73 Bundesliga-Einsätze. Damit ist Jordan Torunarigha der mit Abstand erfahrenste Spieler des bisherigen Kaders auf diesem Niveau. Andere Spieler, die ihn überflügelt hätten verlassen nun aller Voraussicht nach den Kader (Davie Selke und Marco Richter) oder spielen in den Planungen für die kommende Saison keine Rolle (Levin Öztunali). Hat der HSV damit seinen Abwehrchef verpflichtet und was kann man von dem ehemaligen Herthaner erwarten? Jetzt im Spielerprofil.
Allgemein

Nationalität: Nigeria
Geburtsdatum: 07.08.1997
Position: Innenverteidiger
Größe: 1,91m
Starker Fuß: Links
Marktwert: 4.500.000,00€
„Ich habe noch ein Jahr Vertrag und keine Eile. Wir werden sehen, was passiert. Ich strebe sportlich nach den höchstmöglichen Zielen. Das spielt bei meiner Entscheidung auf jeden Fall mit rein“
KAA Gent: Ex-Hertha-Profi Jordan Torunarigha beschäftgt sich mit Anfragen | Transfermarkt
Dieses Ziel wird für Jordan Torunarigha in der kommenden Saison der Klassenerhalt mit dem Hamburger SV sein. Der ehemalige nigerianische Nationalspieler kommt ablösefrei von KAA Gent und unterschreibt einen Vertrag bis 2028.
Obwohl man den 27-jährigen Innenverteidiger automatisch mit der Hertha aus Berlin in Verbindung bringt hat Torunarigha nach 4 Jahren in Belgien und stolzen 145 Pflichtspielen für Gent seine Anzahl an Pflichtspielen aus Berliner Zeiten fast verdoppelt (81 zu 145). Unter anderem 21 Einsätze in der UEFA Conference League, jetzt Abstiegskampf in der Bundesliga. Für Torunarigha auch die Chance sich nochmal in der Eliteklasse Deutschlands neu zu beweisen.


In Berlin als großes Talent gehandelt, zwischenzeitlich sogar mit einem Marktwert von satten 13 Millionen Euro ausgestattet, konnte Torunarigha vor allem aufgrund von Verletzungen nie ganz sein volles Potenzial ausschöpfen. Trotzdem kann sich seine Bilanz sehen lassen: Insgesamt 30 Einsätze für die U-Nationalmannschaften Deutschlands, 1 Einsatz für die A-Nationalmannschaft Nigerias. HSV-Sportvorstand Stefan Kuntz stellte den Innenverteidiger insgesamt 7x für die deutsche U21- und Olympia-Auswahl auf.
2020 wurde Torunarigha Opfer eines widerlichen Rassismus-Vorfalls bei einem Pokalspiel auf Schalke:
„Der Junge ist beleidigt worden“, sagte Klinsmann nach dem 2:3 nach Verlängerung: „Wir haben den Schiedsrichtern gesagt, dass sie ihn schützen müssen.“
Herthas Nationalspieler Niklas Stark sprach von „Affenlauten“ gegen Torunarigha, der in der Verlängerung vom Platz gestellt worden war: „Jordan ist ein emotionaler Spieler. Wenn so etwas passiert, wäre ich wahrscheinlich auch ausgerastet. Sowas geht nicht. Das ist menschlich ganz abstoßend.“ Torunarigha habe „auf dem Platz geweint und wollte aufhören“, bestätigte Schalkes Siegtorschütze Benito Raman: „Ich habe ihm Mut zugesprochen und gesagt, dass er weitermachen soll.“
Knapp zwei Tage nach dem Rassismus-Eklat meldete sich Torunarigha selbst mit deutlichen Worten gegen Diskriminierung zu Wort. Er könne Äußerungen „von einigen Idioten“ nicht verstehen, schrieb der frühere Junioren-Nationalspieler in einem emotionalen Statement auf Instagram. „Man kann sich seine Hautfarbe bei der Geburt nicht aussuchen, und sie sollte auch völlig egal sein. Genauso selbstverständlich wie unterschiedliche Hautfarbe, Religion oder Herkunft unter uns Sportlern in der Kabine ist, sollte es auch in unserer Gesellschaft sein!“
Torunarigha reagiert auf Rassismus-Fall – DW – 07.02.2020
Verletzungen, Rassismus-Erfahrungen, Corona-Erkrankung. Torunarigha machte keine einfachen Jahre durch, verständlich, dass ein Neuanfang gesucht wurde. In Belgien fand er in Gent direkt einen Verein bei dem er gesetzt gewesen ist. Zwar konnte der Club aus der zweitgrößten Stadt Belgiens nicht an die Top3-Platzierungen der vergangenen Jahre anschließen, trotzdem qualifizierte man sich unter Hein Vanhaezebrouck regelmäßig für die Conference League in der man in Torunarighas Zeit zumindest einmal in 2022/2023 das Viertelfinale erreichen konnte, dort aber nach Endergebnis mit 2:6 gegen West Ham United ausschied.
Das Ende war dann nicht mehr ganz so harmonisch zwischen Club und Spieler. Nachdem Torunarigha eine Vertragsverlängerung ablehnte wurde er von Gent vom Trainingsbetrieb ausgeschlossen, verpasste dadurch auch die letzten beiden Saisonspiele gegen Genk und Meister Union St. Gilloise.
Was sich der HSV abseits von seinem Leistungsmaximum von seinem neuen Innenverteidiger erhofft ist sicherlich Variabilität, die Torunarigha in das Spiel des HSV bringt. Bei Gent bespielte der 27-Jährige verschiedene Räume und eröffnet Merlin Polzin die Möglichkeit innerhalb eines Spiels zwischen 4er- und 5er-Kette zu variieren, auch in verschiedenen Anlaufphasen des HSV.



Als linker Innenverteidiger in einem 4er-Verbund aber auch in der 5er-Kette eingesetzt, zudem auch als Linksverteidiger, der das Spiel sehr eng macht und nicht breit steht. Torunarigha bietet defensiv verschiedenste Möglichkeiten sich auf den Gegner anzupassen.

Im Spiel mit dem Ball spielte er den linken Innenverteidiger meist sehr breit, wechselnd zwischen einem Dreieraufbau aus drei Innenverteidigern oder wahlweise auch mal zentralen Mittelfeldspieler, der sich tiefer positionierte. Aber auch den Aufbau mit nur zwei Innenverteidgern ist Torunarigha aus seiner Zeit in Belgien gewohnt. Der HSV bekommt also einen taktisch variabel einsetzbaren Innenverteidiger, egal ob mit oder gegen den Ball.

Analyse
Beobachtete Spiele
- KAA Gent – Partizan Belgrad: 1:0 (28.08.2024, 90 Minuten)
- FC Chelsea – KAA Gent: 4:2 (03.10.2024, 90 Minuten)
- KAA Gent – Betis Sevilla: 0:3 (13.02.2025, 90 Minuten)
Stärken
Kann Dynamik seiner Gegner aufnehmen
Im Spiel gegen den Ball ist Torunarighas auffälligste Stärke sicherlich seine Dynamik mit der er seine Gegner entweder frühzeitig bei der Ballannahme stören oder bei verlorenen ersten Schritten trotzdem wieder Meter gutmachen kann. Dies kann sicherlich auch mal zu riskanteren Manövern führen, in erster Linie hilft es der eigenen Mannschaft aber meist entweder die Bälle zurückzuerobern oder Zeit zu erkaufen, damit seine Mitspieler wieder in die Formation rücken können.


Interceptions
Daran anschließend kann Torunarigha immer wieder Bälle im aggressiven nach vorne verteidigen erobern. Seine Geschwindigkeit hilft ihm also nicht nur die letzte Linie zu bearbeiten oder Laufduelle für sich zu entscheiden, sondern er kann auch Passlinien erahnen und Anspiele seiner Gegner unterbinden.

Progressives Passspiel
Mit Ball am Fuß hat der neue Innenverteidiger des HSV die Tendenz eher den langen als kurzen Ball zu probieren, dies mit einer guten Konstanz und wertvoll für einen HSV, der als Aufsteiger noch mehr auf das eigene offensive Umschalten wird setzen müssen. Balleroberung Torunarigha mit anschließendem langen Ball in die Tiefe ist hierbei sicherlich die Traumvorstellung des Teams des HSV.


Sicherheit bei Zuspielen
Klingt erstmal wie eine Selbstverständlichkeit aber Jordan Torunarigha zeigt bei Anspielen mit Gegnerdruck eine hohe Zuverlässigkeit. Es geht dabei nicht um die große Lösung, die er dabei präsentiert, sondern eine gewisse Resilienz was den Gegnerdruck betrifft. Dass dabei trotzdem immer auch mal etwas daneben gehen kann sollte auch klar sein.
Robustheit
Bei seiner Statur zu erwarten, trotzdem muss man es erwähnen: Das Gesamtpaket aus Geschwindigkeit und körperlicher Robustheit ist ein Kernmerkmal vom Spiel von Torunarigha. Auch ohne Armeinsatz schafft er es häufig seine Gegner vom Ball fernzuhalten, selbst in Sprintduellen behält er seine Balance und seine Dynamik führt nicht dazu, dass er an Kraft einbüßt.

Gutes Kopfballspiel
Im Gewinnen von Kopfballduellen zeigt sich genauso seine Stabilität in Zweikämpfen. Seine Kopfbälle zeichnen sich nicht durch hohe Genauigkeit aus, er kann mit seiner Statur nur eben sehr viele Gegner dazu zwingen den eigenen Kopfball nicht vernünftig setzen zu können oder bei langen Bällen entscheidet er eben sehr häufig das Duell für sich. Selten wird er da von seinem Gegenspieler overpowert.

Schwächen
Sorglos im Spielen von langen Bällen
Seine Vorliebe beim spielen von langen Bällen kann ab und zu dazu führen, dass er ohne Gegnerdruck trotzdem zum vertikalen Ball greift und diese ohne Not zum Ballverlust führen. Ihm dort ein Mittelmaß zu vermitteln wird die Aufgabe sein. Auch die Varianz im Passspiel kann sicherlich noch gesteigert werden.
Verteidigung im offenen Raum
Das 1vs1 aber auch das Verteidigen im offenen Raum ohne Sprintduell, ohne eigene oder gegnerische Dynamik wirkt ab und zu ein wenig überhastet und nicht ganz entschlossen. Kann dazu führen, dass er, wenn er nicht sofort am Mann stören kann, zu späte Entscheidungen trifft und damit Räume für den Gegner öffnet oder eben zu zögerlich in den Zweikampf geht.
Carrying-Tendenzen
Eigentlich besitzt Torunarigha alle Tools, die es ihm ermöglichen sollten mit dem Ball viele Wege vertikal zu machen. Allerdings ist von diesen Fähigkeiten eher wenig in seinem Spiel zu sehen und ergeben sich eher aus eigenen Balleroberungen und damit verbundenen Umschaltmomenten. Eigene aus der Statik heraus kreierte Momente sind nicht all zu häufig zu beobachten, können bei richtiger Einbindung im Hamburger Spiel aber sicherlich ein Stück weit „provoziert“ werden. Eine Schwäche ist es damit eher weniger, viel mehr ein noch nicht ganz ausgeschöpftes Potenzial.

Verletzungshistorie
Laut transfermarkt.de beträgt die Anzahl an verpassten Spielen in den vergangenen 8 Jahren ganze 87 Spiele. Grund zum Optimismus gibt der Fakt, dass er in den vergangenen zwei Saisons insgesamt „nur“ noch 43 Tage fehlte, eine Ausfallzeit in 2 Jahren, die einem normalen Wert entsprechen dürfte. Kriegt Torunarigha dies weiterhin stabilisiert wird sich beim HSV keiner über die Vergangenheit Gedanken machen.
Fazit
Mit Jordan Torunarigha erhält der HSV einen erfahrenen Innenverteidiger, der beim HSV den nächsten Schritt zum Führungsspieler machen soll. Ihm das Ausfüllen dieser Rolle als Selbstverständlichkeit zuzuschreiben wäre vermessen, trotzdem wird man genau drauf schauen, dass er diese Rolle nun einnehmen muss.
Seine Körperlichkeit und Geschwindigkeit bringt nochmal ein komplett neues Element in die Innenverteidigung des HSV, etwas was man bisher nur in Ansätzen von Daniel Elfadli sehen konnte.
Ablösefrei einen Spieler seiner Qualität zu erhalten ist für den HSV sehr wichtig und eröffnet sicherlich nochmal andere Möglichkeiten in den weiteren Planungen. Zu hoffen ist für die Hamburger, dass der der 27-jährige fit bleibt, dann könnte dem Team um Sportvorstand Stefan Kuntz ein sehr guter Transfer gelungen sein.