Spielerprofil: Rayan Philippe

Neuzugang Nummer 4, der erste für die Offensive des HSV. Rayan Philippe verstärkt die Rothosen nach 2 Saisons für Eintracht Braunschweig. Wo seine Stärken liegen, was er noch verbessern kann und wie die Möglichkeiten des HSV mit ihm aussehen: Jetzt im Spielerprofil.

Allgemein

Nationalität: Frankreich

Geburtsdatum: 23.10.2000

Position: Mittelstürmer

Größe: 1,82m

Starker Fuß: Links

Marktwert: 3.500.000,00€

FC Swift Hesperingen. So heißt der Verein für den Rayan Philippe gespielt hat und von dem aus sein Wechsel nach Braunschweig vollzogen wurde. Absurde 61 Scorer in 32 Spielen machten die Niedersachen auf den damals 22-Jährigen aufmerksam. Braunschweig sah die Chance einen Mittelstürmer mit Potenzial zum Nulltarif verpflichten zu können. Dass seine rekordverdächtige Saison nur in Luxemburg stattfand sollte den Zweitligisten nicht vom Transfer abhalten.

Für die Eintracht war Philippe ein absoluter Volltreffer. In der abgelaufenen Saison 2024/2025 kommt der Franzose auf einen Toranteil gemessen an der Teamleistung der Braunschweiger von stolzen 34,2%, Bestwert in der 2. Bundesliga. Kein anderer Spieler hatte so einen großen Anteil am Torerfolg seines Teams, wie der 24-Jährige.

SpielerTeam-ToreSpielertore%-Anteil
Rayan Philippe381334,2
Semir Telalovic361233,3
Ragnar Ache561832,1
Moussa Sylla521630,8
Martijn Kaars641929,7
Davie Selke782228,2

Diese Alleinunterhalter-Fähigkeiten muss er nun beim HSV nicht mehr in diesem Extrem auf den Platz bringen. Dass Philippe im Braunschweiger Spiel überall gebraucht wurde und der Mittelstürmer dies auch gerne umsetzte lässt sich gut an seiner Heatmap der vergangenen Saison ablesen:

Heatmap der Saison 2024/2025

Philippe auf das Dasein eines Mittelstürmers zu reduzieren wird ihm nicht gerecht, ihn anhand einer klaren Positionierung zu kategorisieren eben genauso wenig. Der Offensivspieler ist viel unterwegs, ließ sich situativ dahinfallen, wo er im Braunschweiger Spiel gebraucht wurde. Nominell wurde er als Mittelstürmer in einer Doppelspitze aufgestellt, mit Leben ausgefüllt hat er es bei der Eintracht allerdings mit allen möglichen Facetten: In der letzten Linie lauernd auf den tiefen Ball, sich fallen lassend, um als verkappter Spielmacher das Spiel aufzuziehen aber auch sich an der Außenbahn orientierend auch mal von außen kommend um von da mit seinem Tempo für Gefahr zu sorgen. Diese Variabilität wird auch dem HSV helfen unausrechenbarer zu werden, Philippe hat dies bereits bei Braunschweig gezeigt.

Defensiv gab es für ihn zwei Möglichkeiten. Entweder als einer der beiden vorderen Anläufer in einem 5-3-2:

Oder als rechter „Flügel“ innerhalb eines sehr zentrumsorientierten 5-2-3:

Der HSV bekommt also einen sehr flexibel einsetzbaren Offensivspieler, der sich offensiv in vielen verschiedenen Räumen wohlfühlt und aktiv am Spiel teilnehmen sollte bei Braunschweig. Diese hohe Aktivität war aber natürlich auch der individuellen Qualität Philippes „geschuldet“, die er so häufig wie möglich ins Spiel des Relegationssiegers einbringen sollte.

So war Philippe in den Kategorien Tore, Vorlagen, Torschüsse, Chancen kreiert und erfolgreiche Dribblings jeweils Spitzenreiter im Team von Eintracht Braunschweig. Nicht umsonst sollen laut der Seite „transfermarkt.de“ zeitweise 9 Erstligisten an Philippe interessiert gewesen sein:

Analyse

Beobachtete Spiele

  • Eintracht Braunschweig – 1. FC Köln: 1:2 (01.02.2025, 90 Minuten)
  • HSV – Eintracht Braunschweig: 2:4 (11.04.2025, 87 Minuten)
  • Eintracht Braunschweig – 1. FC Kaiserslautern (19.04.2025, 90 Minuten)

Stärken

Ein-Mann-Umschalt-Maschine

Was der HSV durch den Transfer von Philippe vor allem bekommt: Geschwindigkeit, Vertikalität und Zielstrebigkeit auf das Tor zu gehen. Philippe kann auch mal auf engerem Raum funktionieren, in erster Linie liebt er es aber seine Dynamik auszuspielen und den direkten Weg zum Tor zu suchen. Da liegt seine große Stärke, er benötigt wenig Hilfe im umschalten, kann sich häufig den entscheidenden Platz für den Abschluss selbst verschaffen. Sei es durch eigenes Verzögern und wieder Tempo aufnehmen, sei es durch Körpertäuschungen oder geschickten Armeinsatz, um sich diese halbe Sekunde Zeit für den Schuss selbst zu kreieren.

Alle Vergleiche sind mit den jeweiligen Top-15 (Stürmer) der abgelaufenen Zweitliga-Saison

Übersicht in Offensiv-Aktionen

Mit 62 herausgespielten Chancen landet Rayan Philippe immerhin auf Rang 11 ligaweit und das als Mittelstürmer des Tabellen-16. Der Franzose setzt seine Zielstrebigkeit auch in seiner Chancenkreierung um, verliert selten Zeit damit Umwege zu gehen und hat ganz häufig auf simple Weise seine Gegner mit seiner Dynamik überspielt.

Abschlussvariation

Wer 58 Scorer in einer Saison sammelt und zusätzlich der an Toren gemessen wichtigste Spieler der zweiten Bundesliga gewesen ist, muss im Abschluss gewisse Qualitäten mitbringen. Mit seinem starken linken Fuß hat Rayan Philippe eine sehr breite Palette in seinem Abschluss. Flach, hoch, mit viel Kraft, gefühlvoll, mit Vollspann oder auch der Innenseite. Häufig behält er gut die Übersicht, agiert wenig hastig in Schusssituationen.

Handlungsschnelligkeit

In Strafraumnähe ist der Franzose nur schwer zu greifen, weil er sehr schnell handelt, sehr schnell im Kopf zu sein scheint, ein Instinktfußballer. Philippes Übersicht hilft ihm dabei häufig die richtigen Entscheidungen zu treffen und seine Mitspieler teilweise ohne eigene Ballberührung (s. Video) in aussichtsreiche Positionen zu bringen.

Spielmacherqualitäten

Man darf sich Rayan Philippe nicht als klassischen Zehner vorstellen, der sich mit Ruhe und Übersicht den Gegner zurecht legt und dann den tödlichen Pass spielt. Viel mehr ist der Offensiv-Mann ein Spieler mit einer hohen Konstanz in seinem risikoreichen Passspiel, ähnlich sicherlich zu Ex-Braunschweiger Immanuel Pherai. Philippe besitzt die Qualität seine Mitspieler am und im Strafraum einzusetzen, sie aber auch in Umschaltmomenten im richtigen Moment zu schicken. Dies im Wechselspiel mit Ransford Königsdörffer, Jean-Luc Dompé und einem dynamisch nachrückendem zentralen Mittelfeldspieler könnte das Konterspiel des HSV nochmal auf ein neues Niveau heben.

Einsatz für seine Mannschaft

Als Starspieler seiner Truppe könnte der Verdacht entstehen, dass sich der Mittelstürmer die ein oder andere Auszeit genehmigen könnte. Der Defensiv-Output Philippes ist zudem leider überschaubar, was allerdings auch an der Herangehensweise Braunschweig unter Daniel Scherning lag. An Einsatz mangelt es dem 24-jährigen Franzosen aber nicht. Platz 9 in Sprints, Platz 11 in intensive Läufe in der vergangenen Zweitliga-Saison zeigen, dass der viertschnellste Spieler der Liga genug in die Waagschale wirft. Immer wieder zieht er das Tempo mit und gegen den Ball an, versucht den Gegner ständig unter Druck zu setzen.

Schwächen

Unsicherheit bei Gegnerdruck

So selbstverständlich das Spiel Philippes im Umschalten aussieht, so fehleranfällig kann es sein, wenn sein Gegner ihm schon bei der Ballannahme auf den Füßen steht oder zumindest der Druck bereits im Rücken lauert. 52 Ballverluste in dieser Saison platziert Philippe in die Flop-3% aller Stürmer in der zweiten Bundesliga. Das liegt natürlich sowohl an der Braunschweiger Vertikalität, aber natürlich auch an Philippes risikoreicherem Spiel viel für seine Mannschaft durch Dribblings und Chancenkreierung initiieren zu wollen. Ein Teil der Wahrheit ist allerdings auch, dass sein Spiel mit Gegnerdruck besser werden muss.

Abspielzeitpunkte

Um sein Spiel nochmal auf die nächste Stufe zu heben könnte Philippe daran arbeiten ein noch besseres Gefühl für Spielsituationen aufzubauen. Ab und zu unterschätzt er wie schnell Gegenspieler ihn unter Druck setzen zu können, in der nächsten Situation will er das Spiel zu schnell machen. Dort ein gesundes Mittelmaß zu finden könnte seiner Mannschaft noch mehr Sicherheit geben.

Streuung bei Hereingaben

Dass nicht jede Flanke maßgeschneidert auf dem Kopf des Sturmpartners landen kann ist klar, bei Rayan Philippe lässt sich aber zumindest eine nicht wegzudiskutierende Streuung bei seinen Hereingaben beobachten. Da er zumeist in zentraleren Räumen agiert kann man ihm zu Gute halten, dass er überhaupt so umtriebig ist und in so viele Flankensituationen überhaupt erst kommt. Will man ihn beim HSV aber häufiger auch außen einsetzen, sollte zumindest darüber gesprochen werden wie man mehr Konstanz in sein Flankenspiel bekommt.

Sicherheit im Dribbling

Phillippe ist kein Tempodribbler wie Jean-Luc Dompé. Rayan Philippe kommt in erster Linie über geradlinigen Speed, schnelle Körperbewegungen und enge Haken in der Ballbehandlung. Manchmal wirkt sein Dribbling im 1vs1 oder auf die gegnerische Abwehrkette hinzu ein wenig kopflos. Er nimmt dabei zu viele Kontakte, verliert dabei an Tempo. Seine Dynamik spielt er da zu selten aus. Kriegt er in sein Dribbling eine noch größere Varianz würde er ebenso an seiner Erfolgsquote schrauben, die zwar in der Gesamtzahl an erfolgreichen Dribblings (Top-15%) sehr gut ist, im Verhältnis an geführten Dribblings aber nur noch in den oberen 45% liegt.

Kopfballspiel

Positionsunabhängig besitzt Rayan Philippe ein unterdurchschnittliches Kopfballspiel. Egal, ob es um Zweikampfsituationen bei langen Bällen oder um Abschlusssituationen im gegnerischen Strafraum geht, der Franzose zeigt leider immer wieder eine unzureichende Kraft und Technik in der Ausführung seiner Kopfbälle. Häufig lässt er sich zu leicht aus seiner Position drängen, kommt gar nicht erst in den Luftzweikampf. Dies kann beim HSV allerdings sicherlich durch Glatzel und auch Königsdörffer ausgeglichen werden.

Defensiv-Output

Im Braunschweiger Spiel war es für die Stürmer schwierig defensiv zu glänzen. Frühzeitig Druck machen und wenn sie überspielt waren guckte man meist nur noch hinterher. Deswegen ist das Maximum in Philippes Defensiv-Spiel schwierig einzuschätzen. Im direkten Zweikampf am Boden (Flop-14%) und in der Luft (Flop-3%) waren seine Gewinnquoten in der vergangenen Saison unterdurchschnittlich. Allerdings kann dies in einer stabileren Mannschaft auch wieder anders aussehen, an Einsatz mangelt es dem Angreifer wie oben beschrieben nicht.

Fazit

Der HSV hat sich eine Umschalt-Maschine in den Kader geholt, die immer wieder für den einen genialen Moment sorgen kann. Sei es durch den Tiefensprint, den kraftvollen Distanzschuss oder seine Übersicht für den freien Mitspieler. Philippes Eigenschaft in sämtlichen offensiven Räumen auftauchen zu können gibt Merlin Polzin die Möglichkeit ihn in verschiedensten Mitspieler-Konstellationen aufs Feld zu schicken.

Philippe muss ein wenig konstanter in seinem Spiel mit Rücken zum gegnerischen Tor werden. Zudem bleibt abzuwarten, ob seine defensiven Schwächen in einer anderen Mannschaft anpassbar sind und ob sich sein Timing in Offensiv-Aktionen stabilisieren lässt.

Ohne Zweifel hat der HSV mit Rayan Philippe aber einen talentierten Offensiv-Akteur dazu gewonnen, der mit 24 Jahren noch lange nicht am Ende seiner Entwicklung ist. Dass er allein mit seiner hohen Dynamik und Endgeschwindigkeit vielen Bundesliga-Verteidigungen Albträume bereiten kann steht für mich außer Frage. Kann er sich seine Zielstrebigkeit auch in der Bundesliga beibehalten könnte der Franzose schnell zu einem Liebling unter den HSV-Fans werden.

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