sich „DHF“ am 9. Spieltag dieser Saison als Stammtorhüter, auch weil sich Kontrahent Raab im Dezember 2024 die Hand brach und sich letztendlich alle noch möglicherweise auftretenden Diskussionen von selbst erledigten.

Heuer Fernandes hat sich mittlerweile als Top-Torhüter der 2. Bundesliga etabliert – nicht nur, weil er seine immer vorhandene Qualität mit Ball am Fuß immer wieder ins Spiel des HSV einbringen kann, sondern auch, weil seine Qualität als Shot-Stopper konstant auf gutem Niveau ist.

In der Kategorie der verhinderten Tore, die man pro 90 Minuten statistisch erwarten konnte (etwas sperrig), belegt der 32-Jährige unter allen Stammkeepern der 2. Bundesliga den 5. Platz. Kein herausragender, aber guter Arbeitsnachweis.

Interessant dabei: Bei der Anzahl der abzuwehrenden Schüsse auf sein Tor ist Heuer Fernandes im Ligavergleich nur auf Platz 12. Es ließe sich also resümieren, dass Heuer Fernandes nicht so sehr geprüft wurde wie seine Ligakonkurrenz, er aber beim Abwehren hochkarätigerer Chancen einer der besten der Liga gewesen ist.

Als mitspielender Torwart war Heuer Fernandes schon immer in den Topkategorien zu finden. Auch dieses Jahr spielte er die drittmeisten Pässe aller Stammkeeper der 2. Liga, war immer eingebunden in das Spiel des HSV.

So war DHF jederzeit anspielbar und hatte mit verschiedensten Facetten seines Passspiels einen großen Anteil an der besten Offensive der Liga – im Kurzpassspiel wie gewohnt sicher, auf die lange Distanz mit dem Abnehmer Davie Selke oder auch verlagernd auf die Außen, wo die Außenbahnspieler wieder klatschen ließen. Dabei zu beachten ist sicherlich, dass ihm über die Saison hinweg doch immer wieder die Konstanz in seiner Qualität beim spielen von langen Ballen fehlte. Zudem bleibt seine Strafraumbeherrschung sicherlich der größte Kritikpunkt im Spiel des HSV-Torhüters. Raum für Verbesserung, egal ob durch einen Neuzugang oder durch Steigerungen bei Heuer Fernandes gibt es also weiterhin.

Heuer Fernandes war eine Konstante in dieser Saison, und trotzdem wird man sich bei einem möglichen Raab-Abgang um einen neuen ernstzunehmenden Konkurrenten bemühen. Der Vertrag der Nr. 1 des HSV läuft im kommenden Jahr aus, ab da könnte der Raab-Ersatz der neue Stammtorhüter des HSV werden. Aber für die nächste Saison könnte der Deutsch-Portugiese seinen Stammplatz erst einmal sicher haben – auch, um unnötige Diskussionen wie in dieser Saison gar nicht erst zuzulassen.

Miro Muheim – 30 Einsätze, 2.667 Minuten

Wer meine Beiträge länger verfolgt, weiß um meine Begeisterung für die Leistungen von Miro Muheim. Der Linksverteidiger des HSV konnte über eine weitere Saison konstant überzeugen und war wieder einer der wichtigsten Spieler im Spiel des HSV. Mit seiner Sicherheit im Passspiel und seiner starken Übersicht konnte er immer wieder auch aus dem Zentrum heraus das Aufbau- und Übergangsspiel des HSV entscheidend prägen.

Über den besten Linksverteidiger der Liga gab es in den vergangenen Tagen häufiger Diskussionen. Abseits von Muheim wurden der Kölner Leart Paqarada und der Paderborner Aaron Zehnter in den Ring geworfen. Für mich bleibt Muheim das Nonplusultra in dieser Liga, weil er alle Bereiche miteinander kombiniert. Er ist ähnlich stark im Angriff, wie es ein Zehnter ist, er ist genauso ballsicher wie ein Paqarada, und in der Defensive kann man dem Schweizer – trotz berechtigter Kritik – den Vorzug vor den beiden genannten Kontrahenten geben.

Saisonvergleich zwischen Miro Muheim und Leart Paqarada in den Bereichen Defensive und Ballbesitz
Saisonvergleich zwischen Miro Muheim und Aaron Zehnter in den Bereichen Defensive und Ballbesitz

Muheim hat sich über die Jahre zu einem unangefochtenen Stammspieler entwickelt und ist für mich im jetzigen Kader der wichtigste Spieler beim HSV.

Daniel Elfadli – 31 Einsätze, 2.653 Minuten

Was lange währt, wird endlich gut. Der HSV investierte viel Zeit in die Transferbemühung um Daniel Elfadli. Erst erfolglos, als man sich im Ablösepoker mit dem 1. FC Magdeburg nicht einig werden konnte, dann aber doch noch im Sommer 2024 mit einem Happy End. Und der inzwischen 28-Jährige belohnte diese Bemühungen mit seinen Leistungen.

Zunächst als 6er geplant und aufgestellt, rückte Elfadli immer mal wieder und schließlich zu Rückrundenbeginn konstant in die Innenverteidigung. Der Sommerneuzugang überzeugte mit seiner starken Antizipation, einer guten Dynamik im Abfangen von gegnerischen Bällen und seiner sehr konstanten Qualität im direkten Zweikampf.

Interessant wird wie man in der kommenden Saison mit Elfadli plant. Er bot dem Spiel des HSV wenig Lösungen aus dem Passspiel heraus, war, wenn überhaupt, als Ballcarrier aktiv. Damit lag die gesamte „Last“ des Aufbauspiels auf seinem IV-Partner und dem zentralen Mittelfeld, das aber eben auch genau darauf abgestimmt war – mit den spielstarken und vor allem ballsicheren Muheim und Meffert.

Elfadli im Vergleich mit den Top20-Verteidigern diese Saison in der Kategorie „Progressive passes“

Vieles wird auf die Herangehensweise des HSV in der Bundesliga ankommen. Als 6er könnte er der Mannschaft möglicherweise nochmal ein proaktiveres, aggressiveres und vor allem höheres Anlaufen ermöglichen als es mit einem Meffert der Fall wäre, dem dafür in der Bundesliga der Antritt fehlen könnte. Sollte der 6er-Raum aber weiterhin einen entscheidenden Part im Aufbau des HSV übernehmen könnte die Varianz und Qualität des Passspiels Elfadlis eher dagegen und für einen Verbleib in der Innenverteidigung sprechen. Ganz grundlegend kann man beim HSV aber nur froh sein, einen Spieler seiner Qualität in den eigenen Reihen zu haben.

Dennis Hadzikadunic – 25 Einsätze, 2.024 Minuten

2.024, und damit exakt 90 Minuten mehr als in der Vorsaison, absolvierte Dennis Hadzikadunic diese Saison für den HSV. Der 26-jährige Bosnier war in 2024/2025 unumstrittener Stammspieler, zeigte konstant solide Leistungen in der Innenverteidigung des HSV. Durch die Zurückhaltung Elfadlis im Aufbauspiel der Hamburger lag der Fokus diese Saison ein wenig mehr auf Hadzikadunic, als es noch in der Vorsaison mit Sebastian Schonlau als Nebenmann der Fall gewesen ist. Da die beiden Innenverteidiger aber nicht mehr die extremen Spielmacher wie unter Tim Walter sein müssen, kam dies auch Hadzikadunic entgegen, der sich mehr auf die Defensive konzentrieren konnte.

So kam es deutlich seltener zu gravierenden Fehlern, die ins Gewicht hätten fallen können. Sofascore führt diese Saison nur einen einzigen Fehler mit Torfolge für den Bosnier auf, in der abgelaufenen Saison leistete sich der Innenverteidiger laut der Statistikseite ganze sieben Fehler, die vom Gegner mit einem Gegentor bestraft wurden.

Trotz der merkbaren Steigerung bin ich sehr gespannt, wie mit ihm weitergeplant wird. Es ist für mich nur schwierig vorstellbar, dass Hadzikadunic kommende Saison als Stamm-Innenverteidiger geplant wird – abhängig natürlich auch vom verfügbaren Budget. Andere Faktoren werden die Verhandlungen mit dem FK Rostov sowie die Heilungsprognose für seinen Außenbandanriss im Sprunggelenk sein. Hadzikadunic könnte als Kaderspieler für den Bundesliga-Kader wertvoll werden, als Stammspieler hätte ich dann doch ein paar Bedenken.

Sebastian Schonlau – 23 Einsätze, 1.763 Minuten

In den vergangenen Saisons war Sebastian Schonlau der Spieler, der auf keinen Fall fehlen durfte. Fehlte er aufgrund von Verletzungen oder Sperren, ging unter den Fans das große Zittern los, wie man die Defensive des HSV stabilisieren konnte und natürlich auch, ob das Aufbauspiel des HSV zu sehr leiden könnte. War es doch vor allem Schonlau, der mit seinem mutigen Andribbeln Räume für seine Nebenmänner kreieren konnte. Diese Saison drehte sich die Stimmung um den Kapitän der Hanseaten.

Zwei Rotsperren deuteten eine wechselhafte Saison für den Kapitän des HSV an. Nach einer erneut enttäuschenden Leistung beim 1:1 in Regensburg landete Schonlau schlussendlich auf der Bank und rutschte nur noch als Ersatz in die Startelf des Aufsteigers.

Trotzdem kann man Schonlau nicht absprechen, seine Grundqualität auf den Platz gebracht zu haben. Weiterhin war er einer der spielstärksten Innenverteidiger der Liga, auch seine Zweikampfwerte waren wie immer gut. Was ihm abging – und was auch nicht mehr wiederkommen wird – ist seine Dynamik, seine Beweglichkeit im 1-gegen-1. Hier fehlten ihm immer wieder entscheidende Prozentpunkte, und so prägten einzelne Situationen das Gesamtbild seiner Saison.

Saisonstatistik aller Zweitligaverteidiger mit mindestens rd. 1.500 Minuten in den Kategorien „Duels Won“ und „Accurate Passes“

Ausgehend von den Entwicklungen der aktuellen Saison und einer Prognose seiner Leistungsfähigkeit für die nächste Spielzeit wäre es die wahrscheinlichste Konstellation, dass sich die Wege des HSV und des 30-Jährigen im Sommer nach vier gemeinsamen Jahren trennen. Schonlau besitzt weiterhin die Fähigkeiten, ein Top-Innenverteidiger in Liga 2 zu sein, und für mich ist es – trotz emotionaler Verbundenheit zum Verein, die ich Schonlau definitiv attestieren würde – nur schwierig vorstellbar, dass „Bascho“ Interesse daran hat, als potenzieller Innenverteidiger Nr. 4 oder sogar 5 in die Saison zu gehen. Abgesehen davon, dass solche Kaderplätze aus Vereinssicht eher von Talenten besetzt werden sollten. Ein Abgang scheint nach 115 Pflichtspieleinsätzen für den HSV am wahrscheinlichsten.

William Mikelbrencis – 25 Einsätze, 1.653 Minuten

In den 13 Ligaspielen unter Steffen Baumgart diese Saison sammelte Mikelbrencis gerade mal 79 Einsatzminuten. Nach dem Wechsel zu Merlin Polzin wurde er schlagartig zum Stammspieler, spielte 1.574 von 1.890 möglichen Minuten, also stolze 83 %.

Mikelbrencis merkt man weiterhin an, dass er eigentlich weiterhin mehr für die Schienenposition in einer Fünferkette als für die „klassische“ Rechtsverteidiger-Position in einer Viererkette geeignet wäre. Er bringt ein sehr ausgewogenes Paket aus guten Ballcarrier-Fähigkeiten und sicherem Passspiel mit, war unter Polzin immer wieder auch tief im Spielaufbau beteiligt, sollte also auch Verantwortung am Ball bekommen und nicht nur hoch auf dem Flügel geparkt werden.

Übersicht aller Verteidiger der 2. Bundesliga mit mindestens 1.500 Minuten in den Kategorien „Successful Dribbles“ und „Accurate Passes“

Was für mich weiterhin ein gravierendes Problem in der Spielweise von Mikelbrencis bleibt, ist, dass er seine defensiven Schwächen bisher nicht in den Griff bekommt. Im direkten Zweikampf ist er häufig zu zaghaft, hält zu großen Abstand im 1-gegen-1. Bei Angriffen des Gegners verliert er die Übersicht, positioniert sich falsch oder richtet den Körper falsch aus, geht Laufwege nicht mit oder verliert seinen Gegenspieler aus den Augen.

Übersicht aller Verteidiger der 2. Bundesliga mit mindestens 1.500 Minuten in den Kategorien „Duels Won %“ und „Aerials Won %“

Mit diesen Defiziten wird es schwierig, dauerhaft auf höherem Niveau zu bestehen, auch wenn sein spielerisches Profil am Ball total spannend ist – das möchte ich ihm nicht absprechen.

Übersicht aller Stamm-Rechtsverteidiger der 2. Bundesliga in der Kategorie „Successful defensive actions per 90“

Der HSV wird sich im Sommer höchstwahrscheinlich nach einem neuen Rechtsverteidiger umsehen, der das Potenzial hat, die spielerische Stärke Mikelbrencis mit einem erhöhten defensiven Bewusstsein zu kombinieren. Es bleibt abzuwarten, wie dann aus Kaderplanungssicht mit Mikelbrencis umgegangen wird. Trainer Polzin scheint zumindest ein Fan des 21-jährigen Franzosen zu sein – das könnte ihm einen Kaderplatz für die Bundesliga-Saison sichern.

Silvan Hefti – 20 Einsätze, 1.002 Minuten

Silvan Hefti ist der spielerische Gegenentwurf zu William Mikelbrencis. Hefti bekommt seine Seite zuverlässig geschlossen, hat aber Probleme im Ballbesitzspiel. Zu häufig hatte man das Gefühl, dass das Tempo und die Intensität zu hoch für den Schweizer gewesen sein könnten. Mit fortschreitender Saisondauer konnte man allerdings das Gefühl bekommen, dass er mit der Rolle des klassischen Außenverteidiger-Spiels besser zurechtkam als mit der zuvor zugeteilten Schienenposition.

Übersicht in der Kategorie „Successful defensive actions per 90“ aller Zweitliga-Rechtsverteidiger mit mindestens 1.000 Minuten Einsatzzeit

Zwar stimmt das Klischee des immer nur nach hinten spielenden Heftis (meiste Forward Passes aller Rechtsverteidiger) nicht, trotzdem ist bei ihm sicherlich die fehlende Kreativität und Lösungsfindung auf engem Raum zu bemängeln. Zudem war er im Offensivspiel des HSV kein wirklicher Faktor.

Übersicht in der Kategorie „Forward passes per 90“ aller Zweitliga-Rechtsverteidiger mit mindestens 1.000 Minuten Einsatzzeit

Mit Silvan Hefti als RV muss man als HSV damit rechnen, dass er sich im Offensivspiel seine Aktionen nicht selbst kreieren kann, sondern dass er freigespielt werden muss oder er lediglich mit seiner höheren Positionierung Räume für andere freilaufen kann. Leider sind dann auch bei ausreichendem Platz seine Flanken diese Saison nicht in der Qualität gewesen, dass man sich darauf hätte verlassen können. Selbst über sein Dribbling oder durchs Passspiel Chancen zu kreieren ist eher Seltenheit bei dem Schweizer.

Man hat also mehr oder weniger jetzt zwei Extreme: einen defensivstarken Hefti und einen technisch guten Mikelbrencis. Es könnte für beide Platz im Kader in der nächsten Saison sein. Müsste ich mich auf einen festlegen, wäre es aufgrund seiner reiferen Spielanlage Silvan Hefti.

Fazit

Platz 5 in gefangenen Gegentoren, Platz 8 in zugelassenen xG der Gegner – die Defensive des HSV spielte eine solide, wenn auch keine überragende Saison. Wenig überraschend wird diesen Sommer ein größeres Augenmerk auf Verstärkungen in der Defensive liegen. Potenziell drei neue Stammspieler könnten den Weg an die Elbe finden, zwei werden es meiner Ansicht nach definitiv: einmal für die Innen-, einmal für die rechte Außenverteidigerposition.

Trotzdem darf man nicht den Fehler machen und die Spieler unterschätzen. Manche Spieler konnten ihre Qualität mehr als unter Beweis stellen, manche ihre sehr spezifischen Fähigkeiten andeuten. Es wird nächste Saison eine Einheit brauchen, und da können auch „Spezialisten“ durchaus ihren Platz im Kader wiederfinden.

Im 2. Teil der Saisonrückschau schaue ich mir das Mittelfeld und den Angriff an – etwas, was bei 78 geschossenen Toren des HSV durchaus Spaß machen könnte.

Schreibe einen Kommentar